Schützen wir die Republik vor einem Bundeskanzler Kickl!

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By Redaktion Semiosis

Ist eine Regierung unter FPÖ-Führung von Herbert Kickl ein unabwendbares Schicksal?

Nein. So meint jedenfalls eine Gruppe von außenpolitischen Beraterinnen und Beratern ehemaliger höchster Amtsträgerinnen und Amtsträger der Zweiten Republik, darunter Wolfgang Petritsch und der Sprecher der SPÖ-nahen Initiative demokratische Außenpolitik, Helfried Carl. Sie appellieren an SPÖ, NEOS und an die ÖVP, die Koalitionsverhandlungen zu einer Regierung zur Verteidigung der Demokratie wieder aufzunehmen. In dem Appell widerlegen sie unter anderem die ÖVP-Verteidigungslinie, man wollen Kickl und die FPÖ hinsichtlich der Außen- und Sicherheitspolitik einhegen. Das sei absurd: „Wie stellt man sich das vor: den für Österreich alleine am runden Tisch des EU-Rates sitzenden Bundeskanzler Kickl steuern zu können?“

Wir dokumentieren den Aufruftext ungekürzt. Die Zwischenüberschriften stammen von der Semiosis-Redaktion.


Ein Appell an die patriotischen Kräfte in der ÖVP

Der Wiener Bürgermeister Dr. Michael Ludwig hat am 11. Jänner vorgeschlagen, die gescheiterten Verhandlungen zur Bildung einer ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalitionsregierung noch einmal aufzunehmen.
Wir schließen uns dieser Aufforderung vehement an. Besonders im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik steht eine Bundesregierung unter Führung der FPÖ für einen Bruch jenes Grundkonsenses, der den erfolgreichen Weg der 2. Republik mitbegründet hat. Die Sorge vor einem solchen Bruch wurde auch von hochrangigen ehemaligen ÖVP-Politikerinnen und Politikern schon geäußert. Wir wissen uns darin mit vielen Expertinnen und Experten im Bereich der Außenpolitik einig.
Wir appellieren dabei vor allem an die besonnenen, verantwortungsbewussten, patriotischen Kräfte in der ÖVP, sich über kurzfristige Parteitaktik und den Einfluss von
Wirtschaftslobbys hinweg zu setzen und zum Wohle Österreichs an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Kickl ist der am wenigsten Geeignete für die Herausforderungen der Außenpolitik

So wie die meisten unserer ausländischen Kolleginnen und Kollegen sind auch wir uns darin einig, dass in der gesamten Nachkriegszeit seit 1945, die Sicherheit der Welt noch nie gefährdeter war als heute. Russland führt einen imperialen Eroberungskrieg gegen die Ukraine und auf vielen Ebenen einen hybriden Krieg gegen Europa mit dem Ziel, die Europäische Union zu destabilisieren und zu spalten. Auch der neugewählte US-Präsident Donald Trump und die ihn umgebenden „Globaligarchen“ wie etwa Elon Musk wollen die EU schwächen. Die Welt zerfällt in miteinander konkurrierende, teilweise gegeneinander feindliche Machtblöcke: Die Vereinten Nationen, die gegründet wurden, um eben das zu verhindern, sind zunehmend machtlos und marginal.

Im Indopazifik steuern die USA und China auf eine militärische Konfrontation zu. In einem neuen Rüstungswettlauf sind alle Anstrengungen zur Begrenzung der durch Waffen geschaffenen Gefahren verebbt. Um sich in dieser bedrohlichen Umgebung behaupten zu können, muss Österreich in seinem inneren Zusammenhalt gefestigt sein. Den meisten Risiken und Bedrohungen kann es darüber hinaus aber überhaupt nur in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und durch die Union begegnen.

Hätte man jemanden gesucht, der am wenigsten geeignet ist, sich dieser Aufgabe zu stellen, dann wäre die Wahl wohl auf Herbert Kickl gefallen. Das zeigt sich deutlich an seiner Weigerung, am europäischen Projekt „Sky Shield“ mitzuwirken. In diesem Projekt haben sich die Mehrzahl der Unionsstaaten (und die Schweiz) zur gemeinsamen Entwicklung und Anschaffung eines umfassenden Luftabwehrsystems zusammengefunden. Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie unerlässlich ein solches System ist, mit dem die Ukraine bislang unter anderem vor einer vollständigen Zerstörung seiner Elektrizitätsversorgung geschützt werden konnte.

Kickl möchte Österreich wehrlos gegen russische Drohungen und Luftangriffe machen

Auf beiden Seiten des Krieges wurden Drohnen, Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen zu den wirkungsstärksten Waffen. Russland hat bereits gedroht diese Waffen, sogar mit Atomwaffen bestückt, bei einer Ausweitung des Ukraine-Krieges auch gegen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einzusetzen. Logischerweise beteiligt sich Österreich daher am Projekt „Sky Shield“. Kickl will dem ein Ende setzen, und Österreich damit gegen russische Drohungen und Luftangriffe wehrlos machen.

Noch in seiner Eigenschaft als damaliger Innenminister hatte Herbert Kickl mit der Zerschlagung des österreichischen Inlandsgeheimdienstes unsere internationale
Vertrauenswürdigkeit stark beschädigt. Kein Wunder, dass die westlichen Nachrichten-und Geheimdienste damals die Zusammenarbeit mit Österreich minimierten. Das war zum Schaden Österreichs, das auf diese Zusammenarbeit angewiesen ist. Kein Wunder also, dass auch heute die westlichen Nachrichten- und Geheimdienste in Aussicht stellen, bei einer Regierung unter Führung von Herbert Kickl die Zusammenarbeit zurückzufahren. Denn an der Russland-Affinität der Kickl-FPÖ hat sich nichts geändert.

