Nur wenig ist davon bekannt, wie maßgeblich die Firmen Weleda und Demeter bei Menschenversuchen in verschiedenen NS-Konzentrationslagern mitgewirkt haben. Einige der noch heute gut verkauften Produkte von Weleda wurden unter grausamsten Bedingungen im KZ Dachau an Menschen erforscht und unter erschütternden Umständen angebaut.
So befand sich im KZ Dachau der größte Heilpflanzengarten Europas. Sein Kommandoname: Die Plantage.
Wir übernehmen und adaptieren hier eine Recherche der Betonmaler*innen – mit freundlicher Genehmigung der Autor*innen.
Die Plantage
Im KZ Dachau arbeiteten im Außenbereich des Lages bis zu 1500 Häftlinge unter menschenunwürdigsten Bedingungen. Zudem wurden in den Lagern Menschenversuche mit Homöopathie, Heilpflanzen und Weleda Produkten durchgeführt. Ebenso im KZ Buchenwald und im KZ Ravensbrück.
Angebaut wurden die Heilpflanzen nach biodynamischen Richtlinien. Die Plantage diente Demeter zusätzlich als Forschungsfeld. Aber auch Weleda und andere homöopathische und phytotherapeutische Firmen profitieren bis heute von diesen Menschenversuchen. Nun verkaufen sie diese als „sanfte Medizin“.
Wie sanft diese wirklich ist, schauen wir uns im Folgenden an.
Zwangsarbeit im Projekt Plantage
Der wirtschaftliche Erfolg beruhte auf der Ausbeutung der KZ-Häftlinge. Die Arbeitskommandos mussten pro Tag zwölf Arbeitsstunden leisten, bereits im ersten Jahr hatte das Kommando 107 Tote. Die Arbeit musste ständig in gebückter oder hockender Haltung verrichtet werden, die Überwachung auf dem freien Felde war scharf. Dabei wurden jüdische Häftlinge von den SS-Wachmännern aus der Umzäunung gejagt, um dann niedergeschossen zu werden. Bis 1940 starben 429 Häftlinge auf der Plantage. Insgesamt wurden von 1939 bis 1945 800 Tote gezählt. Einer Anweisung Heinrich Himmlers zufolge sollten dort vor allem gefangene Geistliche eingesetzt werden.
Quelle: https://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/leben-in-bayern/detailansicht-leben-in-bayern/artikel/default-896706003d.html#topPosition
Folter für Frostschutzsalben
Im KZ selbst wurde an Wileda-Frostschutzsalben geforscht. Hierbei wurden Menschen zuerst schwer unterkühlt und dann gefoltert, um die Wirkung einer Weleda-Salbe gegen Kälteschäden ausprobieren zu können. Die Firma erläutert dazu:
1943 lieferte Weleda einmalig 20 Kilogramm Frostschutzcreme an die Wehrmacht. Die Lieferung ging an die Münchner Privatadresse von Sigmund Rascher, der Stabsarzt bei der Luftwaffe war und für die SS geheime Versuche an Häftlingen im KZ Dachau durchführte.
Quelle: https://www.weleda.at/weleda/ueber-uns/weleda-zwischen-1933-und-1945
Heute noch schützen wir die zarte Kinderhaut vor einer starken Brise mit der angeblich sanften Medizin.
Bakteriencocktails für Häftlinge
Die Dokumente der Forschungsberichte für biochemische Präparate, die hier in homöopathischer Potenz D6 und D12 verwendet wurden, lesen sich furchtbar. Die Menschenversuche waren grausam und tödlich. Herausgekommen sind beliebte, aber wirkungslose Präparate der anthroposophischen Medizin. Aber auch Homöopathen und Schüssler verwenden sie bis heute.
Im KZ wurde den Menschen künstlich ein Bakteriencocktail injiziert, sodass es zu schweren Infektionen kam (Sepsis). Dann wurde sie mit Ferrum Phosphoricum D6 behandelt. Heute werden diese Mittel vorwiegend bei Erkältungskrankheiten von besorgten Müttern und Vätern ihren Schützlingen verabreicht.
