Patriarchale Unterdrückung durch den Islam

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By Gastautorin

Mit Absicht sind wir „late to the party“. Statt vorab Reden wiederzugeben, die nicht weh tun, haben wir Statements und Stellungnahmen zum 8. März gelesen und dann eine Autorin gefragt, ob sie uns ihren Beitrag zur Veröffentlichung überlässt. Der Redebeitrag handelt von der weltweiten spezifischen Unterdrückung der Frau durch den Islam und wurde zum diesjährigen Frauenkampftag in Leipzig gehalten. Von unserer Gastautorin Tina Sanders. Danke!


Frauenrechte in islamischen Ländern

Im wahhabitischen Saudi-Arabien durften Frauen 2015 aktiv und passiv – und das nur auf kommunaler Ebene – erstmalig wählen und ab 2017 PKW-Führerscheine erhalten – bis heute dürfen sie sich allerdings nicht in denselben Bussen, Einkaufszentren, Freizeitparks oder Restaurants aufhalten wie Männer.

In Katar benötigen Frauen einen männlichen Vormund, Vergewaltigung in der Ehe und häusliche Gewalt gelten als legal.

Erst 2018 wurde von der palästinensischen Fatah das marry-your-rapist-law im Westjordanland aufgehoben, also das Gesetz, das es angeklagten Vergewaltigern ermöglicht, eine Strafe zu umgehen, indem sie ihre Opfer heiraten. Im Gazastreifen gilt es bis heute.

Am 14. August 2021 ging ein Video viral, das zeigt, wie eine junge Youtuberin in Pakistan von einem Mob von 400 Männern sexuell belästigt wird. Dort wurden von 2015 bis 2020 im Durchschnitt elf Vergewaltigungen pro Tag angezeigt. Female Genital Mutilation, weibliche Genitalverstümmelung, betrifft in Somalia etwa 98% der Frauen und Mädchen.

In Afghanistan dürfen unter den abermals herrschenden Taliban nicht einmal die weiblichen Köpfe von Mannequins von der Öffentlichkeit als solche wahrgenommen werden, Frauen müssen ihre gesamten Körper verschleiern und sich in ihren Häusern einsperren.

Die Türkei trat 2021 von der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen aus, da laut Erdogan Homosexualität nicht normal sei und die Konvention benutzt worden sei, um Homosexualität „zu normalisieren“.

Der Christopher Street Day wird dort jährlich vom Regime verboten und bei Widerstand gewaltsam niedergeschlagen. Die Sharia, die auch Nichtmuslime im jeweiligen Gebiet inkludiert, dient in etlichen Staaten wie Ägypten, Jemen, Irak, Lybien uvm. weiterhin als Rechtsgrundlage und somit juristische Basis der Frauenunterdrückung.

Gewalt gegen Kritik und andere Lebensweisen

Diejenigen Frauen, homosexuellen Männer oder Transpersonen, denen die Flucht aus diesem Elend gelingt – Herkunftsländer wie Afghanistan gelten immer noch als sicher – und mit der islamisch-misogynen Sozialisation eben jenen Ländern nicht einverstanden sind, bleiben hilflos zurück- bzw. allein gelassen. Sei es, wenn sie, wie das Opfer eines Ehrenmordes, siehe Hatun Sürücü, keine Unterstützung erfahren, um einem solchen vorzubeugen. Oder wie Seyran Ates vor Dekaden bei ihrer sozialen Arbeit für muslimische Frauen von einem deren männlichen Angehörigen angeschossen werden und ihre Klientin, die es nicht überlebt. Oder wie der schwule Flüchtling Amed Sherwan in seiner Wahlheimat Freiburg auf offener Straße von Islamisten attackiert werden. Oder wie die die Revolution unterstützenden Exiliranerinnen hierzulande vom Islamischen Regime aufgrund ihrer feministischen Tätigkeiten ausspioniert werden. Von vielen weiteren Betroffenen des islamischen Patriarchats in Deutschland werden wir nie etwas erfahren – von den unzähligen rund um die Welt ganz zu schweigen.

Iran: Frauen sind zugleich Heilige und Staatsfeinde

Laut Fatiyeh Naghibzadeh wird etwa im Iran

die Frau einerseits sakralisiert und zum Ausgangspunkt der islamischen Gesellschaft gemacht; andererseits steht sie unter dem permanenten Generalverdacht, ihre Aufgabe als Reproduzentin der islamischen Normen und Werte nicht zu erfüllen. Sie ist Heilige und potenziell gefährlichster Staatsfeind zugleich.

Interview mit Fathiyeh Naghibzadeh, in: Kein Al Quds Tag, S. 51

Dieses Potenzial zur sogenannten fitna – einer tiefen gesellschaftlichen Unruhe und einer großen Versuchung oder schweren Prüfung für den einzelnen Muslim – wohnt der Frau aufgrund ihres Frauseins in islamischer Auslegung per se inne.

Die fitna stellt das Gegenkonzept zur harmonisch-homogenen muslimischen Umma dar und meint auf individueller Ebene alle Situationen und Aktivitäten, die den Islam als Lebensentwurf bedrohen und den Menschen von ihm abwenden. Sowohl muslimische Frauen, die vom Glauben abgefallen sind und ein Leben frei vom Islam führen wie einst Hatun Sürücü als auch westliche, nicht-muslimische Frauen verkörpern auch im Alltag alles, was islamische Regime und muslimische Männer vor eine solche schwere Prüfung stellt: Nämlich den Status eines eigenständigen und selbstbestimmten Subjekts, eines sexuell Seienden mit Begierden und Wünschen. Doch immer mehr Frauen leben nicht nur im „sündhaften Westen“ zusehends ihre eigene Sexualität aus und lassen sich immer weniger zum Objekt des Mannes degradieren, dessen Triebe sie durch das Tragen einer Verschleierung für ihn zu unterdrücken hätten.

Bildung als Form der Emanzipation

Das schiitische iranische Regime vergiftet lieber Mädchen und junge Frauen in Schulen und an Universitäten, die Terrormiliz Boko Haram entführt sie lieber, die afghanischen Taliban verbieten ihnen lieber gesetzlich den Schulbesuch und ihre pakistanischen Genossen schießen lieber auf Aktivistinnen wie Malala Yousafzai als zuzulassen, dass sie sich bilden. Denn auch ihre Bildung ist eine Form von Emanzipation, Kritik und Widerstand, ein sich Aufbäumen gegen die eigene Unterdrückung – die Realisierung dieses weiblichen Potenzials zur gesellschaftlichen Unruhe.

Freiheit ist nicht westlich

Seit der Islamischen Revolution 1979 finden im Iran immer wieder Revolten gegen das Regime statt, die nun aufgrund der breiten geschlechts-, generations- und ethnienübergreifender Solidarität zu einer Revolution wurden, die sich nicht nur, aber vor allem um weibliche Emanzipationsbestrebungen dreht.

Ich fordere euch dazu auf: Lasst uns auch Unruhe stiften! Lasst uns solidarisch mit Frauen weltweit sein, die genau das tun! Denn wie die protestierenden Feministinnen im Iran selbst 1979 sagten:

Freiheit ist nicht westlich, nicht östlich, sondern universal!

Und diese Freiheit wünschen wir uns aus vollstem Herzen für alle Frauen dieser Welt.


Tina Sanders auf Semiosis: Die Linkswende in antisemitische Stereotype – Ein Gespräch mit Tina Sanders


Das Titelbild zeigt eine Demonstration von Frauen am 8. März 1979 in Teheran. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1979_Iranian_Women_Day%27s_protests_against_Hijab.jpg

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