Die Präsidentenfrage

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By Sebastian Reinfeldt

Gemunkelt wurde es in den politisch gut informierten Kreisen seit langem. Nun ist es fix: Alexander van der Bellen tritt zur Bundespräsidentenwahl in Österreich an. Er wird offen von seiner Ex-Partei den Grünen, sowie von SPÖ und den NEOS unterstützt. Diese „Präsidentenkoalition“ (in Deutschland würde man Ampel sagen, weil dir dortigen NEOS eine gelbe Parteifarbe tragen) wäre nach derzeitigem Stand die einzige Konstellation, um die unter Korruptionsverdacht stehende ÖVP von der politischen Regierungsmacht zu entfernen.

Doch fehlt dieser Konstellation die Inspiration, die politische Kreativität und ein (gemeinsamer) Gestaltungswille. Stattdessen will Sascha das Amt in ruhigen Zeiten bei Tee und Keksen verwalten. Ebenso möchte Werner Kogler mit der ÖVP weiter durchregieren, Pamela Rendi-Wagner bis zum regulären Wahltermin durchtauchen und die NEOS ihre kleine bürgerliche Rebellion gegen die-da-oben fortsetzen. Ein Land im Stillstand also.

Was eine gefährliche Situation sein kann. Aber auch eine Chance bietet.


Bundespräsident in Österreich ist kein Grüßonkel

Dass ausgerechnet im Land des Rechtspositivisten Hans Kelsen das Amt des Bundespräsidenten mit effektiver Macht ausgestattet wurde, mag als Augenzwinkern der Rechtsgeschichte erscheinen. In Wahrheit ist uns in den vergangenen Jahren klar geworden, welche zentrale Rolle der Präsident bzw. eine Präsidentin ausübt. 125 Angelobungen von Minister*innnen, Ibiza, erfolgreicher Misstrauensantrag gegen die erste Kurz-Regierung, Expertenregierung, Corona und nun Krieg in naher Nachbarschaft standen auf der To-do-Liste im Leopoldinischen Trakt der Hofburg. Der Bundespräsident ist nicht nur oberster Kommandeur des Heeres mit weitreichenden Befugnissen. So kann er auch das Heer zur Durchsetzung von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs einsetzen. Ebenso lenkt er in Krisenzeiten die Staatsgeschäfte im Hintergrund – das alles ist von der Verfassung in ihrer Schönheit gedeckt.

Im Vorfeld: Zwei Reichshälften im Widerstreit

Die Wahl van der Bellens im Jahr 2016 war eine der großen politischen Auseinandersetzungen der Republik. „Arschknapp“ siegte er nach insgesamt drei Wahlgängen gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer. Dies gelang dem späteren Präsidenten deshalb, weil die Zivilgesellschaft für ihn rannte und tat und weil das Establishment ihn wollte. Im Nachhinein betrachtet zeugt beides von hoher politischer Reife – gegen den türkis-blauen Trend von damals.

Aber: Dieser elend lange Wahlkampf hat die Nähe vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen zu den Grünen und wiederum zum Establishment offenbart. Denn nach deren Rauswurf aus dem Parlament 2017 waren es 2019 wiederum die Engagierten, die die Grünen ins Parlament und letztlich in die Regierungsmacht befördert haben. Die Nähe der Zivilgesellschaft zur politischen Macht ist eine geübte Praxis im Land. Ob sie eine gute Praxis ist, sei dahingestellt. Problematisch ist sie nämlich dann, wenn wir Korruption nicht nur als bedauerliche Fehltritte Einzelner thematisieren, sondern als ein strukturelles Alltagsphänomen. Auch eine Organisation, die auf Staatsaufträge oder Subventionen hofft, kommuniziert dann politisch vorsichtiger und in der Regel nicht öffentlich.

Ob es für Global 2000 oder Greenpeace auf längere Sicht nützlich ist, wenn sie als Vorfeldorganisation der Grünen angesehen werden, würde ich bezweifeln. Die personellen Überschneidungen zwischen diesen Organisationen, einigen PR-Agenturen und der grünen Partei sind allerdings bemerkenswert.

Bedeutungsverlust der SPÖ

Die Stärke der Zivilgesellschaft korrespondiert mit dem Bedeutungsverlust der SPÖ. Stellte sie vor 2016 den im Volk beliebten Russland-Freund Heinz Fischer in höchster Funktion und mit Werner Fayman und Christian Kern die Bundeskanzler, so verlor sie 2016 und 2017 politische Macht und Einfluss. Sie blieb auf ihre Vorfeldorganisationen und traditionellen Einflusssphären wie die Arbeiterkammer zurückgeworfen. Indes nutzte die Partei diese Zeit bisher nicht zu einer politischen Neuausrichtung und Schärfung. Selten hat es in der Republik eine so konturlose Sozialdemokratie gegeben, deren einziger Plan zu sein scheint, von der korruptionsbedingten Schwäche der ÖVP einzig durch politische Blässe zu profitieren.

Diesmal nicht van der Bellen

Auf Twitter zumindest liest man Stimmen früherer Unterstützer*innen van der Bellens, die sagen: „Diesmal nicht mehr.“ Rudi Fussi etwa trauert Irmgard Griss hinterher, womit er keineswegs alleine steht:

Claudia Janecek merkt wie viele Engagierte an, dass van der Bellen ihre Stimme verspielt habe.

Wo sind die Alternativen?

Die genannten haben derzeit keine Wahl-Alternative. Somit scheint der erwartbare Wahlgang für van der Bellen ein typisch österreichisch-alternativloses Prozedere zu werden. Über 60 Prozent Zustimmung, aber die Faust in der Tasche bleibt geballt. Womit wiederum die FPÖ ins Spiel käme, die van der Bellen bereits als „Systemkandidat“ gelabelt hat. Er steht für ein System, dem die FPÖ aber durchaus angehört. Dass die Medien es der ehemaligen Regierungs- und Vizekanzlerpartei FPÖ bis heute durchgehen lassen, sich als Systemgegner darzustellen und so die Unzufriedenen aufzusammeln, gehört zu den Merkwürdigkeiten des politischen Systems in Österreich: Es ist lernresistent.

Nicht wenige haben daher den Arzt und Frontmann der Bierpartei, Marco Pogo, zur Kandidatur aufgefordert. Würde der sich das antun wollen, könnte er eine Sammelbewegung der unzufriedenen Nicht-FPÖler bilden. Ich würde das begrüßen und wäre gespannt, wie viele sich da einfinden werden.

Mein Tipp: 15 Prozent und mehr sind drin.


Zum Nachlesen: Präsidentenrückblick

Titelbild: Videostill aus dem Wahlkampfvideo van der Bellens.

2 Gedanken zu „Die Präsidentenfrage“

  1. leider haben wir die blöde 29-iger Verfassung – maßgeblich deswegen beschäftigt uns alle 6 Jahre der Schönheitswerb, die wahlstrategische Spekulation im Vorfeld und die Geldverschwendung wegen dem Wahlprozedere inklusive der neuerdings Anfechtungsstrategien
    es is zum pläääärn !

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  2. leider haben wir die blöde, weil autoritäre 29-iger Verfassung – maßgeblich deswegen beschäftigt uns alle 6 Jahre der Schönheitswerb, die wahlstrategische Spekulation im Vorfeld und die Geldverschwendung wegen dem Wahlprozedere inklusive der neuerdings Anfechtungsschauspiel zum ökonomischen Wohle der Medienmacherinnen.
    es is zum pläääärn !

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