Ein Zeitzeuge, der österreichische KZ-Häftling Rudolf Kalmar, wird sich später erinnern: Die Probanden, „Träger schwer eiternder Wunden, wurden mit allen möglichen buntfarbigen Pillen aus irgendeinem homöopathischen Laboratorium abgefüllt“.
Quelle: https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/der-nazi-arzt-aus-burg-956395
Forschung ad exitum
Die Experimente töteten alle Infizierten. Das Mittel erwies sich als völlig wirkungslos.
Als bisheriges Ergebnis ist zunächst festzustellen, dass der ungünstige Verlauf bei kaum einer der schweren Erkrankungen durch die chemischen Mittel aufgehalten werden konnte. Sämtliche Sepsisfälle (Blutvergiftung) kamen ad exitum.
So schrieb Robert Grawitz, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, Reichsarzt SS und Polizei am 23. August 1942 an Himmler: Quelle: https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/der-nazi-arzt-aus-burg-956395
Zwangssterilisationen an „lebensunwürdigen“ Häftlingen
Ziel der Versuchsreihen zur Sterilisation war es, die Arbeitskraft zu erhalten, aber die Vermehrung dieser Menschen nach den Rassengesetzen zu unterbinden. Dazu war eine Massensterilisation unter anderem an Sinti und Roma, Polen, Kommunist*innen geplant, die bis dahin operativ durchgeführt wurde. Das war aber teuer und viele Frauen starben qualvoll an den Verätzungen im Uterus. Also suchten die SS-Mediziner eine effektivere Variante. Eine Möglichkeit sollte die Heilpflanze Caladium Seguinum (Schweigrohr) sein, deren Anbau im KZ Dachau in den zusätzlich gebauten, hochmodernen Gewächshäusern stattfand – nach biodynamischen Richtlinien natürlich. Demnach konnte ihr kosmisches Wirken und die Bodenbearbeitung sich gut in Himmlers Projekt integrieren.
Hier wurde erforscht, welche Pflanzen gut miteinander kommunizieren und wie man den schweren lehmigen Boden aufarbeiten könne. Dass diese Pflanze einem Massengenozid dienen sollte, störte wohl die Anthroposophen weiter nicht.
Angedacht war, dass entsprechende Versuche auch im österreichischen Zigeuner-Anhaltelager Lackenbach durchgeführt werden sollten. Dazu kam es indes nie.
Erkältungsvorsorge mit Echinacea: im KZ erforscht
Echinacea purpurea, so heißt der purpurne Sonnenhut in der Fachbezeichnung. Er ist weithin bekannt als Erkältungsprophylaxe. In Buchenwald wurde er an Häftlingen erforscht, um Verletzungen von Wehrmachtsangehörigen durch Phosphorbomben effektiver behandeln zu können. Hierbei fügte das KZ-Personal den Menschen verschiedene schwerste Wunden zu, an denen sie dieses Präparat und die entzündungshemmende Wirkung erprobten. Das Stationstagebuch von SS-Sturmbannführer Dr. Ding, das Eugen Kogon gerettet hat, hält dazu fest:
19.11.43 – 25.11.43: Phosphor-Kautschuk-Brandbomben-Versuch. Zur Erprobung des Präparates ‘R 17’ bei frischen Phosphor-Verbrennungen und von ‘Echinacinsalbe’ und ‘Echinacin extern’ zur Nachbehandlung von Phosphorbrandwunden, sämtlich von den Dr. Madaus-Werken in Radebeul/Dresden, wurden an den nebenstehend genannten Tagen Verbrennungsversuche mit Phosphormasse, welche aus einer bei Leipzig aufgefundenen englischen Brandbombe entnommen wurde, an 5 Versuchspersonen durchgeführt.
