Ich habe bisher nie gedacht, dass ich eines Tages wieder mit dem Problem einer gleichgeschalteten Presselandschaft aufwachen würde

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By Sebastian Reinfeldt

Das Antikorruptionsbegehren läuft an. In ihm fordert ein überparteiliches Personenkomitee, dass die typisch österreichische Korruption in Staat, Justiz und Medien endlich aufhört. Dies wiederum unterstützen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Eine von ihnen ist die Autorin Julya Rabinowich. Über ihre Motive, sich so vehement gegen Korruption zu stellen, hat sie Sebastian Reinfeldt Auskunft gegeben. Im Anhang dokumentieren wir Auszüge aus dem Begehrenstext. Da das Aufdecken von Korruption die treibende Kraft und Motivation für unseren Blog ist, finden auch wir, dass das Volksbegehren eure Unterschrift nötig hat.


Warum ist ein Antikorruptionsvolksbegehren notwendig?

Weil Österreich nicht Orbanistan werden darf. Weil Ungleichheit mit Korruption zementiert wird. Weil ein Schritt dem anderen folgt, und die Schritte gehen in keine gute Richtung.

Bezieht sich dieses Volksbegehren aus deiner Sicht in erster Linie auf die türkise ÖVP?

Sagen wir so: Mit der türkisen Machtergreifung hat das ganz neue Dimensionen erreicht. Kombiniert mit der Handhabung der Presselandschaft weckt die derzeitige Lage doch sehr unangenehme Gefühle, eben jene, die auch Orban erweckt

Was ist eigentlich problematisch an Korruption?

Korruption ist die Verdichtung der Intransparenz und der Ungleichheit. Wozu wählen, wenn ich einen Staat auch gleich kaufen kann?

Kannst du für die von dir kritisierte Handhabung der Presselandschaft ein Beispiel geben?

Die Schere im Kopf der Journalist*innen ist nicht nur eine internalisierte. Das kann ja wohl nicht sein, dass man befürchten muss, für seine Meinung und seine Berichterstattung unter Druck zu kommen. Allein die Presseförderung und ihre Verteilung spricht Bände.

Ich habe bisher nie gedacht, dass ich eines Tages wieder mit dem Problem einer gleichgeschalteten Presselandschaft aufwachen würde, die ich aus Russland kenne. Noch ist es nicht ganz soweit, aber ich schreie lieber schon jetzt.

Welche konkreten Forderungen aus dem Volksbegehren sind dir besonders wichtig?

Schwer zu sagen, eigentlich alle.

Am meisten noch Anstand in der Politik und die Unabhängigkeit von Medien und Justiz. Weil ich Unfreiheit kenne. Weil ich sie nie wieder erleben will. Dazu werde ich nie schweigen. Das bin ich meinen Eltern und Österreich schuldig.

Welche Unfreiheit meinst du?

Die Zeitungslandschaft in der UdSSR war, nun, sehr begrenzt. PRAWDA muss ich hoffentlich niemanden erklären. Es gibt keine funktionierende Justiz in einer Diktatur. Es gibt keine Freiheit des Wortes. Es gibt nichts, das unabhängig wäre in einer Diktatur.

Wie siehst du die Rolle der Grünen bei dieser derzeitigen Entwicklung?

Es ist für mich schlimm und traurig mitansehen zu müssen, wie türkis grün verschlingt und verdaut. Nicht nur für die Grünen, sondern für uns alle.


Wir alle haben ein Recht auf freie und unabhängige Medien

(Auszüge aus dem Volksbegehren)

Österreich hat seit Jahrzehnten ein unübersehbares und strukturelles Problem mit Korruption. Unser Land läuft damit zunehmend Gefahr zu einem rechtsstaatlichen Außenseiter Europas zu werden. Das hat tiefer liegende Ursachen.

Postenschacher, Freunderlwirtschaft und Ämterpatronage, Druck auf Kontrollorgane wie Justiz und Medien, Gesetzeskauf, intransparente Parteienfinanzierung, Misswirtschaft, Beschaffungs- Privatisierungs- und Bankenskandale: all das kostet uns jährlich Milliarden Euro an Steuergeld.

Korruption unterwandert unsere Demokratie und die Reputation, die der Wirtschaftsstandort Österreich so dringend braucht. Korruption untergräbt unseren sozialen Zusammenhalt und zwischenmenschliches Vertrauen. Korruption unterhöhlt den Rechtsstaat.

Wir fordern daher ein Umdenken und umfassende Reformen.

Wir alle haben ein Recht darauf, dass Politiker und Politikerinnen die Republik mit Anstand, Integrität und Achtung vor dem Amt regieren.

Wir alle haben ein Recht auf Politikerinnen und Politiker, deren Tun vorbildlich ist und die dieser Verantwortung gerecht werden.

Wir alle haben ein Recht auf Politikerinnen und Politiker, deren Handeln sich am Gemeinwohl (res publica) und hohen Maßstäben ethischen Verhaltens ausrichtet – und nicht nur am Strafrecht.

Wir alle haben ein Recht auf Politikerinnen und Politiker, die Gesetze und Entscheidungen der Gerichte nicht nur einhalten, sondern sie auch mit Vorbildwirkung beachten und umsetzen.

Wir alle haben ein Recht auf eine saubere und transparente Verwaltung, die alle Bürgerinnen und Bürger, ohne Ansehen ihrer Stellung und ihres Namens, eines Parteibuchs, sowie ohne Parteispenden gleich behandelt.

Wir alle haben ein Recht auf eine unabhängige und starke Justiz, auf unabhängige, objektive und gut ausgestattete Kontroll- und Ermittlungsbehörden, auf eine den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtete Beamtenschaft und Polizei, die alle ohne (partei)politisch motivierte Diskreditierungen, Eingriffe und Untergriffe arbeiten können sollen.

Wir alle haben ein Recht auf freie und unabhängige Medien, die weder durch Inseratenkorruption noch durch politischen Druck an ihrer Informations- und Kontrollaufgabe gehindert werden.

Zu den einzelnen Forderungspaketen: hier


Julya Rabinowich wurde 1970 in St. Petersburg geboren. Sie lebt seit 1977 in Wien, wo sie auch studierte. Sie ist als Schriftstellerin, Kolumnistin und Malerin tätig sowie als Dolmetscherin. Eine Auswahl ihrer Buchtitel: Spaltkopf (2008, u. a. ausgezeichnet mit dem Rauriser Literaturpreis 2009), Herznovelle (2011, nominiert für den Prix du Livre Européen), Die Erdfresserin (2012) und Krötenliebe (2016). Mit Dazwischen: Ich veröffentlichte sie 2016 ihr erstes Jugendbuch. Es wurde zahlreichen Preisen ausgezeichnet. 2019 folgte ihr Jugendbuch Hinter Glas. Julya Rabinowich ist übrigens kein SPÖ-Mitglied, wie sie auf Semiosis-Nachfrage erläuterte. Vor kurzem hat sie aber auf dem SPÖ-Parteitag eine vielbeachtete Rede gehalten. Foto: @MichaelMazohl

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