„Ich bin hier die Öffentlichkeit!“ So antwortete ich auf die Frage der Richterin, warum ich im Saal 306 des Landesgerichts für Strafsachen auf der Zuhörerbank Platz nehmen wolle. Ich war nämlich der einzige Zuseher in einem Prozess, bei dem es vorderhand ums Medienrecht ging. Im Verlauf der rund einstündigen Verhandlung stellte sich aber heraus, dass bei einem Streitwert von 8.720 Euro die Hintergründe des Ibiza-Videos vor Gericht ausgeleuchtet werden könnten. Und in dieser einen Stunde schon wurden. Eine Gerichtsreportage von Sebastian Reinfeldt. Es gilt, wie immer, die Unschuldsvermutung.
Die Adresse des mutmaßlichen Ibiza-Detektivs ist derzeit unbekannt
Auf der Zeugenliste für die Verhandlung am Dienstag, den 18.Februar 2020, stand der Detektiv Julian H., der als einer der Drahtzieher des Ibiza-Videos gilt. Es gebe allerdings, so erläuterte die Richterin zu Beginn, in Österreich keine ladungsfähige Adresse dieses Mannes. Der andere Zeuge, Sascha W., der bereits öffentlich erklärte, die „Ibiza-Methode“ erfunden zu haben, sei in ärztlicher Behandlung und daher nicht verhandlungsfähig. Aber statt das Ganze schon nach wenigen Minuten zu vertagen, bat die Richterin den Klagenden Philip S. in den Zeugenstand.
Das Ibiza-Netzwerk: ein Wahrheitsbeweis
Philip S. und sein Anwalt wollen vom Verantwortlichen der Recherche-Plattform Fass ohne Boden eine Entschädigung gemäß §§ 6ff MedienG in der Höhe von 8.720 Euro plus Verfahrens- und Anwaltskosten erstreiten. Dieser hatte in einem Artikel behauptet, dass der nun klagende Philip S. „kriminell“ sei und zum „Ibiza-Netzwerk“ gehöre. Beides bestreitet Philip S. vehement und klagt daher. Nun möchte aber der Beklagte den Wahrheitsbeweis antreten und hat dafür aussagekräftige Dokumente vorgelegt. Also befragte die Richterin nicht ihn, sondern den Kläger.
Das Zauberwort: derselbe „modus operandi“
Dieser musste zugeben, dass er den Detektiv H. durchaus kenne. Und dann wurde es richtig schmutzig. Er hatte diesen nämlich im Zuge eines Sorgerechtsstreits gegen die Mutter seines Sohnes engagiert. Dabei wurden heimlich ein belastendes Video und Tonaufzeichnungen angefertigt, und zwar ganz nach der Ibiza-Methode. Vor dem Familiengericht wurde dann ein Transkript desselben vorgelegt. Der Mutter sei dabei eine Sex- und Drogenfalle gestellt worden, um zu beweisen, dass es für den gemeinsamen Sohn nicht gut sei, wenn er bei der Mutter leben würde. Das hat beim Gericht auch funktioniert, der Sohn lebe nun beim Vater. Von diesem Streit vor Gericht wissen wir, weil das Bundeskriminalamt in einem Anlassbericht vom 10. Dezember 2019 den Fall ausführlich darstellt und wie folgt bewertet:
Bei dem geschilderten hier zugrunde liegenden Sachverhalt, zeigt sich derselbe modus operandi wie jener, welcher bei der Causa „Ibiza Video“ vorliegt.
Im März wird es spannend
Um den angekündigten Wahrheitsbeweis weiter führen zu können, nennt der Anwalt der Recherche-Plattform eine Reihe von Personen als Zeugen, die die SOKO-Tape ermittelt hat. Sie werden dort als Beschuldigte oder als Zeugen geführt. Wenn auch nur einige von ihnen zur Aussage erscheinen und ihr Wissen zu Protokoll geben, werden wir einen interessanten Einblick in die Hintergründe des Ibiza-Videos bekommen. Und wahrscheinlich werde ich dann nicht mehr der einzige Medienvertreter im Saal sein. Der Termin: 24. März 2020, Saal 306. 9:30 Uhr.
P.S.: Gegen Ende wurde die Verhandlung ein wenig emotionaler geführt. Der Anwalt des Klägers Philip S. meinte dabei, nur rechte Medien würden sich für die Personen hinter dem Ibiza-Video interessieren. Das ist schlicht falsch. Q.e.d.
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