Zwei Ausschreibungen für die Öffentlichkeitsarbeit der österreichischen Bundesregierung sorgen derzeit für Aufsehen. Die eine, Mediaagenturleistungen Bund, umfasst alle zukünftigen Werbeschaltungen. Die andere trägt den Titel Kreativagenturleistungen Bund. Hier sollen drei Werbeagenturen in den kommenden Jahren die Kampagnen der Regierung entwickeln. Dafür sind jeweils Rahmenvereinbarungen vorgesehen: bis zu 180 Millionen für die Werbeschaltungen und bis zu 30 Millionen für die kreativen Agenturen. Sebastian Reinfeldt hat sich die Unterlagen der Ausschreibung angesehen. Der politische Teufel steckt auch hier im Detail.
180 Millionen Werbeschaltungen für alle Ministerien
Der Auftrag über die Werbeeinschaltungen liest sich medientechnisch. Hier will die Republik Österreich, vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH, Media-Agenturleistungen inkl. Mediaschaltungen in Angelegenheiten der allgemeinen Regierungspolitik und Informationstätigkeiten der Bundesregierung einkaufen. Diese Rahmenvereinbarung ist bis zu 180 Millionen Euro schwer. Offenbar soll der Auftrag an eine leistungsstarke und gut vernetzte Werbeagentur (oder an einen Zusammenschluss von mehreren) gehen. Demnach müssen sämtliche Bundesministerien ihre Aufträge über diese Agentur laufen lassen. Wie die veranschlagte Summe von 180 Millionen Euro zustande kommt, ließ sich nach Semiosis-Recherchen nicht herausfinden. Es schaut jedenfalls wie eine wild geschätzte Fantasiezahl aus.
30 Millionen für das Beste aus beiden Welten
In der zweiten Ausschreibung fordert die Regierung ein schlüssiges Konzept für ihre gesamte Kommunikation. In den Ausschreibungsunterlagen finden sich dafür Leitfragen, die die Anbietenden mit einem 5-seitigen Konzeptpapier beantworten sollen. Es geht dabei nicht um eine Kanzler Kurz-Medienoffensive, sondern um ein Kommunikationsdesign für die Bundesregierung als Ganzes (die es offenbar bisher nicht gibt!). Daher findet sich auch die umstrittene Formulierung vom „Besten aus beiden Welten“ in den Ausschreibungsunterlagen, mit der die Grünen allerdings gar nicht glücklich sein sollen.
Gesucht: eine Kommunikationsstrategie
Das sind die Fragen für die relevanten strategischen Überlegungen eines solchen Konzepts:
- Was sind die Eckpfeiler einer neuen, gemeinsamen Kommunikationsstrategie der Bundesregierung?
- Was sind die allgemeinen strategischen Überlegungen, Empfehlungen und Vorschläge für eine gemeinsame Kommunikationsstrategie der Bundesregierung basierend auf den Inhalten des Regierungsprogrammes?
- Wie kann trotz unterschiedlicher Themen und Schwerpunkte der Ministerien eine gemeinsame Kommunikation erreicht werden?
- Die Informationen der Bundesregierung richten sich an alle ÖsterreicherInnen. Welche Zielgruppen sind besonders wichtig und wie sollen diese erreicht werden?
- Konkrete kommunikationsstrategische Empfehlungen für eine gemeinsame Kommunikation der Bundesregierung
- Vorschlag für einen Kommunikationsrahmen für die österreichische Bundesregierung
- Wie kann der Kommunikationsrahmen gesteuert/operationalisiert werden?
Gesucht: eine Kampagne zum Klimaschutz
Aus allen Vorschlägen, die die Agenturen einreichen, sucht sich die Bundesregierung (bzw. die Vergabekommission, deren Zusammensetzung geheim ist) dann die besten 5 Angebote heraus. Diese Auserwählten kommen in eine zweite Runde. In dieser sollen sie eine fix und fertige Kampagne in einer einstündigen Präsentation zum Thema E-Mobilität in Wort, Bild und Ton vorstellen. In einem separaten Briefing gibt es bereits Vorgaben zum Thema, etwa:
- E-Mobilität soll (neben öffentlichem Verkehr und aktiver Mobilität) als tragende Säule der Mobilitätswende positioniert werden.