5.1.44: Protokolle an den Reichsarzt SS, mit der Bitte um Weiterleitung an die Dr. Madaus-Werke, übersandt.
aus dem Stationstagebuch von Sturmbannführer Dr. Ding, zitiert nach https://autoimmunbuch.de/sonnenhut-in-buchenwald-alternativmedizinische-forschungsprojekte-und-menschenversuche-im-dritten-reich/
Angebaut wurde der Sonnenhut in Dachau, unter Demeter-Richtlinien. Diese Information, dass Echinacea in Dachau angebaut wurde, stammt direkt aus dem örtlichen Archiv.
Leider ist es nicht leicht, an Informationen zu gelangen. Aber langsam kommt zum Glück mehr und mehr ans Licht. Mehrmals stand ich mit dem Archiv des KZ Dachau in Kontakt, um zu erfahren, welche Pflanzen dort angebaut wurden – und nach welchen Richtlinien. Bedauerlicherweise muss man selber das Archiv besuchen und es durchsuchen, da dieses Themenfeld bislang nicht digitalisiert ist.
Was sagen Weleda und Demeter eigentlich zu diesen Vorwürfen?
Unfreiwillig musste sich die Firma 1998 diesem Thema stellen. Das kam reichlich spät und weitestgehend ohne große öffentliche Beachtung. Die „Aktion Kinder des Holocaust“ forderte Weleda nämlich auf, von einem unabhängigen Historiker die Geschichte von Weleda im Zweiten Weltkrieg erforschen zu lassen und unmissverständlich Stellung zu beziehen.
Die historischen Erläuterungen finden sich auf der Homepage der Firma, die sich im Übrigen schriftlich für die Menschenversuche und das Unrecht entschuldigt hat.
Die Firma Demeter geht die Aufarbeitung der NS-Zeit erst jetzt an.
Dazu wurde ein sozial-historisches Forschungsprojekt beauftragt, das unabhängig und nach wissenschaftlichen Standards die Frage klären soll, welche widerständigen Aktivitäten, welche Form des Opportunismus es aus den Reihen der biodynamischen Bewegung gab und ob es Protagonisten gab, die Überzeugungstäter waren und sich durch ihr Handeln mitschuldig gemacht haben.
Quelle: https://www.demeter.de/sites/default/files/public/pdf/stellungnahme-rudolf-steiner-demeter-biodynamisch.pdf
Beitragsbild: Video-Still aus dem Bericht von BR24, KZ Dachau: Gedenkstätte erschließt Heilkräutergarten am früheren Ort des Grauens | Abendschau | BR24
Zu diesem Absatz reiche ich eine zeitliche Einordnung nach:
„Die Dokumente der Forschungsberichte für biochemische Präparate, die hier in homöopathischer Potenz D6 und D12 verwendet wurden, lesen sich furchtbar. Die Menschenversuche waren grausam und tödlich. Herausgekommen sind beliebte, aber wirkungslose Präparate der anthroposophischen Medizin. Aber auch Homöopathen und Schüssler verwenden sie bis heute.“
Wilhelm Heinrich Schüßler lebte im 19. Jahrhundert. Zu den von ihm ausgewählten Schüßler-Salzen zählte auch damals schon Ferrum phosphoricum. Schüßler war längst tot, als sich die Nazis entschieden, die sog. Biochemie nach Schüßler zu übernehmen.
Schüßler-Salze sind (wegen der geringen Zahl der Mittel und Potenzen) eine stark vereinfachte Form der Homöopathie. Die Homöopathie wiederum ist deutlich älter als die Anthroposophie von Rudolph Steiner, die einiges aus der Homöopathie übernommen hat.
Samuel Hahnemann wurde schon 1755 geboren und entwickelte die Homöopathie zu einer Zeit, in der die Medizin selbst aus dubiosen Behandlungen bestand, z.B. Quecksilber gegen Syphilis. Die für die wissenschaftliche Medizin bedeutenden Ärzte Rudolf Virchow (1821) und Ignaz Semmelweis (1818) wurden über 60 Jahre später geboren als Hahnemann.