Corona-Virus in Tirol: Werden Gerichtsverfahren eingeleitet?

Foto des Autors

By Sebastian Reinfeldt

Der Hotspot der Corona-Erkrankungen in Österreich ist Tirol. Doch nicht nur das: Aus den Skigebieten in den Alpen verbreitete sich die ansteckende Krankheit nach Nordeuropa und nach Deutschland. Nun beginnen die Betroffenen Fragen zu stellen: Warum gab es keine Warnungen, obwohl die Behörden Bescheid gewusste hatten?

Den Semiosisblog erreichen weiterhin Berichte von Menschen, die im Paznauntal urlaubten. Dabei genügte schon ein Tagesausflug mit dem Bus, um sich dort anzustecken. So virulent war das Virus bereits am Wochenende vom Freitag, 6. März bis Montag, 9. März – zu einer Zeit also, als die Behörden bereits das hohe Ansteckungsrisiko hätten kennen und einschätzen müssen.

Wir schildern einen solchen Fall. Die Betroffene hat sich mittlerweile mit Mails an die österreichischen Behörden gewandt. Von anderer Seite gibt es eine erste Strafanzeige gegen das Land Tirol, gegen den Besitzer des Kitzlochs und gegen die Betreiber der Schilifte. Sie wurde zur Information an mehrere Medien geschickt, so auch an uns. Von Sebastian Reinfeldt. (Der Name der Betroffenen ist der Redaktion bekannt. Sie hat um Anonymisierung gebeten)


Ein Tagestrip mit dem Bus nach Tirol

Es sollte ein netter Tagesausflug nach Ischgl werden. Am frühen Morgen des 7. März saß Katharina N. mit ihrer betagten Mutter in einem Reisebus, der sie aus der Mitte Deutschlands nach Ischgl brachte. Ein bisschen Bergluft schnuppern und eine Tour durch die Apres-Ski-Bars standen an diesem Samstag auf dem Programm. Natürlich nichts Wildes, schließlich ist die Frau Mama ja nicht mehr die Jüngste.
Noch vor der Abreise suchte Katharina N. nach Infos zum Corona-Virus in der Region. Auf der Seite des deutschen Robert-Koch-Instituts fand sich zu dieser Zeit kein Warnhinweis. Und auf der Homepage der Region steht bis heute nichts über das Virus. Weder die deutsche noch die österreichische Regierung ließen offiziell etwas verlauten, das auf eine Gefahr hindeuten würde.

Auf der Rückreise im Bus mit dem Corona-Virus angesteckt

Also setzten sich die beiden Frauen unbesorgt in den Bus. In Ischgl angekommen bummelten sie durch den Ort, genossen die Aussicht auf die Berge und besuchten die Bar „Kuhstall“. Abends ging es wieder heim. Ohne Übernachtung und ohne Discobesuch erlebten sie einen entspannten Tag in den Alpen.

Mit Folgen. Denn am 16. März kam die Nachricht vom Reiseunternehmen, dass eine Mitreisende positiv auf das Corona-Virus getestet worden war. Katharina N. selbst geht es gut, sie wartet auf das Testergebnis und lebt in freiwilliger Isolation. Aber ihrer betagten Mutter geht es sehr schlecht. Sie liegt in einer Intensivstation einer Uniklinik, isoliert, mit gebrochener Nase und mit einem positiven Testergebnis. Erstaunlich ist, dass die Mutter atypische Krankheitssymptome zeigt. Sie fiel zwei Mal in ihrer Wohnung in Ohnmacht. Beim zweiten Mal zog sie sich die Verletzung zu, die der Grund dafür war, dass sie ins Spital eingeliefert wurde. Dort liegt sie nun aber als Corona-Patientin.

„Ich bin wütend und enttäuscht!“

Empört schreibt Katharina N. Mails an die österreichischen Behörden. Zum Beispiel an den Ischgler Bürgermeister Werner Kurz:

Wie ich in den Medien gelesen habe, waren Corona-Fälle in Ischgl angeblich seit Ende Februar (!) bekannt und die Behörden haben angeblich zu spät gehandelt.

Ich kann leider aus meiner Sicht nicht nachvollziehen, wer dafür verantwortlich gewesen ist, das Gebiet rechtzeitig ab zu sperren.
Sie sehen, was es jetzt für uns für gravierende Folgen hat und ich muss wirklich sagen, ich bin wütend und enttäuscht, dass ich mich offenbar nicht auf Behörden verlassen kann! Denen mein Wohlergehen und die Gesundheit meiner Familie bzw. von anderen Menschen offenbar nicht am Herzen liegt.

Eine erste Strafanzeige wegen „fahrlässiger Gemeingefährdung“

Eine weitere Mail erging an die Bezirkshauptmannschaft in Innsbruck und an die Polizei. Darin stellt Katharina N. die Frage, die in Österreich relevant werden wird:

Werden denn Gerichtsverfahren eingeleitet oder was ist der aktuelle Sachstand?

Tatsächlich wurde bereits bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eine Anzeige eingebracht, namentlich gegen das Land Tirol, gegen unbekannte Seilbahnbetreiber im Bundesland Tirol, gegen den Besitzer der Bar Kitzloch und gegen unbekannte Tourismusbetriebe im Quarantänegebiet Ischgl. Und zwar wegen „fahrlässiger Gemeingefährdung“ (§177 Strafgesetzbuch). Der Einbringende schreibt in seiner Begleitmail über seine Motivation, er befürchte,

dass versucht wird eine unabhängige Aufklärung der Vorkommnisse in Tirol möglicherweise zu unterdrücken. Es sind finanzielle Interessen von einflussreichen Lobbyisten der Seilbahnbetreiber und des Tourismus betroffen, die bestens mit den Entscheidungsträgern des Landes Tirol vernetzt sind.

Nun kann die Staatsanwaltschaft ermitteln.


Auszug aus der Strafanzeige

Unsere Recherchen zum Thema

 


Titelbild: Symbolfoto eines Reiseportals für Busreisen

2 Gedanken zu „Corona-Virus in Tirol: Werden Gerichtsverfahren eingeleitet?“

Schreibe einen Kommentar