Zeitenwende bei der KPÖ

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By Sebastian Reinfeldt

Vor Jahren noch wäre ein KPÖ-Parteitag völlig uninteressant gewesen. Die Genoss*innen blieben sowieso lieber unter sich. Der kommende kommunistische Parteitag verspricht indes interessant zu werden. Und dies aus zwei Gründen: Immerhin hat sich die medial für tot erklärte Partei in den vergangenen Jahren gemausert. Bezirks- und Gemeindemandate sind hinzugekommen. In den Großstädten Österreichs (Innsbruck, Salzburg, Linz, Wien, Graz) vertreten mittlerweile kommunistische Mandatar*innen die Interessen von Menschen, die politisch ansonsten nicht vertreten wären. Und regional passiert dies nicht nur in der Steiermark. Man denke etwa an die kommunistische Liste, die in Krems an der Donau erfolgreich ist. Der zweite Grund, warum der Parteitag aufmerksam machen sollte: Der ewige Mirko Messner wird nicht mehr Vorsitzender der Partei werden. Stattdessen tritt ein Kollektiv an, dass eine Zeitenwende (von der Form und vom Inhalt her) erwarten lässt. Von Sebastian Reinfeldt


Paukenschlag ausgerechnet auf Facebook

Ich kandidiere! Für eine starke Kommunistische Partei!

Diese Aussage des ehemaligen Bundessprechers der Jungen Linken, Tobias Schweiger, findet sich seit 8. Juni auf Facebook. Doch bewirbt er sich nicht alleine um den Vorsitz. Er schreibt:

Zusammen mit Katerina Anastasiou , Rainer Hackauf, Günther Hopfgartner, Sarah Pansy und Natascha Wanek trete ich am kommenden Bundesparteitag der KPÖ an. Gemeinsam mit allen Mitgliedern und vielen neuen Aktiven wollen wir den Wunsch nach einer Gesellschaft ohne Kapitalismus zurück in die Herzen und Köpfe der Menschen bringen!

Die Aufbauarbeit der Jungen Linken

Insider erkennen, dass es dieses Team in sich hat. Neben Tobias Schweiger kommt auch Sarah Pansy prominent aus der Jungen Linken, die sich als Junge Grüne von den Grünen abgespalten hatte. Wir erinnern uns an das mediale Gewitter, dass Flora Petrik ausgelöst hatte, ein Sturm, der die spätere Abwahl der Grünen aus dem Nationalrat und ihren fulminanten Rechtsruck ankündigte. Seit der Umbenennung in Junge Linke wurde es merklich still um die Gruppierung. Denn Aufbauarbeit geht immer leise vor sich. Die Gruppe ist mittlerweile regional gut vernetzt, hat sich geschult und weiter gebildet. Einige junge Linke haben kommunale Mandate übernommen, so in Wien und Salzburg. Offenbar ist nun die Zeit gekommen, sich bundespolitisch wieder einzumischen.

Die Häutungen der KPÖ

Doch ist dies keine Junge Linke-Machtübernahme der alterwürdigen KPÖ. Denn die beiden Jungen Linken treten im Kollektiv an. Dabei kommen Natascha Wanek, Günther Hopfgartner, Florian Birngruber (kandidiert als Finanzreferent) und Katerina Anastasiou aus dem Herzen der Traditionspartei KPÖ. Aber diese Partei ist schon lange nicht mehr das, was sie in der Zeit des Kalten Krieges einmal war: eine stalinistische Kaderpartei, die in Österreich für das Sowjetimperium einstand. Mittlerweile ist die Partei grunddemokratisch, diskursiv und divers, im Grunde zerstritten und einig zugleich. Das Schisma mit den steierischen Genoss*innen, die eine prägende politische Kraft in der Steiermark sind, ist nicht überwunden. En miniature finden sich in der Partei linke Positionen wieder, die es überall sonst gibt. Das Spektrum reicht von Pro Bedingungsloses Grundeinkommen und auch dagegen über Pro-Venezuala bis hin zu Sympathien mit Putin-Kritiker Nawalny. Divers eben.

Wozu braucht es eine kommunistische Partei?

Diese Frage wird das Team in ihrer Amtszeit beantworten müssen. Ein Verweis auf die (auch nicht immer) heldenhafte Geschichte der Partei alleine beantwortet nämlich diese Frage nicht. Kommunist*innen aus Österreich saßen in den Konzentrationslagern der Nazis und in sowjetischen Gulags. Der Stalin-Experte Barry McLoughlin nennt drei Hauptgruppen österreichischer Opfer des Stalinismus. Darunter: Österreichische Kommunist*innen, die große Hoffnungen in das Land des Marxismus-Leninismus gesetzt hatten.

Gemeinsam mit allen arbeitenden und ausgesonderten Menschen für Gegenseitigkeit und Respekt kämpfen

Aus der Geschichte alleine ergibt sich keine politische Existenzberechtigung. Tobias Schweiger formuliert in seinem Facebook-Posting, wie seine Antwort auf die Wozu-Frage aussieht:

Kommunistische Partei heißt für mich, meine Würde zurückzugewinnen. Gemeinsam mit anderen arbeitenden oder ausgesonderten Menschen dafür einzutreten, dass Gegenseitigkeit und Respekt, nicht Glück oder Geburt über unser Leben entscheiden.
Kommunismus heißt für mich, dass wir als Menschen unser Schicksal zusammen in die Hand nehmen. In einer Gesellschaft, die unsere Bedürfnisse und Wünsche ins Zentrum stellt statt Profitinteressen und Unternehmenskonkurrenz.

Diese Formulierungen lassen vieles offen und im Vagen. Semiosis hat in die Partei hineingehört und dabei erfahren, dass es Überzeugungsarbeit brauche, bis wirklich alle den Weg mit voller Energie mitgehen. Selbstverständlich ist diese Zeitenwende nicht, da damit ja auch Proponent*innen der früheren, internen Streitigkeiten die politische Bühne verlassen werden.

Da es dennoch als wahrscheinlich gilt, dass das Kollektiv gewählt werden wird, haben wir vom Semiosis-Blog mit einigen Leuten aus dem Kollektiv bereits einen Interviewtermin nach dem Parteitag vereinbart. Danach erfahren wir (hoffentlich) Näheres.

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