Anbiedern an einen militärischen Aggressor

Ihr Anbiedern an einen militärischen Aggressor ist neutralitätsfeindliches Verhalten. In der Arena der europäischen und globalen Politik hat Österreich stets versucht, Respekt für Völkerrecht und die Menschenrechte zu fördern. Die außenpolitischen Positionen der FPÖ stehen dem diametral entgegen. Das zeigt sich auch an ihrer Ablehnung der Sanktionen gegen Russland, eine der wenigen wirksamen Maßnahmen, die wir im Rahmen der Neutralität zur Unterstützung der Ukraine in deren Abwehrkampf leisten können.
Noch bedrohlicher für die Sicherheit und den Zusammenhalt der Union wird die Haltung Kickls durch dessen Allianz mit EU-skeptischen und russlandfreundlichen, zunehmend autoritären Regimen in Ungarn und der Slowakei. Es droht, wie das britische Magazin „Economist“ schreibt, das Entstehen eines dauerhaften, integrationsfeindlichen und russlandfreundlichen, mit den reaktionären Kräften der USA verbündeten, autoritär regierten zentraleuropäischen Blocks („Herbert Kickl and the hard right — the Putinisation of Central Europe“).

Ziel diese Blocks ist die Rückentwicklung der Europäischen Union in einen bloßen – von Kickl so bezeichneten – „Europäischen Wirtschaftsraum“.

Kann die ÖVP einen Bundeskanzler Kickl in der Außenpolitik wirklich einbremsen?

Ihren Wortmeldungen zufolge glauben Teile der ÖVP, die FPÖ zumindest im Bereich der Außen-, Sicherheits – und Europapolitik einbremsen zu können; etwa dadurch, dass die Zuständigkeit für EU-Belange, die derzeit beim Bundeskanzleramt liegt, wieder größtenteils in das Außenministerium rückverlagert wird. Das wäre erstens in dieser Form deshalb nicht sinnvoll, weil die EU-Politik in den Kompetenzbereich fast aller Bundesministerien eingreift, und wo deshalb die Koordinierungsfunktion des Bundeskanzlers unerlässlich ist.
Zweitens aber ist die Vorstellung einer vor Kickl geschützten Europapolitik einfach absurd. Wie stellt man sich das vor: den für Österreich alleine am runden Tisch des EU-Rates sitzenden Bundeskanzler Kickl steuern zu können?
Der Wiener Bürgermeister Dr. Michael Ludwig spricht deshalb völlig zurecht von einer „Zeitenwende“, sollte Herbert Kickl tatsächlich österreichischer Bundeskanzler werden.

Dies kann und muss verhindert werden. Als der kleinere Koalitionspartner und stets unter dem Druck von möglichen, für sie ungünstigen Neuwahlen kann die ÖVP nicht einen völligen Bruch mit der Tradition verhindern, der zufolge Österreich bemüht war, zu den Kernstaaten der Union gezählt zu werden; zu jenen, welche die europäische Integration vorantreiben. Auch Österreichs Sicherheitspolitik hat in den letzten Jahren vermehrt eine gesamteuropäische Perspektive eingenommen.

Dieser nunmehrige Bruch mit vorheriger, von den alten Großparteien getragenen Politik, schadet den Interessen der österreichischen Bürgerinnen und Bürgern, schadet dem Staat insgesamt; und nicht zuletzt auch der angestrebten größeren Handlungsfähigkeit der Union. Der Abbruch der Verhandlungen und das Ansteuern einer Regierung unter Führung Herbert Kickls entspricht auch in keiner Weise dem Ergebnis der Nationalratswahlen, bei der 71 % der Stimmen für Parteien abgegeben wurden, die ausdrücklich ausgeschlossen haben, Herbert Kickl zum Bundeskanzler zu machen.

Solange noch eine – wenn auch kleine – Hoffnung darauf besteht, diesen Bruch und eine für Österreich schlechtere politische Zukunft zu verhindern, muss diese Chance genutzt werden.
Zum Schutz der Zweiten Republik rufen wir als Initiative Demokratische Außenpolitik ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS dazu auf, alles daran zu setzen, um eine pro-europäische Regierung unter Ausschluss der FPÖ zu bilden.
Schützen wir die Republik vor einem Bundeskanzler Kickl!


Helfried Carl, ehem. außenpolitischer Berater und Büroleiter von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Helmut Freudenschuss, ehem. außenpolitischer Berater von Bundespräsident Heinz Fischer, Eva Nowotny, ehem. außenpolitische Beraterin von Bundeskanzler Franz Vranitzky, Thomas Nowotny, ehem. sicherheitspolitischer Sekretär von Bundeskanzler Bruno Kreisky, Wolfgang Petritsch, ehem. Pressesekretär und Kabinettschef von Bundeskanzler Bruno Kreisky.

1 Gedanke zu „Schützen wir die Republik vor einem Bundeskanzler Kickl!“

  1. Ich bitte inständig “ Keinen Kanzler Kickl „. ÖVP, SPÖ, NEOS oder GRÜNE bitte kehren sie zurück zu Verhandlungen.
    Bitte machen sie das für unser Österreich.

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