Nun bricht sie an, die Zeit des Schulterklopfens und des Eigenlobs. 2022 bekommt mit Anton Zeilinger ein Österreicher einen naturwissenschaftlichen Nobelpreis verliehen. Für Physik. Neben die Freude mischt sich in der wissenschaftlichen Community auch Bitterkeit. Weil die österreichische Forschungslandschaft eben nicht so aussieht, wie sie es sollte. Auch die populistische Kritik von politisch Verantwortlichen in der Pandemie an Virolog*innen, die angeblich eine Freude am Einsperren gehabt hätten, klingt dabei nach. So auch in unserem Gastkommentar des Wissenschaftlers Raphael J.F. Berger.
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Gemischte Gefühle in der Wissenschaftscommunity
Heute gibt es in Österreich guten Grund für Freude, für ausgelassene Feierlichkeiten und sogar für ein bisschen Stolz. Denn es wurde bekannt, dass ein Sohn der Nation mit dem weltweit renommiertesten Preis für Wissenschaftler*innen ausgezeichnet werden soll: dem Nobelpreis.
Der aus Ried im Innkreis stammende Quantenpyhsiker Anton Zeilinger hat den Nobelpreis für Physik des Jahres 2022 zusammen mit seinen Kollegen, dem Franzosen Alain Aspect und dem US-Amerikaner John F. Clauser gewonnen.
Alle Forschenden in Österreich, egal aus welchen Ländern sie stammen, werden diese Gefühle mehr oder weniger teilen können. Nicht vielen wird jedoch weniger zum Feiern zumute sein, wenn sie an die Aussichten auf die Förderung ihrer eigenen Forschung in der Heimat großer Söhne und Töchter denken: Denn um die Forschungsförderung in der Alpennation ist es denkbar schlecht bestellt. Wir alle leiden – zum Teil mehr und zum Teil weniger – unter chronischer Unterfinanzierung, sodass regelmäßig sogar als exzellent begutachtete Forschungsprojektideen aus finanziellen Gründen abgelehnt – und somit nicht realisiert – werden.
Nicht alles richtig gemacht
Allen Schulterklopfenden und Eigenlobenden in den politischen Rängen, die dieser Tage die Kür Anton Zeilingers zum Nobelpreisträger zum Anlass nehmen und das leicht berechenbare Lied des „Alles wieder einmal richtig gemacht Habens“ anschlagen werden, sei einmal eine eingehende Beschäftigung mit Zeilingers Äußerungen zum Stand der Grundlagenforschung und ihrer Förderung in Österreich nahegelegt. Ein Beispiel:
Zeilinger: Wir müssten mehr Geld für Grundlagenforschung auf den Tisch legen
Für die Grundlagenforschung müsste man mehr Geld auf den Tisch legen, da sind wir eindeutig unterfinanziert. Das wird von manchen als Spielerei der Forscher abgetan, ist aber tatsächlich die Basis für die Hochtechnologie. Dabei würde ich mehr Risikofinanzierung für Grundlagenforschung zur Verfügung stellen, womit Dinge finanziert werden, die noch nicht so etabliert sind.
https://news.univie.ac.at/uniview/wissenschaft-gesellschaft/detailansicht/artikel/quantenphysiker-anton-zeilinger-wird-70/
Kritik ist notwendig
Man wird nicht umhin können, zuzugeben, dass dieser Nobelpreis nicht wegen, sondern höchstens mit, wahrscheinlich aber eher trotz der österreichischen Haltung zu Wissenschaft und interessengeleiteten Grundlagenforschung gewonnen wurde!
Allein in dieser deutlichen Kritik liegt die größte Hoffnung des Tages für Wissenschaft und Forschung und mit ihr für das Bestehen Österreichs als international anerkannter Kultur- und Wissenschaftsnation begründet.
Priv.-Doz. Dr. Raphael J. F. Berger / Salzburg