AMS-Kurse: Offener Brief fordert eine Notbremse jetzt!

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By Sebastian Reinfeldt

Seit Wochen gibt es Medienberichte über die Gesundheitsgefährdung von Trainer*innen und Teilnehmenden in AMS-Kursen. Nun fordert eine Initiative von Deutschlehrenden,  die sofortige Einstellung der Kursmaßnahmen, „um unsere und die Gesundheit der Teilnehmer*innen nicht weiter zu gefährden und die gesamtgesellschaftliche Anstrengung zur Eindämmung von COVID 19 nicht zur Farce werden zu lassen.“  Wir dokumentieren den offenen Brief im O-Ton. 


Wien, am 9.11.2020
OFFENER BRIEF: NOTBREMSE JETZT!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz, sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Rudolf Anschober, sehr geehrte Frau Integrationsministerin Dr.in Susanne Raab, sehr geehrter Herr Dr. Johannes Kopf,

die Zahl der täglichen Covid-19-Neuinfektionen hat den Grenzwert von 6.000 bei Weitem überschritten. Über diesem Wert droht eine Überlastung des Gesundheitssystems. Doch während Schüler*innen in der Oberstufe von Zuhause unterrichtet werden, Universitäten auf  E-Learning umsteigen müssen, und die Volkshochschulen alle Präsenzveranstaltungen eingestellt haben, herrscht in AMS- und ÖIF-Kursen immer noch Präsenzunterricht. Wir Lehrpersonen halten es für gefährlich und verantwortungslos, dass Kursmaßnahmen im Auftrag des AMS und ÖIF vom Lockdown ausgenommen wurden.

Warum ist die Erwachsenenbildung ausgenommen?

Wir sind sehr betroffen, dass ausgerechnet Bereiche mit zwar vorhandenen, aber ganz offensichtlich kaum wirksamen und von keiner Behörde überprüften Hygienekonzepten offen bleiben. Eine Kollegin, AMS-Lehrerin in einem Deutschkurs, schrieb uns:

Es ist wirklich arg, uns weiterhin zu gefährden. Ich denke, ein so schlampiger Lockdown wird gar nichts bringen. Bei Unterprivilegierten wie uns und unseren Teilnehmer*innen wird das Virus krasse Blüten treiben.

Unsere Kursteilnehmer*innen fahren massenweise jeden Morgen zur Stoßzeit (um kurz vor 8 Uhr wie auch Schüler*innen) zu den großen Instituten, viele so groß wie Einkaufszentren, an denen die Kursmaßnahmen stattfinden. Viele unserer Teilnehmer*innen haben mehrere Kinder, mit denen sie in beengten Verhältnissen leben. Auch jüngere unter unseren Teilnehmer*innen haben Vorerkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes. Nicht wenige laborieren an Kriegsverletzungen. Unsere Kursteilnehmer*innen sind ein gefährdeter Teil der Bevölkerung, der nicht geschützt wird. Die meisten Kursräume sind für 12-14 Personen unter Coronabedingungen viel zu klein dimensioniert. Es herrschen ideale Voraussetzungen für die Weiterverbreitung des Virus unter Teilnehmer*innen und Lehrenden. Deren und unsere Kinder wiederum könnten das Virus in die Kindergärten und Schulen weiter tragen. Aus diesen Gründen ist es uns vollkommen unverständlich, warum der Bereich der  Erwachsenenbildung von den Verantwortlichen in der neuen Verordnung ausgenommen wurde.

Wir sind nicht mehr bereit, uns selbst und tausende andere zu gefährden

Während Unis und Oberstufen geschlossen wurden und aus gutem Grund nur die
Kindergärten und Unterstufen geöffnet bleiben, muss die Erwachsenenbildung weitermachen, weil es nur schwammige Formulierungen wie „notwendige
Ausbildungen“ in der Verordnung gibt. Solche dürfen/sollen im derzeitigen Lockdown weitergeführt werden. Auch wenn wir die Qualität unserer Arbeit nicht unterbewerten wollen: Wir halten eine mehrwöchige Pause bei AMS- und ÖIFKursen im Bereich der Erwachsenenbildung für weit weniger problematisch als das Nachhauseschicken der Oberstufen-Schüler*innen. Dennoch wird letzteres gemacht, ersteres aber fahrlässigerweise unterlassen. Wir möchten Sie in diesem Zusammenhang auch auf einen Artikel von Sebastian Reinfeldt in Semiosis hinweisen: Deutsch-Unterrichten im AMS-Kurs: Auf Messers Schneide mit dem Virus.

Alle darin von Kolleg*innen geschilderten Äußerungen können wir als Lehrpersonen, die aus der Praxis kommen, nur bestätigen. Um unsere und die Gesundheit der Teilnehmer*innen nicht weiter zu gefährden und die gesamtgesellschaftliche Anstrengung zur Eindämmung von COVID 19 nicht zur Farce werden zu lassen, fordern wir die sofortige Einstellung der
Kursmaßnahmen. Wie der Bundesgeschäftsführer des AMS Johannes Kopf in einem Ö1-Interview bereits ausgeführt hat, sind unsere Teilnehmer*innen sehr unterschiedlich gut mit technischem Equipment und technologischem Know-How ausgestattet, was eine große Ungleichheit beim Erfolg im Fernunterricht mit sich bringt. Aus diesem Grund fordern wir Sie auf, die Kursmaßnahmen ab sofort bis nach Weihnachten auszusetzen.

Wir sind nicht länger bereit, uns selbst und tausende andere jeden Tag zu gefährden.

Protestaktion: Notbremse jetzt!

Freitag, 13.11. | 16:00
AMS-Bundesgeschäftsstelle | Treustraße 35-43, 1200 Wien (U4 Friedensbrücke)
Maskenpflicht und Mindestabstand einhalten!
Im Interesse der Gesundheit von Beschäftigten, Kursteilnehmer*innen und allen, die auf ein funktionierendes Gesundheitssystem angewiesen sind, fordern wir die einzig verantwortliche Lösung in dieser Situation:

* Sofortige Einstellung aller AMS-Maßnahmen und ÖIF-Kurse bis nach Weihnachten
* Gehaltsfortzahlung und keine Kündigungen bei den Beschäftigten, voller weiterer Leistungsbezug bei Kursteilnehmer*innen

Wir sind nicht länger bereit, uns selbst und tausende andere jeden Tag zu
gefährden. Wir ziehen die Notbremse!
Mit freundlichen Grüßen

Mag.a Dr.in Irene Schmölz
Mag. Sebastian Kugler

für den Verein: DiE Deutschlehrende in der Erwachsenenbildung

1 Gedanke zu „AMS-Kurse: Offener Brief fordert eine Notbremse jetzt!“

  1. Ich bin derzeit selber auf einer AMS Schulung. Wir sind 8 Personen Frauen und Männer im Präsenzunterricht Es ist ein großer Saal jeder zweite Platz bleibt frei wegen Corona. Wir haben während des gesamten Kurses Dauer 4 Stunden Maskenpflicht. Irgendwie ist es eine Gratwanderung. Aber was soll man machen ?

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