Ich sitze mit einer Kommunistin und einem Kommunisten in einem schattigen Schanigarten in Wien im traditionsreichen Cafe 7Stern im siebten Bezirk in Wien. Sarah Pansy und Günther Hopfgartner gehören dem Sprecher*innenrat der KPÖ an, der am vergangenen Sonntag auf dem Parteitag der Partei einmütig gewählt wurde. Erwartet hatte ich vor dem Gespräch angriffslustige Linke, die die Politik der Bundesregierung scharf kritisieren und die zum Widerstand aufrufen. Begegnet bin ich zwei Menschen, die mir einen 3-Jahres-Aufbauplan für eine halbtote Partei vorstellen – ein Plan, in dem die große Politik kaum vorkommt. Stattdessen reden wir über Menschen, die nicht wissen, wie sie die Heizung für ihre Wohnung im Winter finanzieren sollen oder von denjenigen, die in prekärer Arbeit ersticken und doch zu wenig zum guten Leben haben. Von Sebastian Reinfeldt
Wenn man so möchte, dann repräsentieren meine Gesprächspartner*innen zwei Welten, die nun eins werden sollen. Lebensgeschichtlich gesehen ist es so, dass Sarah Pansy und der ebenfalls gewählte Tobias Schweiger mittlerweile zu alt sind, um bei ihrer Organisation, den Jungen Linken, noch mittun zu können. Sie haben mit aufgebaut, was einmal Junge Grüne war und nun Junge Linke heißt. Sarah Pansy ist übrigens erst zum Parteitag in die KPÖ eingetreten. Andere Parteien würden da von einer Quereinsteigerin reden und das medial groß herauskehren. Hier wird das eher beiläufig erwähnt.
Günther Hopfgartner, Geschäftsführer und Mit-Gesellschafter des 7Sterns, war 2009 Spitzenkandidat für die KPÖ zur Europawahl. Die Presse titulierte ihn abschätzig als Bademeister im linken Biotop, und das nur, weil er das Bademeistern einmal beruflich ausgeübt hatte. 18.926 Menschen wählten die Partei damals, das waren 0,7 Prozent der Wahlberechtigten. Mitten in der Finanzkrise. Um den Dreh herum gehen bundesweite Wahlgänge seitdem immer aus. Ausnahme: Die Bündniskandidatur Europa anders. Wenn bundesweit einmal eine „1“ vor dem Komma steht, dann wird das schon als Erfolg verbucht. Bei der letzten Nationalratswahl 2019 waren es 32.736 Stimmen und bundesweit 0,7% Prozent. Ein Resultat mit Folgen.
Die Existenzfrage der Partei
Während der Corona-Krise ist in der Partei klar geworden, dass diese über lokale Ansätze hinaus bundesweit nicht wirklich präsent ist im sozialen Leben. Das hat in der Parteiführung eine Diskussion über die Zukunft ausgelöst. Und da hat es schon starke Stimmen gegeben, die meinten: So richtig macht das keinen Sinn mehr. Die vernünftigste Lösung wäre, die KPÖ in einer neuen linken Partei aufgehen zu lassen. Aber so etwas lässt sich nicht am Reißbrett entwickeln, außerdem stellt sich die Frage: Wer ist das politische und das soziale Subjekt von so etwas?,
erläutert Hopfgartner. Eine Chance habe die Partei jedenfalls nur, wenn sie sich grundlegend öffne. Sarah Pansy kennt diesen Teil ihrer Kandidatur-Geschichte nur aus Erzählungen. Ihre Sicht:
Für mich kam das tatsächlich aus dem Nichts heraus, als Günther mich hier im 7Stern angesprochen hat und mich gefragt hat, ob ich bereit wäre, in so einem Sprecher*innenrat mitzuarbeiten. Wäre die KPÖ allerdings so geblieben, wie sie war, wäre das für mich nicht infrage gekommen. Ich bin davon überzeugt, dass es eine starke KPÖ braucht in Österreich. Und ich beobachte, dass es immer mehr Menschen gibt, die für klassenpolitische Standpunkte ansprechbar sind. Daher kommt unser Vorhaben, die KPÖ auf neue Beine zu stellen, nun zur richtigen Zeit.
Ein 3-Jahresplan für den Aufbau der Partei
Wie kann das aber gelingen? Der Plan, die KPÖ wieder auf die Beine zu stellen, klingt aus dem Munde von Pansy bestechend einfach:
Wir setzen sehr stark auf neue Mitglieder.
Den Zeitrahmen dafür gibt der Termin des nächsten Parteitags an. Er soll 2024 stattfinden. In Hopfgartners Worten hört sich dasselbe etwas verwinkelter an.
Gebrochen wird nun mit einer politischen Praxis, dass sich der KPÖ-Bundesvorstand zusammengesetzt und die Weltlage eingeschätzt hat, dazu auch ein Papier verfasst hat, das auf der Webseite veröffentlicht wurde und der dann irgendwann Wahlkämpfe organisiert hat. Das muss sich ändern. Die KPÖ muss ins politische Tun kommen und so neue Mitglieder gewinnen.
