[Update 28.10.2022] Der Fall Andrej Jakunin in Norwegen entwickelt sich wie eine Krimiserie. Der Sohn des auch in Österreich aktiven Oligarchen und pro Russland-Netzwerkers Wladimir Jakunin ist in Norwegen nach einem Gerichtsentschluss verhaftet worden. Zwar verwarf das Berufungsgericht diese Entscheidung. Eigentlich hätte der Oligarch also entlassen werden müssen. Das geschah nach Intervention des norwegischen Polizeisicherheitsdienstes (PST) jedoch nicht. Andrej Jakunin ist weiterhin im Gefängnis. Die norwegische Polizei wirft ihm vor, dass er illegal Drohnen hat fliegen lassen und dabei Filmaufnahmen gemacht hat. Eine Recherche von Sebastian Reinfeldt [Update vom 27. Oktober: Entscheidung des Bezirksgerichts wurde in nächster Instanz aufgehoben. 28.10.2022: Jakunin bleibt dennoch in Haft. 12.12.2022: Freispruch für Jakunin]
Weiterlesen: [Update] Wegen Drohnenflügen: Andrej Jakunin in Norwegen verhaftet und freigesprochen
Der Hintergrund der widerstrebenden Gerichtsentscheidungen liest sich skurril: Russen ist es in Norwegen verboten, Drohnen aufsteigen zu lassen. Das hat Andrej Jakunin, der als Geschäftsmann eigentlich in London lebt und der das Radisson Blu-Hotel in Wien-Schönbrunn besessen und entwickelt hat (Semiosis berichtete), aber getan. Zumindest hat die norwegische Polizei auf einer von ihm gemieteten Segeljacht entsprechende Ausrüstung plus Filmmaterial beschlagnahmt. Seit Monaten ist Andrej Jakunin auf See unterwegs. Da er britischer u n d russischer Staatsbürger ist, könnte er sich damit in Norwegen strafbar gemacht haben.
The Barents Observer: Zwei Wochen Gewahrsam in Norwegen
Ein Richter am Bezirksgericht West-Finnmark hat am Dienstag angeordnet, dass der Sohn eines der engsten Verbündeten Wladimir Putins auf Antrag der Polizei für zwei Wochen in Gewahrsam genommen wird. Die Polizei beantragte die Festnahme wegen Umgehungsgefahr, während die Ermittlungen andauern.
https://thebarentsobserver.com/en/security/2022/10/russian-dual-citizenship-detained-flying-drone-svalbard
Dieser Mann, so berichtet das Medium unter Berufung auf die norwegische Polizeisprecherin weiter, habe die russische und die britische Staatsbürgerschaft. Er würde wegen Verstoßes gegen das norwegische Sanktionsgesetz, Paragraf 4, angeklagt, weil er auf Spitzbergen eine Drohne auf norwegischem Hoheitsgebiet geflogen habe.
Der verhaftete Mann ist Andrej Jakunin
In der ersten Version des Beitrags des norwegischen Mediums wurde der Name des Betreffenden noch nicht genannt. Mittlerweile hat aber auch die Firma des Oligarchen-Sohns bestätigt, dass es sich bei dem Verhafteten um den Sohn von Wladimir Jakunin, Andrej Jakunin handelt. Er habe die Drohnen-Ausrüstung mit auf eine gemietete Segeljacht genommen und von dort aus die illegalen Flüge gestartet.
In seinem Gepäck fand die Polizei zwei Drohnen und viele Stunden Aufnahmen von verschiedenen Orten im Land. Russischen Staatsbürgern ist es nicht gestattet, Drohnen im norwegischen Luftraum zu fliegen, einschließlich Spitzbergen und dem 12-Seemeilen-Seegebiet vom Land aus.
https://thebarentsobserver.com/en/security/2022/10/russian-dual-citizenship-detained-flying-drone-svalbard
Genau genommen hatte er diese Drohne in der Nähe von Hammerfest in Nordnorwegen in die Luft gebracht – in der Nähe des Standortes einer Verarbeitungsanlage für verflüssigtes Erdgas (LNG).
Wer ist Andrej Jakunin?
