„Weiters wurde bei der Hauptversammlung zusätzlich zur ordentlichen Dividende von 2,44 Euro je Aktie eine Sonderdividende von 1,16 Euro je Aktie beschlossen.“ Diese Meldung über die österreichische Verbund AG geht im Strom der täglichen Börsen-Nachrichten Ende April 2023 fast ein wenig unter. Es gibt also eine Sonder-Dividende, weil das Geschäft brummt. Ist das eigentlich ein Grund zur Freude? Und falls ja, für wen?
Sebastian Reinfeldt hat die Hauptversammlung des größten österreichischen Energieversorgers in Wien besucht. Die Vertreter der Aktionäre haben dort diese Sonderzahlung beschlossen. Wem nützt das eigentlich? Da die Energieunternehmen in Österreich untereinander vernetzt sind und an allen entweder die Republik Österreich oder die Bundesländer mehrheitlich beteiligt sind, ist die Antwort auf die Dividenden-Frage Qui bono? gar nicht so leicht zu geben. Eine Recherche.
Eintauchen in die Männer-Parallelwelt
Ich muss es ja sowieso offen legen: Meine Partnerin und ich halten in unserem gemeinsamen Vorsorge-Depot zehn Aktien der Verbund AG. Wir sind, wie es so schön heißt, investiert, wenn auch zu einem vergleichsweise lächerlich geringen Wert. Der Verbund produziert Strom vorwiegend mit natürlicher Wasserkraft in 129 Wasser-Kraftwerken in Österreich und Deutschland. Auf der Hauptversammlung wurde zudem ein Milliarden schweres Investitionsprogramm für Erneuerbare Energie (Photovoltaik und Wind) angekündigt. Die Verbund AG ist ein Unternehmen mit Potential und ethisch vertretbar, so denken wir.
Die Aktie lief die vergangenen Monate sehr gut, denn wir hatten zu einem Zeitpunkt gekauft, als sie niedrig stand. Nun kam die Einladung zur Hauptversammlung und ich war das erste Mal in meinem Leben auf einer Aktionärsversammlung, quasi vor der Haustür, in der Messe Wien. Es ist eine eigene, gut klimatisierte männliche Parallelwelt, in die ich da eingetaucht bin. Vorne, am deutlich erhöhten Podium, saßen fünf von ihnen, im Anzug, braungebrannt: der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Vorstand. Auch an der folgenden Generaldebatte beteiligten sich aus dem Publikum heraus ausschließlich Männer. Die Mehrzahl der Frauen im Saal servierten Schnittchen, reichten kalte und warme Getränke oder kontrollierten die Stimmkarten.
Die Sonderdividende
Ich habe nicht mitgezählt, wie oft die Dividenden-Ausschüttung an diesem Tag erwähnt wurde. Gefühlt waren es 50 Mal, obwohl sie formal noch gar keine beschlossene Sache war. Der entsprechende Antrag stand nämlich erst auf der Tagesordnung. Warum sollten sich die abstimmenden Aktionäre um diese attraktive Zahlung bringen? Für unsere zehn Aktien macht das übrigens einen Erlös von 36 Euro aus, abzüglich der Steuern – KEST von 27,5 Prozent – bleiben davon ganze 26,10 leistungslose Euro übrig.
Ganz anders sieht die Rechnung allerdings für den Hauptaktionär des Verbunds aus: Die Republik Österreich, die 51 Prozent Anteile hält, wird mit der Dividende den Energiekostenzuschuss teil-finanzieren, den sie dem Verbund für den Stromverbrauch seiner Kund*innen gezahlt hat. Das Ganze war also ein lukratives In-sich-Geschäft, das sich die Kund*innen im Endeffekt selber bezahlt haben.
Durchwegs (halb)staatliche Energieversorger
Aber nicht nur die Republik Österreich hat Anteil an dem Verbund-Kuchen und darf sich – wie wir – über leistungslose Einnahmen freuen: Das Energieunternehmen EVN und die Wiener Stadtwerke halten in einem Syndikat 25 Prozent der Verbund-Aktien und streichen daher sowohl die Dividende als auch die Sonderdividende ein. Die EVN wiederum gehören zu 51 Prozent dem Land Niederösterreich und zu 28 Prozent den Wiener Stadtwerken, so dass die Dividenden-Kassen in der Bundeshauptstadt gleich mehrfach klingeln.