Was das bedeuten könnte, erläutert Pansy an einem Beispiel. In einem Stadtviertel steigen plötzlich die Mieten. Dann sei es die Aufgabe der Kommunist*innen, Versammlungen zu organisieren, damit die Leute ihre Interessen in die Hand nehmen können, was bedeutet: die Ursachen zu erforschen und dann politisch etwas dagegen zu tun. Somit werden aus Betroffenen mit der Zeit Aktivist*innen und dann Mitglieder, die was tun wollen und können.
Das Zauberwort heißt also: Organizing. Es ist eine Form der politischen Mobilisierung, die aus der Gewerkschaftsbewegung kommt und dort besonders in Branchen angewendet wird, die nicht oder kaum organisiert waren. In Polen etwa beim Sicherheitspersonal in Warschau. Der Organizer bzw. die Organizerin setzt vor Ort einen Prozess in Gang, an dessen Ende sie überflüssig wird: Sie oder er leitet an, durch Zuhören und Recherchieren gemeinsam ins Handeln zu kommen und Verhältnisse zu verändern. Soweit das Konzept.
Das sind die Probleme für die KPÖ-Führung
Themenfelder für kommunistische Aktivitäten gäbe es in der sozialen Krise, die der Corona-Krise folgt, wahrlich genug. Denn die Zahl von Menschen, die in prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse leben, nimmt eindeutig zu. Also auch die soziale Ungleichheit. Es stellt sich aber die Frage: Werden die Betroffenen warten, bis die KPÖ fertig reformiert ist? Das öffentliche Desinteresse an ihr könnte in dem Fall sogar nützlich sein. Ein Beispiel: Im Vorfeld des Gesprächs hatte ich um einen Interviewtermin mit jemandem aus dem Team gebeten. So interessant es auch ist, sich in einem Gespräch zugleich mit zwei Perspektiven zu beschäftigen, so behäbig und umständlich wird das in der Kommunikation mit etablierteren Medien werden. Die haben keine Zeit (und oft auch kein Interesse), sich mit mehreren Sichtweisen auf dieselbe Sache zu beschäftigen. Sie wollen Zahlen und Sager.
Im Verlauf des Gesprächs mit den beiden wird ihr umsichtiges Umgehen miteinander erkennbar; politische Differenzen bleiben dabei aber nur angedeutet. Das betrifft besonders das komplizierte Verhältnis zur steierischen KPÖ. Hopfgartner dazu:
Es wird nicht mehr zwei Entitäten geben, wo die Leitungen sich treffen und übereinander schimpfen. Sondern: Wir werden Sachen gemeinsam machen und dabei sehen, was geht und was nicht.
Aus der Steiermark war zu den Umbrüchen in der Bundes-KPÖ übrigens kein offizieller Kommentar zu bekommen. Immerhin meinte KPÖ-Vordenker Franz Parteder aus Graz, er verfolge das alles mit Sympathie. Doch kommen nicht nur in Bezug auf das Schisma mit den steierischen Genoss*innen die verschiedenen politischen Positionen in der diversen Partei irgendwann einmal deutlicher zur Sprache. Und dann?
Warum sollte kommunistisch eine Antwort auf die österreichische Politik sein?
Dann bräuchte es jedenfalls eine verbindende und verbindliche Antwort, wozu es eine linke, kommunistische Partei in Österreich gerade jetzt brauche. Die Antworten von Pansy dazu mögen sich traditionalistisch anhören. Sicherlich treffen sich mitten in der Corona-Krise einen Punkt.
Zum einen wird die herrschende Politik immer deutlicher. Es wird immer deutlicher, um wen es geht. Für wen Politik gemacht wird. Und das sind nicht die Leute, die sich die Heizung nicht leisten können. Ich merke das in der Sozialberatung, die wir in Salzburg machen. Die Menschen fangen an, das stark politisch zu interpretieren. Da ist viel zu mobilisieren. Was fehlt ist ein politisches Angebot.
Die Frage ist auch, was man unter Politik versteht. Für die KPÖ kann die Antwort nicht sein: Wir wollen die Probleme der Menschen benutzen, um in Repräsentationsfunktionen zu kommen. Sondern aufzuzeigen: Mit uns könnte ihr gemeinsam etwas verändern.
Skepsis ist angebracht. Aber die Tatsache, dass die Zeitenwende in der KPÖ unumkehrbar eingeleitet ist, sollte nicht unterschätzt werden. Andererseits: Die soziale Krise ist zwar in drei Jahren nicht vorüber. Aber ob Menschen dann noch kämpfen wollen und können, ist fraglich. Doch, wie so oft, so gilt auch hier: The proof of the pudding is in the eating – meinte vor einigen Jahrzehnten ein nicht-kommunistischer Wissenschaftler.