Spannende Frage: Können Behörden lügen? Können sie bewußt die Unwahrheit sagen? Die Antwort auf diese Frage ist schwierig, auch weil sie justiziabel sein könnte. Jedenfalls hat Sebastian Reinfeldt in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von Minister Anschober eine wohl nicht ganz zutreffende Darstellung des Tiroler „Ausreisemangements“ am 13. und 14. März gefunden. Dabei geht es um die in Wahrheit chaotische Ausreise von Ischgler Urlaubsgästen über den Innsbrucker Flughafen. Spätestens dort wurde das Virus nämlich munter verteilt. Auch auf die dort Beschäftigten. Nur aus Behördensicht scheint das alles gar nicht passiert zu sein.
Es war ein Freitag, der 13.
Einige wenige in Tirol wussten bereits am Vormittag Bescheid. Sie konnten zumindest ahnen, was Kanzler Sebastian Kurz gegen 14 Uhr verkünden würde: eine Quarantäne über St. Anton, Ischgl und das gesamte Paznauntal. Zuvor lief in Ischgl noch normaler Urlaubsbetrieb. Die Lifte fuhren, Restaurants hatten geöffnet. In den Frühstückräumen der Hotels trafen sich die Gäste am Buffet. Einzig die Apres Ski Bars waren mittlerweile geschlossen worden. Nach Ansicht der Tiroler Behörden sei ein Urlaub in Ischgl an diesem Vormittag noch möglich gewesen. Trotz bekannter Infektionen, trotz Reisewarnungen aus einer Reihe europäischer Länder. Trotz aller Evidenz. Der Medieninszenierung des Kanzlers folgte im realen Leben von Seiten der Behörden erstmal: nichts. Stundenlang gab es etwa weder Ausreiseblätter (die angekündigt waren) noch Ausreisekontrollen. Man hatte sich schlicht nicht überlegt, wie das alles konkret vonstatten gehen sollte.
Ausreisen – aber wie und wohin?
Die zuständige Bezirkshauptmannschaft Landeck hat die örtliche Polizei erst gegen 16.20 Uhr mündlich informiert, dass sie an den Verkehrskontrollstellen nun auch die Ausreise aus einem Quarantänegebiet überprüfen müsste. Zu diesem Zeitpunkt verschickte der Tourismusverband Paznauntal erst die Gästeausreiseblätter an die Ischgler Hotels, die an den Kontrollstellen vorzuweisen waren. Eine entsprechende rechtsverbindliche Verordnung kam allerdings erst nach 19 Uhr heraus. Diese Darstellung findet sich in einer Anfragebeantwortung von Minister Anschober. In der Zwischenzeit stauten sich Autos und Busse quer durchs Tal, berichten Ortsansässige. Doch wohin reisten die Gäste, die den Ort subito verlassen mussten?
Direkt nach Hause oder über Umwege?
Offenbar dachten die Behörden bei ihrem Ausreisemanagement hauptsächlich an Urlaubsgäste, die mit dem eigenen Auto unterwegs sind. Sie sollten direkt in ihre Heimat fahren und dort ihren Gesundheitszustand beobachten. Angeblich würden die dortigen Gesundheitsbehörden informiert werden. Ob dies tatsächlich geschehen ist, steht auf einem anderen Blatt, das wir noch recherchieren.
Getestet wurden die Leute nicht. Ärztliche Hilfe war ebenfalls keine vorgesehen. Die Saisonarbeitskräfte und österreichische Urlaubende hingegen sollten mindestens 14 Tage in den Feriengebieten bleiben. Auch für sie gab es in der Zwischenzeit keine Tests und keine medizinische Versorgung. Das Paznauntal wurde lediglich abgeriegelt. Niemand kam mehr herein. Und wer es nicht rechtzeitig heraus geschafft hatte, der oder die hatte halt Pech. Tiroler Corona-Darwinismus. Doch was sollte eigentlich mit denjenigen passieren, die kein eigenes Auto dabei hatten? Bekannt ist die Geschichte von drei Bussen, in denen Gäste ohne eigenes Auto ausreisen konnten. Die Personen sollten nach einer Übernachtung in Imst via Flughafen Innsbruck das Land verlassen. So lautet die Darstellung des Ministers.
Größte Sicherheitsvorkehrungen am Innsbrucker Flughafen
Nach Darstellung der Behörden sei diese Ausreise geordnet und sicher erfolgt. In der Anfragebebeantwortung liest sich das so:
Die Ausreise von in der parlamentarischen Anfrage erwähnten (3) Bussen mit
Gästen, in der Zeit zwischen 21:00 und 22:00 Uhr an diesem Tag erfolgte – laut
polizeilicher Protokollierung – über Zustimmung der Landeseinsatzleitung. Vorgabe war eine direkte Verbringung zu einem Hotel im Raum Imst und wurden die Personen angehalten, die Hotelzimmer nicht zu verlassen. Dies war lediglich deshalb möglich, da die Ausreisenden am nächsten Morgen einen gebuchten Rückflug ab dem Flughafen Innsbruck, welcher ebenfalls unter Einhaltung größter Sicherheitsvorkehrungen erfolgte, hatten und eine Nächtigung in Imst durch die Bezirkshauptmannschaft Imst organisierte wurde. Weitere Fälle sind nicht bekannt.
Am Flughafen: Wir haben den normalen Arbeitsablauf gehabt
Am Innsbrucker Flughafen wussten die Beschäftigten von all dem nichts. Da sie ahnten, dass etwas nichts stimmen könne, haben sie einige Fotos gemacht, um ihre Arbeit zu dokumentieren. Diese wurden Semiosis zugespielt. Sie zeigen am 13. und 14. März einen leicht chaotischen Arbeitstag durch die vielen Passagiere. Aber die Beschäftigten wurden weder vorab informiert noch wurden sichtbare Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Auf Semiosis-Nachfrage haben Beschäftigte die Situation aus ihrer Erinnerung heraus so kommentiert:
Kann man gut erkennen, die getroffenen Sicherheitsmasnahmen. Wir haben zu diesem Zeitpunkt den normalen Arbeitsablauf gehabt. Keine Masken
Infektionen der Beschäftigten
Auf den Fotos ist gut zu erkennen, wie chaotisch es am Flughafen zuging. Die Menschen warteten dicht gedrängt in Schlangen vor den Schaltern und Kontrollpunkten. Es gab keine Absperrungen, keine Masken und keine Abstandspunkte. Die Ausreise der Ischlger Gäste, so wie sie auf den Fotos dokumentiert ist, fand jedenfalls ohne Sicherheitsmaßnahmen statt. An diesen beiden Abreisetagen wurde genau jener Innnsbrucker Flughafen möglicherweise zum Superspreader. Dafür sprechen auch die Corona-Infektionen des Sicherheitspersonals in den folgenden Tagen. Einen Fall haben wir recherchiert. Ein Flughafen-Beschäftigter wurde am 19.03 in einem Krankenhaus mit Symptomen als Notfall eingeliefert. Einen Tag später war sein Testergebnis da: positiv. In der Befragung hatte er die Behörden auf seinen Arbeitsplatz, den Innsbrucker Flughafen und die fehlenden Sicherheitsvorkehrungen ausdrücklich hingewiesen.
Kritische Recherche hat ihren Preis. Aktuell werden wir vom Tiroler Seilbahnlobbyisten und ÖVP-Nationalrat Franz Hörl verklagt. Er ist mit einem Bericht über das Zillertal nicht einverstanden. Daher bitten wir um Unterstützung.
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