- Der Umweltnutzen von E-Mobilität im Vergleich zu fossiler Mobilität soll herausgearbeitet werden.
- Neben dem Umweltnutzen soll auch Zusatznutzen kommuniziert werden: Höhere Lebensqualität in Städten, Gesundheitsnutzen, Fahrspaß etc
Nur eine zentrale Abrechnungsstelle?
Der grüne Abgeordnete Michel Reimon verteidigte gestern auf Twitter das Vorgehen der Regierung. Dabei hat er sich allerdings ausschließlich auf die Kreativausschreibung bezogen, wie er auf Semiosis-Nachfrage erläuterte. Rahmenvereinbarungen seien deshalb nötig, weil die Regierung den künftigen Bedarf nicht genau abschätzen könne. Alle Agenturen könnten sich weiterhin um Aufträge für Medienschaltungen bewerben, meint er. Nur abgerechnet würde dann über eine einzige.
Oder: zentralisierte Regierungskommunikation?
Allerdings ergibt sich aus den Ausschreibungsunterlagen für beide Dienstleistungen, dass die Bieter mit der ersten Einreichung bereits eine abgeschlossene Liste der Subunternehmen abgegeben müssen. Sie lässt sich später nicht mehr ergänzen. Zitat aus den Unterlagen:
Subunternehmer können nur im Teilnahmeantrag genannt werden. Eine nachträgliche Nennung von Subunternehmern im Rahmen der Prüfung ist nicht zulässig und wird nicht berücksichtigt.
Die Bewertungskriterien
Europaweite Vergabevorschriften sehen es generell vor, dass die Auftraggeberin die Kriterien offen legt, nach denen sie Angebote prüfen und bewerten will. Im Falle der Ausschreibung Mediaschaltungen wird das Mediaschaltvolumen der Bewerberfirmen am höchsten gewichtet (maximal 200 Punkte), dann ihre Referenzen (maximal 100 Punkte) und schließlich das Personal (maximal 40 Punkte).
Bei der Ausschreibung für die drei kreativen Agenturen sind in der ersten Runde maximal 100 Punkte nur für die Güte der strategischen Überlegungen erreichbar. In der zweiten Runde liegt der Schwerpunkt wiederum beim Konzept (maximal 70 Punkte). Der Preis der Dienstleistungen macht nur 30 Punkte und damit 30 Prozent der Bewertung aus. Dies wird in der Fachsprache ein Bestbieterprinzip genannt, im Unterschied zum Billigstbieterprinzip. Andere Branchen können von so einem Verhältnis von Konzeptinhalt zum Preis bei öffentlichen Ausschreibungen nur träumen.
Ist das wirklich transparent?
Gesucht wird also für den ersten Auftrag eine leistungsstarke Agentur, die die Botschaften der Regierung auf allen Kanälen spielen kann. Und im zweiten Auftrag wird ein Konsortium von Agenturen beauftragt werden. Die genannte Zahl 3 legt es nahe, dass hier die türkisgrüne Zauberformel 2:1 zur Anwendung kommt. Somit würden zwei türkise und eine grüne Aggentur das Beste aus ihren Welten zusammenbasteln. Die Ergebnisse können dann unisono über die Kanäle gespielt werden, die die große Mediagentur zur Verfügung stellt.
Parlamentarische Kontrolle der Regierungs-PR wird in Zukunft schwierig
Nach Vergabe der Aufträge sind der parlamentarischen Kontrolle wohl Grenzen gesetzt. Vom so genannten „Interpellationsrecht“ der Abgeordneten ist immer nur die Vollziehung des Bundes umfasst. Da die Agenturen privatwirtschaftlich arbeiten und schützenswerte Geschäftsgeheimnisse haben, werden die Antworten auf Fragen der Opposition über Inhalt und Form der Regierungsausgaben für Propagandazwecke in Zukunft wohl eher dürftig ausfallen.