Mag sein, dass wir uns unter Klimapolitik etwas ganz anderes vorgestellt haben. Dass Energie verbrauchen deutlich teurer wird, weil jeder Energieverbrauch direkt oder indirekt Emissionen nach sich zieht. Stattdessen würden wir bei anderen Dingen entlastet. Das Mittel der Wahl in unseren Gesellschaften, um derlei zu tun, sind Steuern. Nun werden diese in Österreich reformiert. Mit dem Ergebnis, dass alles so bleibt, wie es ist. In Sachen Energieverbrauch genauso wie dabei, Ungleichheit festzuschreiben. Warum das alles? Die ÖVP verteidigt mit Zehen und Klauen ihre ideologisch aufgeladenen Lebensentwürfe: Mama, Papa, zwei Kinder im Haus am Land oder in den Speckgürteln. Doch diese beiden Kinder, die gegen die Statistik als normaler Familienstandard ausgegeben wird, werden die Party ihrer Eltern zahlen müssen. Genauso wie alle diejenigen, die in diesen Lebensentwurf nicht passen (können oder wollen). Sie haben zudem mit dem gestrigen Tag die Grünen als ihre Interessenvertretung verloren.
Bleibt, wie ihr seid
Wir müssen keine ausgewiesenen Klimaexpert*innen sein, um zu wissen, dass das so nicht ausreichen kann. Einen Klimaschutz, bei dem wir rein gar nichts ändern müssen, kann es nicht geben. Der SUV zum Einpendeln bleibt, der Traktor bleibt, keine Öffis am Land bleiben (obwohl es sie mal gegeben hat), die Ölheizung bleibt, die arme Alleinerziehende bleibt – alles bleibt, wie es ist. Sie nennen es nur öko- und sozial- mit Bindestrichen. Vom Grundansatz der Steuerreform bis hin zum Wording in den Pressestatements ist dies ÖVP-Politik in Reinkultur. Es sind ihre Keywords, es ist deren Klientel und es sind ihre ideologisch aufgeladenen Lebensentwürfe, die dabei gut abschneiden. Sie kommen, noch mal, davon. Ihnen sagt die Regierung: Bleibt, wie ihr seid. Wir halten unsere schützende Hand über euch.
Klimaschonender Lebensstil wird nicht belohnt
Ob Regierungshandeln begrifflich mit Belohnen und Bestrafen zureichend gefasst ist, sei mal dahingestellt. Aber: Eine Regierung kann nicht allen etwas geben. Das hat mit endlichen Ressourcen zu tun, die sie verwaltet. Das, was sie einigen Gruppen gibt, nimmt sie den anderen weg. Die völlig konstruierte Standardfamilie am Land, die in den Rechenbeispielen der ÖVP auftaucht, steigt Klima-seitig mit 500 Euro plus aus. Dazu kommen die Segnungen der Steuerreform. Eine Alleinerziehende, die, im Vergleich dazu, am Stadtrand klimaschonend lebt, nämlich täglich Öffis benutzt, sich halbwegs vegetarisch ernährt (wegen CO2-Ausstoß bei der Fleischproduktion und weil’s für sie und die Kids billiger kommt) und eh nicht so viel Geld monatlich zur Verfügung hat, um zwei Flugreisen jährlich zu finanzieren, wird bei der Steuerreform nicht belohnt. Im Gegenteil: Was sie für die Heizung in der Mietwohnung mehr zahlt, bekommt sie in etwa mit dem Klimabonus zurück. Was sie vergleichsweise mehr für die Miete in der Stadt zahlt, nicht. Denn ob die Steuersenkungen und der Familienbonus sie meinen, hängt entscheidend von ihrem Verdienst ab. Je höher der ist, umso höher fallen die Gutschriften und Entlastungen aus.
180 Euro Schaden pro Tonne CO2
So wie diese Steuerreform nur ans ÖVP-Klientel gerichtet ist, so wenig hat sie mit der Klima-Realität zu tun. Warum sind die 30 Euro pro Tonne CO2 zu niedrig? Weil, so die Berechnungen des deutschen Umweltbundesamtes, jede Tonne CO2 einen Schaden von 180 Euro verursacht. Dabei geht es um materiell messbare Schäden, nämlich Produktionsausfälle, Ernteverluste oder Schäden an Gebäuden und Infrastruktur, da die Klimakrise ja real und wirksam ist. Für diese Kosten kommen dann alle Steuerzahlenden auf. Die Grundidee einer breitflächigen Klimapolitik sollte aber sein, dass die Verursachenden für ihre Schäden aufkommen. Wie im wirklichen Leben also.
Mit den angekündigten 30 Euro sind wir viel zu weit von dieser Kostenwahrheit entfernt. Für die nächsten Jahre (bis zum Wahltermin nämlich) heißt es: Lehn dich zurück, du musst nix tun. Das vermittelt die Politik gerade.
Wer bezahlt die Rechnung?
Diese Steuerreform finanziere sich selbst, verkündet die Regierung freudestrahlend. Das rasante Wachstum, das nach der Corona-Krise eingesetzt hat, finanziere sie. Was bedeutet Wachstum in Sachen Klima? Es wird noch mehr CO2 produziert und freigesetzt, was für die nächsten Jahre ja noch richtig billig sein wird. Genial! Teuer werden sie dann irgendwann später. Das bedeutet aber auch: Die gute Laune von heute wird die Generation Greta bezahlen müssen. Sie werden nicht nur für die Schäden aufkommen, die wir mit unserer CO2-Party heute verursachen. Ausgerechnet sie müssen irgendwann die höheren CO2-Kosten tragen, dann nämlich, wenn wir der Kostenwahrheit nahekommen. Was unumgänglich ist.
Das Argument mit der FPÖ
Die Grünen sind für eine grundlegende Änderung in der Klimapolitik gewählt worden. In Österreich, in Deutschland. Für nichts anderes. (Dass das mit der sauberen Politik nichts wird, ahnten wir in Wien schon. Wir wussten von Chorherr.) Wäre die ÖVP mit der FPÖ zusammen, dann hätte es auch das nicht gegeben, verteidigen sich die Grünen. Stimmt ja, der Rest der Steuerreform war in Grundzügen bereits von türkis-blau akkordiert worden. Doch dann kam Ibiza. Aber spielen wir das Szenario weiter durch: Es gäbe weiterhin gar keine Klimapolitik wie von 2017 bis 2019. Stattdessen hätten wir eine breite Protestwelle im Land. Internationaler Druck vonseiten der EU. Strafzahlungen. Angedrohte EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. Am Ende müssten sie doch etwas tun. Ohne Klimapolitik geht’s halt nicht. Sagen wir: 30 Euro pro Tonne CO2 und eine Entschädigung…
Eine Generation ohne politische Vertretung
Politisch hat das natürlich alles fatale Konsequenzen, die die Grünen on the long run spüren werden. Zum einen bricht ihnen eine ganze Generation weg, die a) aktivistisch drauf ist und b) die CO2- Party von heute zahlen muss. Zudem wenden sich all jene enttäuscht ab, deren Lebensrealitäten gar nicht ins Regierungsbild passen, die die Grünen aber mit Hoffnungen gewählt haben. Von den statistisch erfassten 2,4 Millionen Familien in Österreich hatten 2019 nur rund 700.000 Familien zwei oder mehr Kinder. Eine Million Familien sind kinderlos. Insgesamt gab es 2019 bereits 370.000 Ein-Eltern-Familien. Alles auf der Webseite der Statistik Austria nachlesbar.
Wer wird diese Leute in der Politik vertreten? Geben sie sich weiterhin mit ideologischen Politiküberschriften zufrieden?