Diese Woche kündigte Gesundheitsminister Johannes Rauch an, er möchte gerne einen Essay über Twitter schreiben. Irgendwann. Denn er ist nicht zufrieden, wie all diejenigen Diskussionen im Kurznachrichtendienst ausgehen, an denen er beteiligt ist.
Wir haben daraufhin Twitter-User*innen, die das Wirken des Ministers kritisch beleuchten, um eigene Texte gebeten: Twitter-Essays über den Minister sozusagen. Den ersten Essay, Wie unter Rauch die Schwurbler gewannen, reichte Twitter-Userin Anne ein. Über unseren Postkasten erreichte uns nun ein weiterer Text. Eingereicht von einem Pseudonym names Bridges. Wir kennen den echten Namen. Bridges entwirft eine satirische Verschwörungstheorie, der zufolge das Quarantäneaus nur ein böser Scherz gewesen sei.
Auch für diesen Essay stammt das Titelbild von unserem Kollegen Christoph Weißenbäck. Er hat uns dieses Foto, das er auf der Rauch-Pressekonferenz geschossen hat, für die Twitter-Essays geschenkt. Danke!
Eine Verteidigung von Rauch
Auf Twitter schmäht man derzeit gerne unseren Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch. Der Tenor ist eindeutig: Das Ende für die Isolation nach einem positiven COVID19 Test – das sogenannte „Quarantäneaus“ – folgt keinen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es ist eine rein politische Maßnahme, die sich die Wirtschaft wünscht.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO etwa empfiehlt in der aktuellen BA5 Sommerwelle sogar die Verschärfung der Maßnahmen.
Nun möchte ich ein hypothetisches Gedankenexperiment (eine Verschwörungstheorie, wenn wir es so nennen wollen), zimmern, um den amtierenden Bundesminister Johannes Rauch zu verteidigen.
Seit längerem lastet der Druck auf dem Minister: die Wirtschaftsvertreter und die ÖVP Bundesländer wünschen sich endlich das Ende der Pandemie. Ob die Pandemie tatsächlich vorbei ist, oder nicht, ist wurscht. Die Leute sollen endlich wieder in die Arbeit gehen und endlich eine Ruhe geben.
Am Ende des Tages trägt er die Verantwortung
LongCOVID gibt es nicht, oder ist nicht so schlimm. Die ganzen penetranten Simulanten sollen einmal was hackeln. Johannes Rauch formulierte als sein Amtsziel bei Antritt, er wollte die polare Situation in der österreichischen Meinungslandschaft auflösen, die Leute zusammenführen. Er wollte einen neuen Stil in der Kommunikation mit den Bundesländern pflegen. Koalitionsräson sollte hinten anstehen, wichtig sei es, die korrekten Maßnahmen zu treffen, auch wenn diese unpopulär sind.
Jetzt funktioniert das mit der ÖVP als Koalitionspartnerin allerdings so nicht. Von dem neuen Stil ist öffentlich nichts geblieben und er dürfte jetzt endgültig begraben sein. In den aktuellen Interviews gibt sich Rauch kompromisslos, arrogant „wir sind top vorbereitet“ und „am Ende des Tages trage ich die Verantwortung dafür“.
Handelsverband: Die Krankenstände zahlen? Lieber doch nicht
Die Regierung lässt die Bevölkerung in der Pandemie alleine.
Hacker auf Puls24
Nach kurzer Zeit zeichnet sich indes ab: Das „Quarantäneaus“ ist ein Trojanisches Pferd für die Wirtschaft. Denn COVID19 Krankenstände müssen von den Arbeitgeberinnen künftig bezahlt werden (und das sind nicht wenige). Der Handelsverband ist unglücklich und fordert die Bundesregierung daher auf, anzupassen.
Auf die Arbeitgeber*innen kommt ein arbeitsrechtlicher Supergau zu. Sie müssen schließlich die permanente Einhaltung der Maskenpflicht für COVID19 Positive am Arbeitsplatz kontrollieren. Auch sind die meisten Arbeitsplätze in der Republik schlicht nicht vorbereitet auf eigene COVID Teams – außer sie machen bald hundert Prozent der Belegschaft aus. Dann nennen sie es vielleicht Dauer-LongCOVID Team.
Stecken Rauch und Hacker unter einer Decke?
Hier kommt meine Verschwörungstheorie ins Spiel. Das „Quarantäneaus“ ist ein Befreiungsschlag des Ministers. Zusammen ersonnen mit Peter Hacker und einigen anderen Verschwörer*innen. Eine Falle für die dominante ÖVP und die Wirtschaftsvertreterinnen – die bis zum letzten Augenblick dachten sie, sie hätten sich vollkommen durchgesetzt. Wegen der massiven Mängel an der Verordnung wird die Bundesregierung die Reißleine ziehen müssen.
Am 31. Juli sagt sie dann:
April, April, es war alles nur ein Scherz. Hahaha wer glaubt auch so einen Mist? Wer ist so blöd und schafft in einer Pandemie, während einer Sommerwelle mit einer massiven Dunkelziffer an Infektionen, die Isolation für Infizierte und Ansteckende ab?
Statt Quarantäneaus kommen wirksame Schutzmaßnahmen
Das „Quarantäneaus“ ist damit dann erstmal begraben. Dank der neu entstandenen Dynamik in den Medien, die sich LongCOVID und die Notlage in den österreichischen Spitälern plötzlich ganz genau anschauen, ist die Bevölkerung über die Gefahren, die von der Pandemie ausgehen ganz neu informiert. Maskenpflicht und Isolation erfreuen sich in der Folge massivem Zuspruch, und die Sommerwelle läuft nicht bis zum natürlichen Peak, sondern kann vorher gebrochen werden.
Währenddessen wird ein bis dato geheim gehaltenes Programm des Ministers ausgerollt: In sämtlichen österreichischen Schulen wurde in den letzten zwei Jahren im Stillen umfangreiche Vorbereitungen für Lüftungsanlagen getroffen, die diesen Herbst endlich in Betrieb gehen können. Jedes Klassenzimmer wird ausgestattet sein mit CO2 Messgeräten und die Schüler*innen können in einer sicheren Atmosphäre ins neue Schuljahr starten. Rauch verlässt den Posten schließlich als der Mann, der die Kehrtwende in der Pandemie geschafft hat.
Rauchs Abgang mit Stinkefinger
Das Amt verlässt er mit einem Foto auf Twitter, Champagner trinkend aus dem großen Saal des Ministeriums, Mittelfinger zeigend. What a KING!
Das ist alles nur eine Verschwörungstheorie, die ich mir ausgedacht habe. In der Realität ist Politik natürlich kompliziert. Tatsächlich ist eine Verordnung, die, ohne breite Beteiligung in Ministeriumskämmerchen verfasst wird, die der Minister dann ohne Begutachtung der Länder unterschreibt, wo er dann eventuell nicht einmal selbst wirklich weiß, was drinnen steht – so eine Verordnung ist halt einfach schnell Mist und solche Dinge passieren.
Es gibt keinen Masterplan, es gibt auch keine geheime Allianz. Das alles ist ein chaotisches Becken mit vielen Einflüssen, wo niemand genau weiß, was der oder die andere wirklich macht.
1 Gedanke zu „Twitter-Essay: Am 31. Juli sagt Rauch: „April, April, es war alles nur ein Scherz – Sorry!”“