Andrej Jakunin ist von Beruf Sohn und Oligarch. Im Verbund mit seinem Vater, dem mächtigen Putin-Freund und Ex-Eisenbahnchef Wladimir Jakunin, hat er seine ersten Millionen mit einer Hotelkette entlang der russischen Eisenbahnen gemacht. Ein illegales Geschäft, so ergeben unabhängige Recherchen.
Laut den Quellen von The Insider war es jedoch der luxemburgische Fonds von Jakunin Junior, der unter der Führung seines Vaters für die Legalisierung der riesigen Bargeldbeträge verantwortlich war, die von den staatlichen Russischen Eisenbahnen gestohlen wurden.
https://theins.ru/en/corruption/252753
Als Semiosis, ZackZack und taz die cross-border Recherche zum Oligarchen-Hotel in Wien veröffentlicht haben, haben wir Andrej Jakunins Firma um eine Stellungnahme gebeten. Die erste Antwort an uns lautete:
Andrey Yakunin is at sea untill 03SEP
Mail aufgrund unserer Medienanfrage
Der Segelreise hat sich offenbar bis Oktober und nach Norwegen hin verlängert. Und von Drohnenflügen war damals auch keine Rede.
Mittlerweile wurde Andrej Jakunins Name aus dem Internetauftritt eben jenes luxemburgischen Fonds, der Firma VIYM, entfernt.
[Update] 27. Oktober 2022: Das Ersturteil ist aufgehoben
In einer Berufsverhandlung wurde der Gerichtsbeschluss aufgehoben, so berichtet der norwegische Rundfunk. Das Hauptargument des Berufungsgerichts Hålogaland: Drohnen seien von den Sanktionen nicht betroffen. Daher sei das Fliegenlassen nicht illegal gewesen. Mit zwei zu eins Stimmen lautet das Verdikt der Richter laut norwegischem Rundfunk:
Mit einer solchen Qualifikation, welche Flugzeuge erfasst sind, fallen die entsprechenden Drohnen, die der Angeklagte in diesem Fall verwendet hat, eindeutig a u s dem Verbot der Sanktionsvorschriften.
Dem Urteil, so berichtet der norwegische Rundfunk weiter, ging eine öffentliche Debatte über Sinn und Unsinn der Entscheidung des Erstgerichts voraus. Andrej Jakunin engagierte ein hochkarätiges Team von Anwälten. Auch Jura-Professoren rückten öffentlich aus, um die ursprüngliche Gerichtsentscheidung zu kritisieren.
[Update] 28. Oktober 2022: Andrej Jakunin bleibt in Haft
In einem anderen, ähnlich gelagerten Fall eines inhaftierten Russen muss sich nun der Oberste Gerichtshof Norwegens mit der Angelegenheit befassen. Da das Oberste Gericht auch im Fall von Jakunin verhandelt, bleibt er bis zu dessen Entscheidung in Haft.
Jakunin gibt an, mit den Drohnen Naturaufnahmen gemacht zu und die besten Routen für Bergbesteigungen in Spitzbergen gesucht zu haben. Das berichtet der Barents Observer.
Auf Spitzbergen befinden sich zivile Satellitenanlagen. Nach dem Spitzbergenvertrag ist das Gebiet entmilitarisierte Zone. Die norwegische Polizei indes betont:
Der Inhalt [Aufzeichnungen] der Drohne ist für den Fall von großer Bedeutung.
Quelle: https://thebarentsobserver.com/en/security/2022/10/andrey-yakunin-shares-his-svalbard-adventure-ahead-arrest
[Update] Jakunin wurde freigesprochen
Am 8. Dezember 2022 wurde bekannt, dass das Bezirksgericht Andrej Jakunin freigesprochen hat. Es schenkte der Darstellung des Oligarchen Glauben, wonach er lediglich eine Hobbydrohne habe fliegen lassen. Das verstoße nicht gegen die Sanktionen. Das Bezirksgericht Nord-Troms und Senja meinte, zwar untersage ein norwegisches Gesetz russischen Staatsbürgern den Betrieb von Fluggeräten auf norwegischem Hoheitsgebiet. Für den Flug einer Hobbydrohne gelte das aber nicht.
Die Staatsanwaltschaft kündigte Revision gegen die Entscheidung an.
Zum Weiterlesen:
Das Oligarchen-Hotel in Wien (Semiosis, 13. August 2022)
Titelbild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Verbotsschild_Drohnenflug.jpg