Je hilfloser wir sind angesichts des Terrors, umso eher wollen wir uns mit Leuten identifizieren, die an unserer Stelle etwas tun. Mit irgendwem. Das gilt im Fall der beiden jungen Männer, die während der tödlichen islamistischen Attacken in Wien am Montag einen Polizisten aus dem Schusswechsel gerettet haben. Sie sind unsere Helden, auch, weil sie – ganz im Sinne der Moslembrüder – Gutes tun und in den Medien gerne darüber sprechen: „Wir haben getan, was nötig war“ , sagen Recep T. G. und Mikail Ö. seit Dienstag in die laufenden Kameras. Recherchen haben ergeben, dass die beiden mit den faschistischen Grauen Wölfen sympathisieren. Eine Jugendsünde? Video-Material, das die Serb*innen gegen Rechts dem Semiosisblog zur Verfügung gestellt haben, zeigt, dass die guten Menschen vom Schwedenplatz noch im Sommer 2020 bei einer Attacke gegen das EKH und gegen Kurd*innen in Favoriten mitgetan haben sollen. Eine Recherche von Sebastian Reinfeldt.
Juni 2020: Türkische Faschisten marschieren in Favoriten auf
Das linke Zentrum Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in Wien-Favoriten war im Sommer 2020 Ziel eines Aufmarsches türkischer Faschisten. Der Grund: Im EKH befindet sich unter anderem das Vereinslokal der linken, kurdisch-türkischen ATIGF (Föderation der Arbeiter*nnen und Jugendlichen aus der Türkei in Österreich). Die Gruppe türkischer Faschisten und ihre Sympathisant*innen haben die Kurd*innen bedroht und angegriffen. Dabei grölten sie Parolen und zeigten den verbotenen Wolfsgruß. Mamo Mirzani, der sich an diesem Tag im Haus aufhielt, erinnert sich:
Ich war in dem Haus, als es unter Allahu Akbar und Erdogan-Sprechchören angegriffen wurde. Ich war in dem kurdisch-türkischen Arbeiter*innenverein als Brandsätze flogen und das Haus massivst angegriffen wurde. Auf Türkisch riefen sich die Angreifer zu: Holt Benzin von der Tankstelle und brennt diese Verräter, diese Ungläubigen nieder. Zeigen wir ihnen ihr Kurdistan!“
Videos vom Angriff zeigen die guten Menschen vom Schwedenplatz
Die Gruppe Serb*innen gegen Rechts haben auf Youtube ein Video veröffentlicht, das die Ereignisse des Tages dokumentiert. Und sie haben dem Semiosisblog dieses Material freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Rund um Minute 4:30 ist einer der guten Menschen vom Schwedenplatz inmitten dieses martialischen Aufmarschs zu erkennen. Zumindest schaut der Mann einem der beiden ähnlich. Hier der Aussschnitt:
Aufmarsch am 25. Juni, Ausschnitt
Im Vorfeld dieser Attacke versammelte sich die Gruppe in Favoriten vor dem Reumannplatz. Hier ein Screenshot aus einem Video, das die Grünen-Politikerin Berivan Aslan veröffentlicht hat. Sie ist seit langem ein Haßobjekt türkischer Faschisten. Die Gruppe gibt den linken Kurd*innen, die zu diesem Zeitpunkt auf der Straßenseite gegenüber stehen, unmissverständlich zu verstehen, was sie im Schilde führen: sie zu verprügeln, nämlich. Auf dem Screenshot sind die guten Menschen vom Schwedenplatz zu erkennen.
Im gesamten Video ist zu sehen, wie diese Gruppe mit Zeichen und Lauten ihren Hass anzeigt.
Ist das wirklich alles egal?
Zur Verteidigung ihrer Facebook-Postings mit Symbolen der faschistischen Grauen Wölfen, die zeitlich schon länger her sind, erläutern die guten Menschen vom Schwedenplatz dem Standard.
„Wir gehören zu keiner Gruppe“, sagt er dem STANDARD, „weder zu den Wölfen noch zu Linken.“ Der Wolfsgruß „interessiert mich nicht“, sagt er. Er sei aber auch „nicht schlimm“.
Ihre gute Tat bleibt ihre gute Tat. Die Medien und die Politiker*innen, die sie sich auf die Schnelle als Helden ausgesucht haben, sollten aber auch im Fall einer guten Tat recherchieren. Außerdem gibt es noch andere Personen, die an diesem Abend besonderes geleistet haben. Dazu zählt der Palästinenser Osama Joda, der im McDonald am Schwedenplatz gearbeitet hat und dem Polizisten im Kugelhagel zur Hilfe eilte. Seiner Familie hatte die niederösterreichische Gemeinde Weikersdorf übrigens vergangenes Jahr zunächst verwehrt, dort ein Haus zu kaufen. Sie musste sich dieses Recht erst vor Gericht erstreiten
Auf der Suche nach dem guten Muslim
Dass unser Wunsch nach Heldentum statt diesem jungen Mann ausgerechnet die beiden türkischen Faschisten erwählt, ist vielleicht kein Zufall, wie der (zeitweise) Semiosis–Gastautor Richard Schuberth in seinem Kommentar zum Thema treffend formuliert:
Wunschdenken wird in der „Helden“-Tat einen Reifesprung von Saulussen zu Paulussen fantasieren, denn wie können sie eine projihadistische Politik vertreten und gleichzeitig alte Damen und Polizisten aus jihadistischem Sperrfeuer retten? Aber warum sollten sie weniger widersprüchlich handeln als die „westliche Wertegemeinschaft“ selbst, die das neofaschistische Projekt Erdoğan kleinlaut maßregelt, es aber zugleich mit Geld und Waffen alimentiert und dessen Opfer im Stich lässt.
Frankreich hat die Organisation Graue Wölfe mittlerweite verboten. Innenminister Gérald Darmanin begründete dies auf Twitter damit, dass die Grauen Wölfe „Diskriminierung und Hass“ schüren. Zudem seien sie in Gewaltakte verwickelt.
Danke an die Serb*innen gegen rechts und an Mamo Mirzani! (Sebastian). Das Titelfoto ist ein Screenshot aus einem der hier verlinkten Videos.
Basti, wirst ja immer besser 🙂
LG Josef (BFI)
er heißt nicht Osama Joda, sein Name ist Osama Abu El Hosna.
Der 4. Held ist Basel Abo Khaled
https://www.facebook.com/menschliche.asylpolitik/posts/1545446872325786