Wir haben Lehrgeld an Franz Hörl bezahlt

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By Sebastian Reinfeldt

Es war unser erster Medienrechtsprozess und wir haben ihn verloren. Das Urteil hält fest:

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller Franz HÖRL für die (..) erlittene
Kränkung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Entschädigung von Euro 1.200,–, zu zahlen.

Das Geld ist überwiesen. Auch die gegnerischen Anwaltkosten in Höhe von 3.926,30 Euro haben wir beglichen. Hier veröffentlichen wir den obligatorischen Urteilstext. Franz Hörl ist Nationalratsabgeordneter der ÖVP und Funktionär der Wirtschaftskammer. Er gehört keiner Zillertaler Mafia an, die es überdies auch gar nicht gibt. Er hat auch nicht bei einer medizinischen Diagnose vor Ort interveniert. Das hat das Gericht in einer Verhandlung, die einen halben Nachmittag dauerte, festgestellt. Wir dokumentieren das Urteil als Download und nehmen es als Auftrag, in Zukunft noch besser zu werden. Dafür brauchen wir eure (auch finanzielle) Unterstützung. Ein Kommentar von Sebastian Reinfeldt.


In Medienverfahren sind die Richter*innen die ideelen Gesamtleser*innen

Ich war bei dem Prozess nur als Zeuge geladen. Meine Befragung durch den Richter im November 2020 dauerte nicht lange. Es waren gefühlte 20 Minuten. Dabei ging es mehr um den Träger-Verein Semiosis und seine finanziellen Verhältnisse. Nachdem der Richter mir versichert hatte, dass seine Lesweise unseres Textes die einzig richtige sei, wurde mir klar, wie die Sache ausgehen würde. Gegen uns. Wir hätten also tatsächlich das folgende behauptet, wie die Anwälte von Franz Hörl in ihrer Klageschrift ausführten:


Im Zillertal gibt es keine Mafia

Das Gericht hat das Gegenteil festgestellt. Und so soll es sein. Meine Einwände, dass ich das oben Geschriebene gar nicht behauptet habe und diese Lesweise sehr böswillig sei, ließ der Richter nicht gelten. Da aber seine Lesweise entscheidend ist, haben wir auf weitere Rechtsmittel verzichtet. Einzig der Wahrheitsbeweis, dass es im Zillertal eine Mafia gebe und der ÖVP-Abgeordnete ihr angehöre, hätte uns das Urteil ersparen können. Und das haben wir mit unseren doch bescheidenen Mitteln nicht leisten können. Also ist es nicht so und wir haben einen Prozess verloren.



Wir wollen besser werden

Worüber wir bislang noch nicht groß gesprochen haben: Der Blog hat im Jahr 2020 einen enormen Aufschwung erhalten. Wir haben wesentlich mehr regelmäßige Leser*innen und eine enorme mediale Resonanz. Und Qualität. Das hat eine Reihe von Kooperationen mit anderen Medien zur Folge, auch international. So etwas funktioniert nur, wenn wir uns jeden Tag um das Projekt Semiosis kümmern können. Jetzt befolgen wir strikt die Check-Recheck-Devise und fragen bei allen Artikeln immer bei den Betroffenen nach.

Wir haben Lehrgeld bezahlt und bedanken uns bei der Kanzlei Noll+Keider, die uns engagiert vertreten hat.

Unterstützt unabhängigen Journalismus!

Es heißt, das Urteil sei milde. Nun ja. Hinter Semiosis steht keine Partei (auch keine ehemalige), keine Organisation und auch kein Unternehmen. Wir sind ein paar Leute, die zumeist ehrenamtlich recherchieren und schreiben. Semiosis ist ein zivilgesellschaftliches Projekt, das dort hinschaut, wo es wehtut. Offenbar. In Zeiten wie diesen ist unabhängiger und kritischer Journalismus viel wert, finden wir. Deshalb machen wir das alles.

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Für Feinspitze und Neugierige: Das ganze Urteil inklusive des inkriminierten Textes zum Download. Sonstige Erledigung, Urteil, 14

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