Auf welche Art von Einsatz im Tiroler Wintertourismus bereiten sich die 17 britischen Schilehrer-Anwärter in Jochberg vor? Ihre mögliche Ansteckung mit der hochinfektiösen B117-Variante des Coronavirus ist ein weiteres Puzzleteil eines verstörenden Gesamtbilds: Seit Wochen dreht sich die Diskussion in Österreich darum, ob und wie Schilifte und Hotels aufsperren sollen. Dabei ist die klare Aussage wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Virus: Soziale Kontakte sind so weit wie möglich zu reduzieren. Andernfalls breitet sich das Virus weiter aus. Dennoch ziehen österreichische Firmen in Tirol im Winter 2020/21 fragwürdige Ausbildungen durch. Und die Behörden schauen ihnen dabei zu. Von Sebastian Reinfeldt.
Was tun britische Schilehrer-Anwärter in Jochberg?
In der Regel sind das Kurse, die binnen kurzer Zeit, die nötigsten Basics vermitteln und kaum Vorkenntnisse benötigen. „Anwärter“ decken den Personalbedarf im Anfängerbereich ab und sind mehr oder weniger schlecht bezahlte Ferialjobs.
So beschreibt die Insiderin Nicola Werdenigg auf Twitter die Zielsetzung der Ausbildung, die die Briten in Jochberg absolvieren. Spezialisierte Firmen aus Österreich bieten diese niederschwelligen Kurse an. Als
Course with Job Guarantee,
werden sie auf der Insel und im Internet beworben.
Bei den Gebühren von über 5000 Euro ist dann aber alles inklusive. Vom Flughafentransfer bis zum Liftpass.
Das Angebot im Screenshot stammt von der Salzburger Ski Instructor Academy. Es ist Stand heute, 13. Januar 2021, noch aktuell (Homepage und Screenshot haben wir gesichert). Aber auch die Kitzbüheler e3 Ski Academy bewirbt aktuell (!) solche Anwärter-Kurse.
Bei der Kitzbühler Firma muss man allerdings gleich mal 500 Euro Einsatz leisten, um sich einen Ausbildungsplatz zu sichern. Laut Tiroler Tageszeitung wurde die fragliche Ausbildung der 17 Briten von der SNOW-ACADEMY Jochberg durchgeführt, die solche Kurse allerdings öffentlich nicht bewirbt. Warum schreibt sich jemand aus Großbritannien da ein? Der beruflichen Karriere wegen kann es nicht sein.
Billiglöhner am Hang
Der entsprechende Kollektivvertrag für die Anwärter sieht nämlich einen Verdienst von 955 Euro brutto pro Monat vor. Die nächste, besser klingende Stufe – der Landesskilehrer – bringt es auf 1.353 Euro. Damit liegen die Ausbildungskosten über dem möglichen Verdienst der Betroffenen in dieser Saison. Wie Nicola Werdenigg gegenüber Semiosis bestätigt, sind solche Ausbildungen für Low-level Schilehrer seit langem Usus. Solche Kurse setzen eine ganze Reihe von Vorkehrungen und Logistik voraus. Von der Anreise über die Unterbringung in Quartieren bis hin zur Verpflegung und der Ausbildung durch wirkliche Schilehrer*innen. Und das alles spielt sich in Tirol während eines Lockdowns ab.
Rechtlicher Graubereich in Verordnungs-Lücken
Damit das alles durchgezogen werden konnte, nutzen die Akademien offenbar Lücken in den Lockdown-Verordnungen aus. Wir erinnern uns: Im Dezember 2020 wuchs die Zahl der Schirennläufer*innen in Tirol sprunghaft an, selbst Kinder konnten damals die Ausnahmeregelung der 2. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung nutzen. Schon am 4. und 5. Dezember 2020 haben wir bei einer Vor-Ort-Recherche Schilehrer mit Anzugsaufdrucken einer britischen „Race Academy“ beobachtet.
Das derzeitge Jochberger Ausbildungscamp findet in einem noch graueren rechtlichen Graubereich statt. Die Frage ist: War es überhaupt legal, diese Personen während eines Lockdowns zu Anwärtern auszubilden? Nur bei großzügigster Interpretation lässt sich in der Verordnung die Erlaubnis zum Betreten von Sportstätten zu Ausbildungszwecken herauslesen. Dabei gestattet Paragraf 2, Ziffer 4 das Verlassen des Haushaltes zu Ausbildungszwecken. § 8, Absatz 3, Ziffer 4 besagt, dass ein Betretungsverbot für Hotels nicht für zu Ausbildungszwecken gesetzlich anerkannter Einrichtungen gilt. Das scheint bereits fraglich, denn der Tiroler Schilehrerverband dementiert eine solche Ausbildung. Am Schihang durften die Briten im Dezember 2020 dann nur bei großzügigster Interpretation üben. Denn der Passus lautet:
(2) Ausgenommen vom Verbot des Abs. 1 sind Betretungen von Sportstätten
1. durch Spitzensportler gemäß § 3 Z 6 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensportes, oder Sportler, die ihre sportliche Tätigkeit beruflich ausüben und daraus Einkünfte erzielen oder bereits an internationalen Wettkämpfen gemäß § 3 Z 5 BSFG 2017 teilgenommen haben, deren Betreuer und Trainer sowie Vertreter der Medien. Die Sportler haben zu Betreuern und Trainern sowie Vertretern der Medien einen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten; für Betreuer, Trainer und Vertreter der Medien gilt § 6 sinngemäß.
