COVID-19 ist in Österreich keine meldepflichtige Erkrankung mehr. Daher existiert auch kein Pandemiemanagement, was im Erkrankungsfall heißt: Die Gesundheitsbehörden bleiben untätig.
Das hat unter anderem zufolge, dass das wirksame COVID-19-Medikament Paxlovid nicht mehr über die Gesundheitsbehörde organisiert werden kann. Betroffene müssen eine Ärztin oder einen Arzt finden, die/der das verschreibt.
In diesem Zusammenhang stellt sich uns die Frage: War denn das Pandemiemanagement in Österreich eigentlich in Ordnung? Im Fall des angesprochenen, wirksamen Medikaments wäre es jedenfalls gut, wenn es noch Maßnahmen gäbe. Auch die gratis PCR-Tests zur sicheren Erkennung einer Infektion fehlen. Und ansonsten?
Es gibt für Österreich keine unabhängige Aufarbeitung des COVID-19-Pandemiemanagements. In anderen Ländern schon, in den USA zum Beispiel. Hier hat der so genannte „People’s CDC“ Expert:innen und Betroffene befragt. Der Bericht, der daraus resultiert, kritisiert die Arbeit der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) deutlich.
Wir dokumentieren die Kurzfassung der Ergebnisse und stellen den kompletten Bericht – übersetzt – zur Verfügung. Die Übersetzungsarbeit hat unser Autor Paul Schuberth angefertigt. Danke dafür!
Vielleicht ist das ja eine Anregung für Österreich.
Warum gab es mehr als eine Million COVID-Tote in den USA?
Die US-Bevölkerung hat durch COVID-19 schlimmere gesundheitliche Folgen erlitten als die Einwohner:innen vergleichbar reicher Staaten. So hat COVID in den Vereinigten Staaten über 1,1 Millionen Todesfälle verursacht und dadurch zu einem Rückgang der Lebenserwartung um drei Jahre beigetragen. Als die CDC (Centers for Disease Control and Prevention, das ist die US-amerikanische Seuchenschutzbehörde) eine externe Überprüfung ankündigte, um dieses offensichtliche Versagen zu untersuchen, führte die „People’s CDC“ („Seuchenschutzbehörde der Menschen“) – eine Koalition aus Mitarbeiterinnen des öffentlichen Gesundheitswesens und Gemeinwohlaktivistinnen – eine eigene externe Überprüfung durch.
Die Methode der Untersuchung
Wir haben fast 500 Expert:innen für öffentliche Gesundheit und Gemeindevorsteher:innen befragt und über 200 Zeitschriftenartikel, Regierungsberichte, Nachrichtenartikel und staatliche Dokumente überprüft. Letztendlich haben wir festgestellt, dass die CDC es versäumt hat, die Öffentlichkeit adäquat darüber zu informieren, dass COVID weiterhin eine ernsthafte Bedrohung darstellt – konträr zu ihren eigenen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das CDC hat zunehmend Richtlinien empfohlen, die die individuelle Entscheidung des Einzelnen über die Gesundheit der Gesamtbevölkerung stellen. Infolgedessen können große Teile der Bevölkerung, darunter ältere Erwachsene, behinderte, chronisch kranke und immungeschwächte Menschen, ihre Grundbedürfnisse nicht decken, ohne das Risiko einer COVID-19-Infektion einzugehen. Die Öffentlichkeit verdient genaue Informationen und Anleitungen vonseiten ihrer Regierung, die auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, und das ist die Aufgabe der CDC.
Jeder verdient die beste Chance, gesund zu sein. Die CDC sollte die öffentliche Gesundheit an erste Stelle setzen und mit den am stärksten von der Pandemie betroffenen Gruppen zusammenarbeiten, evidenzbasierte Informationen austauschen und die Menschen ermutigen, sich gegenseitig durch mehrschichtige Schutzmaßnahmen zu schützen, um die Übertragung von COVID-19 zu verringern. Da aufkommende Varianten bestehende Impfstoffe und Behandlungen bereits umgehen können und das Ende des Ausnahmezustands dazu führen könnte, dass Millionen Menschen keine Krankenversicherung und keinen Zugang zu COVID-Impfstoffen, -Tests und -Behandlungen haben, ist ein vielgestaltiger, nachhaltiger Ansatz zur Bewältigung der COVID-Pandemie unerlässlich zum Schutz der Menschen, der Wirtschaft und zukünftiger Generationen.
Ende des Ausnahmezustands ist nicht das Ende der Pandemie
Im Jahr 2020 schockierten die ersten 100.000 Todesfälle durch COVID-19 die Nation. Als jedoch die Zahl der COVID-Todesfälle in den USA im Januar 2023 die 1,1-Millionen-Marke überschritt, hielt Präsident Biden nicht inne, um den schweren Verlust anzuerkennen, sondern beschloss, den COVID-19-Ausnahmezustand zu beenden. Allein im Jahr 2022, einem Jahr, in dem viele Politiker:innen und sogar einige Medizinerinnen behauptet hatten, die Pandemie sei vorbei, starben in den Vereinigten Staaten mehr als 250.000 Menschen an COVID. COVID bleibt seit Beginn der Pandemie die dritthäufigste Todesursache in den Vereinigten Staaten.
