Der schwarze Schatten

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By Sebastian Reinfeldt

Vier Tage Befragungen im Ibiza-Untersuchungsausschuss. „Was bringt der ganze Aufwand denn?“ , mögen viele fragen. Ist das wirklich alles nur Show für einige Politiker(innen)-Egos? Nein. Die Abgeordneten aller Fraktionen sind gut vorbereitet. Sie fragen genau, hartnäckig und sie gehen ins Detail. Dadurch fördern sie so einiges Wissenswertes zutage. Dokumente, die im Zuge der Befragungen präsentiert werden, eröffenen einen Blick hinter die Kulissen der Republik. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte eines eingescannten Notizzettels, der im Zuge der Befragungen eine nicht unwichtige Rolle spielte. Die Geschichte rund um diesen Scan erzählt Sebastian Reinfeldt. Für alle Genannten gilt natürlich die Unschuldsvermutung.


Ein teilweise unlesbarer Scan

Auf dem Scan sieht man handschriftliche Notizen. Wir erkennen darauf eine Handschrift und einen dunklen Schatten von dem Handy desjenigen, der das Foto der Notiz angefertigt hat.


Schwarzes Papier

Dieser Schatten war in einer Kopie, die die ermittelnde SOKO-Tape angefertigt hat, allerdings so weit abgedunkelt, dass die darunter liegende Schrift nicht mehr erkennbar war. Diese Kopie findet sich auch in den Akten des U-Ausschusses, berichten die Abgeordneten. So sieht allerdings das Original aus:

Der schwarze Schatten

Der unsichtbar gemachte Kanzler

Da hat es uns die Augen raus gehaut„. So schilderte Korruptionsstaatsanwalt P. vor dem Untersuchungsausschuss seine Reaktion auf die Qualität dieses von der SOKO-Tape übermittelten Bildes. Darin hat nämlich der abgedunkelte Schatten einen Bereich der Unterlage unlesbar gemacht. Er berichtet ferner, dass diese Notiz Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner geschrieben hat, der ein Beschuldigter ist. Wie auf dem wieder aufgehellten Bereich nun lesbar ist, wird in diesem Teil der Notiz ein Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dem früheren ÖVP-Chef und -Vizekanzler sowie Casinos-Aufsichtsrat Josef Pröll erwähnt. Bei der Zusammenkunft sei es, so steht es in den Unterlagen, um eine angedachte Holdinglösung für die Casinos Austria und eine Vorstandsbestellung ohne Ausschreibung gegangen. Auch Josef Pröll wird in den Ermittlungen zur Postenbesetzung bei den Casinos Austria als Beschuldigter geführt. Über diese Zusammenkunft hat der Standard bereits im November 2019 berichtet.

Wie kam es zu der teilweise unleserlichen Kopie?

Der Inhalt der Notiz ist also nichts Neues. Bis auf diese seltsame Episode mit der teilweise abgedunkelten Notiz, auf der sich ausgerechnet der Name von Kanzler Kurz findet. Die Version der SOKO-Tape dazu ist die, dass die abgedunkelte Kopie ihre interen Arbeitskopie sei, die mit einem schlechten (weil alten) Scanner gemacht worden sei. Diese sei in den Akt gekommen, das gut lesbare Original zur WKStA. Daher sei nichts vertuscht worden, verteidigt sich der SOKO-Tape-Leiter H. vor dem Ausschuss.  In den Medien spiegelte sich das ebenfalls wieder. Schlechte Scans, kaum Infos: Was die WKStA der Soko Tape vorwirft  titelt der Standard. Die Presse-Reporterin Anna Thalhammer stellte in einem ausführlichen Twitter-Thread die Version so dar, dass die WKStA jederzeit das Original hätte einsehen und einscannen können, das sie ja besaß. Es handelt sich dabei um einen Kompetenzstreit und/oder um ein zwischenmenschliches Problem. Für Florian Klenk vom Falter war die Angelegeneheit sogar eine „Bombe„, die „jetzt platzt„, schrieb er ebenfalls auf Twitter.

Angriffe auf die WKStA

Diese Diskussion wurde schließlich in die ZiB2 am Mittwochabend getragen. Dort sagte der Generalsekretär aus dem Innenministerium, Helmut Tomac:

Die Soko habe „alles richtig gemacht“, die Polizei habe „sensationelle Ermittlungsarbeit“ geleistet, die durch „falsche Tatsachen in Misskredit gebracht wurde.

In Erinnerung sind vielleicht noch die Äußerungen von Sebastian Kurz in einem Hintergrundgespräch vom Anfang des Jahres, in denen er die WKStA als ein „Netzwerk roter Staatsanwälte“ bezeichnet hat. Nachher meinte er erklärend, es gebe „gewisse Prozesse“, die müsse man hinterfragen. Vor dem Hintergrund dieser ungewöhnlichen Kritik eines Regierungschefs an den Korruptionsermittlerinnen und -ermittlern beschädigt dieses Ping-Pong zwischen SOKO-Tape und WKStA eher die WKStA. Die gesamten Korruptionsermittlungen zum „Inhalt“ der Strache-Sager im Ibiza-Video stehen unter Verdacht. Gelernte Österreicherinnen und Österreicher wissen schließlich:

Da kommt eh nichts raus.

Und wie war es nun letztlich?

Journalistinnen und Journalisten haben keine Einsicht in die Akten des Untersuchungsausschuss. Deren Herausgabe ist untersagt. Wenn, dann haben sie also eigene Akten von ihren jeweiligen Quellen bekommen. Ich selber verfüge über keine Dokumente, anhand derer ich den Ablauf wirklich nachkontrollieren könnte. Das Spiel mit einzelnen, plötzlich veröffentlichten Dokumenten (die ja im Zuge einer Litigation-PR ausgespielt werden), lässt sich nur dann beenden, wenn es eine Database gäbe, in die Journalistinnen und Journalisten ihre Dokumente einstellen. Das Vorbild dazu wären die öffentlich zugänglichen Datensätze und Dokumente des Internationales Netzwerks investigativer Journalisten (ICIJ)  zu den Offshore-Leaks oder zu den Implant-files.

So kann ich nur sagen, welche Version ich plausibler finde. Es ist die, die die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper argumentiert. Demnach habe die WKStA natürlich das Original erhalten, um es an den Besitzer zurückzugeben. Hätte sie dies getan, ohne die teils unleserliche Arbeitskopie zu kontrollieren, dann wäre dieses Beweisstück verloren gegangen. Hinter so einer Panne, das füge ich hinzu, kann angesichts des Inhalts hinter dem schwarzen Schatten nur Absicht stecken. Ich glaube nicht an typisch österreichische Schlamperei. Diese dient schlicht als Ausrede. Über den Korruptionsermittlungen in Österreich liegt ein schwarzer Schatten.

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