Quelle: https://littlesis.org/oligrapher/8583-energieversorger-austria
Über die Wiener Stadtwerke wiederum, denen die Wien Energie gehört, herrscht die Stadt Wien zu 100 Prozent. Das ist in Österreich indes keine Ausnahme: Bei der Tiroler TIWAG ist das Land Tirol zu 100 Prozent unumschränkte Herrscherin; die Energie AG Oberösterreich wiederum ist zu 52,5 Prozent im Besitz der oberösterreichischen Landesregierung. Hier halten wiederum die Tiroler TIWAG einen Anteil von 8,28 Propzent und die Linz AG von 10,35 Prozent. Dass die Burgendland Energie scheinbar zu 100 Prozent dem Bundesland gehört, die Vorarlberger Illwerke tatsächlich zu 95,5 Prozent dem Bundesland Vorarlberg und die Salzburg AG zu rund 42 Prozent dem Land Salzburg und zu 31 Prozent der Stadt Salzburg, rundet dieses Bild eines nur formal liberalisierten Energiemarktes ab.
Ein blick hinter die Kulissen der österreichischen Energierversorung
Dass die Energieversorgung als grundlegende Daseinsvorsorge nicht in privaten Hände gehört, ist an sich ein guter Gedanke. Dennoch wohnte ich einer Aktionärshauptversammlung eines Unternehmens bei, dessen Aktien frei verfügbar sind und an dem (neben der Republik Österreich weitere Energieversorger) sogar internationale Fonds wie Amundi beteiligt sind.
Nicht überall ist Burgenland drinnen
Wenn wir uns zudem die Verflechtungen der Energieunternehmen untereinander anschauen, dann wird die Sache ordentlich komplex. Die EVN etwa ist zu 73 Prozent an der Burgenland Holding beteiligt, die wiederum 49 Prozent der Burgenland Energie hält. Merke: Nicht überall, wo Burgenland draufsteht, ist ausschließlich Burgenland drinnen.
Bei anderen Energieversorgern mitnaschen
An den Gewinnen der Energie AG Oberösterreich partizipieren noch die Linz AG (10,3 Prozent), die TIWAG (8,24 Prozent) und der Verbund mit 5,18 Prozent.
Die Energie AG Oberösterreich selbst ist wiederum zu 26,13 Prozent bei der Salzburg AG investiert, was den Gewinnmitnahmekuchen für den Verbund noch ein wenig größer werden lässt. Und wir erinnern uns: Die Republik Österreich hält über 50 Prozent des Verbunds, der noch bei der Ennskraftwerken AG sowie den Grenzkraftwerken zu 50 Prozent beteiligt ist – und der, nicht zu vergessen, bei der Kärntner KELAG 35,17 Prozent hält.
Ein Energie-Schein-Markt
Ehrlich gesagt bin ich in diese Recherche mit der Annahme gegangen, dass bei den Energieversorgern in Österreich private Investor*innen und Fonds ordentlich mitverdienen würden. Vordergründig herrscht nämlich Konkurrenz. Daher müssen die Kund*innen gut recherchieren, um preisgünstige Energieanbieter herauszufiltern. Aufgrund der inneren Verflechtungen sieht das aber nur wie ein ‚freier‘ Markt aus. So sind die Beteiligungen privater Investor*innen relativ gering. Nur die Energie Steiermark, der Verbund und die KELAG weisen hier nennenswerte private Anteile auf.
Bei weitem einträglicher ist das Energiegeschäft indes für die öffentliche Hand. Die Zahlen der Verbund AG verdeutlichen dies: Insgesamt verdient die Republik für das Jahr 2022 etwa 1,5 Milliarden Euro an Dividende, Sonderdividende, Steuern und Zufallsgewinnsteuern. Damit hat sie bereits einen großen Teil der Ausgaben für den Stromkostenzuschuss (je nach Marktlage drei bis vier Milliarden Euro) wieder hereingeholt. An die am Konzern beteiligten Landesenergieversorger fließen vom Verbund zudem weitere 650 Millionen Euro, berichtet der Kurier.
An den massiven Strom- und Gaspreiserhöhungen verdienen die Regierungen im Land und Im Bund also ordentlich mit.