Kinder waren zu wenig geschützt
Mehr als 1.600 Kinder sind an COVID-19 gestorben, was COVID zu einer der zehn häufigsten Todesursachen bei Kindern seit Beginn der Pandemie macht. Mehr als 200.000 Kinder haben seit dem Beginn der Pandemie eine Bezugsperson verloren. Mittlerweile haben bis zu 36 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten Long COVID erlebt, was allein in den Vereinigten Staaten fast 4 Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit hält. Inmitten dieser schrecklichen Pandemie stellten einige Fachleute des öffentlichen Gesundheitswesens und unabhängige Aktivist*innen fest, dass die CDC von ihrer noblen Erzählung der Förderung einer evidenzbasierten öffentlichen Gesundheit abweicht.
Wir haben drei große „red flags“ (Kritikpunkte und Warnzeichen) identifiziert.
Drei Kritikpunkte und Warnzeichen
- Die CDC-Führung spielt die weiterhin ernsthafte Bedrohung, die COVID-19 darstellt, herunter, vergleicht COVID mit der Influenza und erstellt Landkarten, die das Risiko einer COVID-Übertragung kleinreden, anstatt auf Kontrolle und Prävention von Krankheit abzuzielen.
- Die CDC-Führung hat ihre Empfehlungen aufgrund des Drucks einflussreicher Wirtschaftsinteressen geändert und hat die Leitlinien für die öffentliche Gesundheit nach politischen Agenden ausgerichtet anstatt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, um eine Atmosphäre zu schaffen, in der Arbeitnehmer:innen und Verbraucher:innen bereit sind, ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen, wenn sie unter unsicheren Bedingungen arbeiten und konsumieren.
- Die CDC-Richtlinien drängen auf den Vorrang individueller Entscheidung gegenüber einem umfassenderen Bevölkerungsgesundheitsansatz, der alle schützen würde.
Die erstgenannte Strategie entwertet das Leben von Personen mit hohem Risiko einer schweren Erkrankung (vier von zehn Erwachsenen in den USA), indem sie den Menschen aufbürdet, sich selbst zu schützen, anstatt alle zu ermutigen, sich gegenseitig zu schützen.
Über das „People’s CDC“
Im Januar 2022 haben wir das „People’s CDC“ gegründet, eine von Freiwilligen geführte Koalition aus Praktikerinnen des öffentlichen Gesundheitswesens, Wissenschaftler:innen, Gesundheitsdienstleister:innen, Pädagog:innen, Anwält:innen und Menschen aus dem ganzen Land, die sich leidenschaftlich für die Reduzierung der schädlichen Auswirkungen von COVID-19 einsetzen. Das CDC und gewählte Führungspersönlichkeiten verweisen oft auf die Notwendigkeit, „Menschen dort abzuholen, wo sie sind“, während sie öffentliche Gesundheitsschutzmaßnahmen aufheben.
Doch wiederholte Umfragen zeigen, dass die US-Öffentlichkeit bei hohen Infektionsraten Schutzmaßnahmen gegen COVID-19, wie z. B. eine Maskenpflicht, befürwortet. Aufgrund der irreführenden Nachrichten des CDC wissen die meisten Menschen nicht, wann die Infektionsraten von COVID-19 tatsächlich hoch sind.
Diejenigen, die dies wissen, schützen sich eher durch das Tragen von Masken. Als „People‘s CDC“ glauben wir auch, dass eine gut informierte Öffentlichkeit Hunderttausende Todesfälle durch COVID-19 pro Jahr nicht tolerieren wollen würde. Als wir erfuhren, dass die CDC eine interne Überprüfung ihrer Arbeit durchführte, beschlossen wir, eine „People’s“-Überprüfung durchzuführen. Wir haben fast 500 Bedienstete des Gesundheitsbereichs, Gemeindevorsteher:innen sowie Forscher:innen und Praktiker:innen des öffentlichen Gesundheitswesens befragt.
Wir haben sie dabei gebeten, die Performance der CDC in acht Schlüsselbereichen des Pandemiemanagements zu bewerten. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedenken, die uns zu dieser Untersuchung veranlasst haben.
Anmerkung der Semiosis-Redaktion: Die Untersuchung dieser acht Schlüsselbereiche (Krankheitskontrolle und -prävention, Ethik, Gleichheit und Gerechtigkeit, wissenschaftliche Integrität, öffentliche Gesundheitsinfrastruktur, Kommunikation, Inklusion, und die Ursachenbekämpfung) finden sich in der Langfassung des Berichts, den Paul Schuberth übersetzt hat.
Download des gesamten Berichts
Titelbild: Von Nrbelex at nl.en.wikipedia – Originally from en.wikipedia; description page is/was here., CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1791065