Ende der Maskenpflicht: auf der Suche nach der Evidenz

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By Sebastian Reinfeldt

Nun fällt die Maskenpflicht ab 1. Juni 2022; ebenso die Tests an den Schulen. In der offiziellen Sprachregelung wird die Maskenpflicht zwar nur pausiert. Aber diese wirkungsvolle und preiswerte Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie irgendwann wieder einzuführen, wird im Herbst 2022 schwerfallen.

Gibt es für das Ende des Maskentragens im öffentlichen Verkehr und im Handel eigentlich wissenschaftliche Evidenz, also gesicherte gute Gründe, wie Ergebnisse neuerer Studien? Haben wir gerade Inzidenzen unter 50, was mal der Goldstandard war?

Nope. Die Inzidenz liegt aktuell laut AGES-Dashboard bei 218. Das Ende der Maske bleibt eine rein politische Entscheidung. Das sagen die Verantwortlichen allerdings nicht. Eine Recherche in der wundersamen Welt vorgeschobener Begründungen.


Aufgehoben aufgrund von Evidenz?

Ausnahmsweise kritisiert die FPÖ die schwarz-grüne Regierung in Österreich nicht. Sondern sie lobt sie, denn diese folge der Linie der rechtspopulistischen Partei bei Masken- und Impfpflicht. In einer Mail an seine Unterstützer*innen schreibt das Bürgerbüro Team Kickl:

Heute wurde zumindest aufgrund des massiven Widerstands der FPÖ die Maskenpflicht weitgehend abgeschafft und die Impfpflicht ein weiteres Mal ‚ausgesetzt‘ auf 3 Monate. Wie gesagt, das Match geht weiter.

Mail Team Kickl an Unterstützer*innen

Dem widersprach die Behindertensprecherin der Grünen, Heike Grebien, in einem anderen Mail heftig. Sie meint nämlich:

Auszug Mail Grebien

Die Evidenz der Gecko

Eine ähnliche Situation hatten wir schon einmal: Die Politik beruft sich auf die Wissenschaft (damals negativ), um ihre Entscheidungen zu rechtfertigen. Im Winter 2021 hatten deshalb fast alle Pandemie-Wissenschaftler*innen Österreichs eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet und sich darüber beschwert, dass sie nicht zur Legitimation politischer Entscheidungen missbraucht werden wollen. Der damalige Anlass war der Sager des Salzburger Landeshauptmanns Haslauer,

dass es Virologen am liebsten wäre, jeden Österreicher in ein Zimmer zu sperren

https://www.tt.com/artikel/18454451/experten-appell-fuer-konsequente-corona-massnahmen

Nun plädierte die Chefin der regierungsnahen Gecko-Kommission, Katharina Reich, noch vor zwei Wochen für das Beibehalten der Maskenpflicht im Sommer dieses Jahres. Ihr Argument: Masken schützen effektiv. Und:

Auch weil wir nicht auf Risikopersonen vergessen dürfen – und das sind gar nicht wenige, die diese Orte aufsuchen müssen.

https://www.tt.com/artikel/18454451/experten-appell-fuer-konsequente-corona-massnahmen

Die Evidenz des Gesundheitsministers: Das ist nicht mehr zu argumentieren

Nun hat sich die Politik gegen diesen ausdrücklichen Rat der obersten Wissenschaftlerin und des Gremiums entschieden. Wie begründet der Gesundheitsminister seine kommende Verordnung? Auf Twitter meint er, wir müssten lernen, mit Corona zu leben. Eine wissenschaftliche Begründung ist dies jedenfalls nicht.

Auf der Pressekonferenz führt er dazu wörtlich aus:

Bei den aktuell niedrigen Infektionszahlen sind gesetzliche Verpflichtungen in beiden Bereichen derzeit nicht zu argumentieren.

Wissenschaftliche Evidenz für seine Entscheidung führt er keine an. Denn es gibt keine. Oder wie es Professor Andreas Bergthaler auf Twitter deutlich ausdrückt: Nope, die Gecko habe dazu nicht geraten.

Die Evidenz der Abgeordneten: Der Gesundheitsminister hat gesagt

Die wissenschaftliche Evidenz geht nämlich in eine ganz andere Richtung. Michael Wagner, Mitglied des Expert*innengremiums der Stadt Wien, führt aus, dass der Schutz durch Masken umso wirksamer sei, je mehr Personen sie in einem Raum tragen.

In einem weiteren Statement beklagt er, dass die Gesellschaft mit dieser Entscheidung ihre Solidarität mit den Vulnerablen aufgekündigt habe.

Wo ist sie also, die Evidenz, die die Abschaffung der Maskenpflicht begründet?

Auf Semiosis-Nachfrage erläutert sie der Pressesprecher des grünen Parlamentsklubs wie folgt:

Frau Grebien bezog sich in ihrer Aussage auf die Pressekonferenz des Herrn Gesundheitsministers, in der die Pausierung der Maskenpflicht im lebensnotwendigen Handel und in den öffentlichen Verkehrsmitteln (sowie dem Aussetzen der Impfpflicht – wie von der dafür zuständigen Kommission empfohlen) begründet wurde.

Mail-Antwort aufgrund der Semiosis-Nachfrage

Zum Thema: Das Politikversagen in der Pandemie – im Überblick

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