Das Wahlergebnis der Europawahl in Österreich zeigt, dass rund ein Drittel der Menschen die türkise ÖVP unter Sebastian Kurz unterstützt. Hinter der zweitgereihten SPÖ hält sich die rechtsextreme FPÖ mit rund 17 Prozent. An vierte Stelle wurden die Grünen gesetzt. 14 Prozent sind sehr deutlich. Andere reale politische Alternativen bestehen nicht. Eine Schlußfolgerung aus dem Europawahl-Ergebnis scheint unumgänglich: Das Sektierertum auf Seiten der österreichischen Linken muss ein Ende haben, findet Sebastian Reinfeldt. Erste, unvollständige Gedanken zum Wahlergebnis in Österreich.
Die neuen Kräfteverhältnisse in der Linken
2014 hat eine Allianz aus KPÖ, Piraten, dem Wandel und vielen Unorganisierten als Europa Anders mehr Stimmen erreicht, als KPÖ und Johannes Voggenhuber bei dieser Wahl zusammen. Während sich auf Seiten der Kommunistinnen und Kommunisten wahrscheinlich nichts ändern wird, und sie es weiterhin als Erfolg bewerten, überhaupt am Stimmzettel aufzuscheinen, bedeutet das Voggenhuber-Ergebnis das Ende von JETZT. [Anmerkung SR: Diese Aussage ist vielleicht zu hart formuliert. Doch braucht es sicherlich einige grundlegende Änderungen, siehe unten] Der vernünftige Teil wird in den Grünen aufgehen und hoffentlich Ressourcen für einen ordentlichen Nationalratswahlkampf mitbringen. Die Wählerinnen und Wähler haben damit den quälenden Prozess der grünen Vergangenheitsbewältigung beendet. Der Wandel kandidierte übrigens in Deutschland als Diem25 mit dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yannis Varoufakis an der Spitze. Das Ergebnis: 0,3 Prozent.
Wahlergebnisse sind keine ideologische Zustimmung
Es ist ein typisches Missverständnis politischer Parteien, nach den Wahlen die Wahlergebnisse parteipolitisch zu lesen und zu bewerten. Bei der Zustimmung zu den Grünen handelt es sich zwar eindeutig um eine Willenskundgabe. Aber nicht für die Partei an sich, sondern dafür, den Klimawandel politisch ernst zu nehmen. Das ist insgesamt auch nicht als Zustimmung zur Person Werner Kogler oder zum Europwahl-Programm zu lesen. Die Stimme der Grünen soll aber im Parlament vertreten sein. Die Grünen sind bei der Neuwahl im Herbst 2019 noch nicht sicher drin. Wer traut sich bis dahin zu, die politische Großwetterlage vorher zu sagen? Dass es angesichts eines möglichen Durchmarsches der türkisen ÖVP unter Kurz aber sinnvoll ist, eine möglichst starke Oppositionspartei jenseits der SPÖ im Parlament zu haben, steht für mich außer Frage.
Weg vom Konzept linker Medienparteien
Die Idee von JETZT und der früheren Grünen war es, basierend auf medialen Figuren und schönen Bildern gute Wahlergebnisse zu generieren. Dieser Zugang zur Politik ist deshalb gescheitert, weil er vom Ansatz her reale Mitwirkungsmöglichkeiten für politisch Interessierte ausschließt. Das Ergebnis dessen war ja ein von Außen undurchschaubares Geflecht von Honoratioren (und wenigen Honoratiorinnen), die irgendwie Entscheidungen getroffen haben. Eine progressive Praxis muss aber die aktive Teilhabe Vieler am politischen Geschehen ermöglichen. Das schließt die lokale Ebene mit ein, muss aber über diese hinaus gehen. Denn die Gestaltungsmöglichkeiten dort sind begrenzt.
Rechtspopulismus rules
Die Europawahl fand in Österreich wenige Tage nach dem Skandal um das Ibiza-Video mit führenden FPÖ-Politikern statt, in dem diese im Sommer 2017 bereit waren, den Staat und die Medien an Meistbietende zu verscherbeln. Der politische Block aus türkiser ÖVP und FPÖ ist vorläufig gesprengt. Die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung zu dem politischem Projekt allerdings nicht. Auch das zeigt das Wahlergebnis: Rechtspopulismus rules weiterhin. Zusammengefasst baut er einen Verteidigungsstaat auf, der sich gegen Veränderungen von Innen (bedingt durch den Klimawandel und die unumgänglichen Konsequenzen) und von Außen (Migration) wappnet. Die Eliten wollen weiter machen, wie bisher. „Ihr“ Lebensstil soll im wesentlichen unverändert bleiben. Und eine Mehrheit aus Arbeitenden und Bürgertum unterstützt sie bislang dabei, denn sie interpretieren diesen als „ihren“ Lebensstil: Es geht demnach um „unser“ Schnitzel, „unsere“ Pommes, „unsere“ Autos. Es geht um „unseren“ Wohlstand, der infrage steht.
Ein politisches Denken out of the box
Von daher ist eine Abwahl der Regierungspartei ÖVP im September 2019 eher unwahrscheinlich. Vernünftige progressive Politik muss daher in der Lage sein, zwei Dinge zugleich zu tun: Zum einen ein politisches Terrain abzusichern, um politisch handlungsfähig zu bleiben. Indes: Dass eine mögliche Opposition den Regierenden nur mit kritischer Kritik hinterher läuft, ist zu wenig. So entsteht keine politische Strahlkraft. Daher ist es wesentlich, dass rund um die kommenden zentralen Themen (Klimawandel, soziale Fragen wie leistbares Wohnen, Kampf gegen Korruption) eine Zusammenarbeit „out of the box“ entsteht. Dafür sind vielfältige Formen denkbar: Von Diskussionsforen über punktuelle Kooperationen bis hin zu Wahlplattformen. Sicher ist nur eins: Politisches Sektierertum ist am Ende. Und sind wir uns ehrlich: Das ist gut so.