2. im Freien durch nicht von Z 1 erfassten Personen. In diesem Fall dürfen die Sportstätten nur zum Zweck der Ausübung von Sport, bei dessen sportartspezifischer Ausübung es nicht zu Körperkontakt kommt, betreten werden. Geschlossene Räumlichkeiten der Sportstätte dürfen dabei nur betreten werden, soweit dies zur Ausübung des Sports im Freiluftbereich erforderlich ist. Das Verweilen in der Sportstätte ist mit der Dauer der Sportausübung beschränkt. § 1 und § 5 Abs. 1 Z 4 gelten sinngemäß.
Entzieht sich meiner Kenntnis
Explizit steht in der Verordnung also nichts davon, dass das Betreten von Sportstätten zu Ausbildungszwecken möglich ist. Zumal es fraglich zu sein scheint, dass es in Tirol aktuell einen Fachkräftemangel in diesem Bereich gibt. Aber: Wer ist für die Kontrolle der Verordnung zuständig? Der Bürgermeister von Jochberg hat gestern in ORFIII aktuell angegeben:
Wann die letzten (britischen) Staatsbürger eingereist sind und vielleicht zwischenzeitlich heimgefahren sind und auch wieder eingereist sind, das entzieht sich leider meiner Kenntnis.
Der Tiroler Skilehrerverband dementierte dem ORF gegenüber, dass in Jochberg überhaupt gerade Aus- oder Fortbildungen stattfinden würden. Also: Der Bürgermeister weiß von nichts, die Verbände auch nicht, die Bezirksbehörde prüft noch. Haben wir es hier – nach Ischgl – mit dem nächsten Behördenversagen in Tirol in Zeiten der Pandemie zu tun?
Semiosis-Recherchen
Schifoan in den Kitzbüheler Alpen: Wenn man es sich richten kann (9. Dezember 2020)
Tiroler Skiverband: Auch Training außerhalb des Spitzensports jederzeit möglich (11.Dezember 2020)
Falsch beraten? Das Netz der Corona-Verharmloser*innen (15. November 2020)
Sehr aufschlussreicher Kommentar! – Ich nehme aber an, dass die Jahresangabe des Angebots eigentlich 2021 lauten sollte, oder? Andernfalls wäre das Angebot nämlich nicht relevant. – Aber ich verschreib mich im jänner auch immer ;-)!
Ja, genau so ist das passiert. Habs schon korrigiert, danke für den Hinweis!
Wenn man sich für den Schilehrerberuf entscheidet, ist der Anfang immer der Anwärterkurs. Erst danach kann man zum Landesschilehref und später zum staatl. geprüften Diplomschilehrer.
Dann haben Sie noch vergessen, dass der Wiener Schiverband beteiligt war. Und die Journalisten haben es verabsäumt, die Menschen am Anfang der Pandemie richtig zu informieren.
Ist alles halb so schlimm. Ähnlich einer Grippe. Das waren genau die Journalisten, die jetzt die Klappe am meisten aufreißen und überall Schuldige suchen.
Da kommen also 17 Typen nach Österreich aus GB einem Corona Risikoland und machen einen auf Party. Sorry wieso ist das niemanden aufgefallen ? ‚Wie sind die angereist ? ‚Wo haben die gewohnt ? Sorry, was war dass denn
Dann noch der Schikurs zum ‚Schilehrer Anwärter ?
Hier ist wohl einiges schief gelaufen, oder es haben die richtigen Leute weg gesehen ?
Ein Hoch auf das Österreichische Skilehrer Niveau und die Gier in der Gesellschaft.
Kohle kennt weder Skrupel noch Moral.
Mit Billig- Lohn Skilehrern dieser Art ist für Skischulen halt richtig Kohle zu machen.
Von Qualität der Skikurse möchte ich erst gar nicht reden, darüber hinaus ist es moralisch höchst verwerflich den Skikurs Gästen aus aller Welt solch Skilehrer- personal aufs Auge zu drücken!
Es bleibt zu hoffen das diese betrügerische Aktion nachreichende Konsequenzen mit sich bringt, allerdings vermute ich mal das im Sumpf gewisser Schönredner, Besserwisser und Geldgeier dies ein frommer Wunsch bleibt.