„Zwei Kulturen. Eine Freundschaft.“ So lautet der Slogan der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft. Auf ihrer Homepage finden sich bunte Berichte über ihre Veranstaltungen und Aktivitäten. Digitalisierungs- und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP, früher A1) hat bei einem Jour Fixe vorbeigeschaut. Die ÖBB wurde besucht. Und es gab einen offenbar lustigen russischen Kochabend im Haubenlokal Lukullus im dritten Wiener Bezirk. Ein bisschen Folklore, etwas Business. So scheint es. Ein Blick hinter die Kulissen verrät allerdings, dass es um knallharte Interessenpolitik. um neurechte Russophilie, aber besonders um das große (und weniger große) Geschäft geht: Politisch gefordert wird die Aufhebung der Sanktionen wegen der Krim-Besetzung Russlands. Getragen wird diese Politik der Legalisierung einer völkerrechtswidrigen Annektion von einem Bündnis, das sehr weit rechts anfängt und über die Wirtschaftskammer bis zu den „Putin-Verstehern“ in der SPÖ reicht. Mittendrin die große Industrie von OMV bis zu STRABAG, das ehemalige Umfeld des ÖVP-Lobbyisten Ernst Strasser sowie einige Spender für die Wahlkampagne von Sebastian Kurz. Eine Recherche im neuen, alten Österreich von Sebastian Reinfeldt. Dieser erste Teil handelt vom rechtsextremen Einfluss auf die Freundschaftsgesellschaft. Er wird freundschaftlich unterstützt von Politikern der ÖVP, der FPÖ und der SPÖ.
Netzwerke der Macht
Die Liste der Präsidiums- und Vorstandesmitglieder der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft ist lang. Sehr lang. Sie umfasst 20 Präsidiums- und 44 Vorstandsmitglieder. Fraglich ist, ob diese jemals gemeinsam getagt haben. So viele Top-ManagerInnen und PolitikerInnen werden kaum einen Termin finden, an dem alle können. Es geht offenbar gar nicht darum, Veranstaltungen wirklich gemeinsam zu besprechen und zu planen. Vielmehr wird hier ganz bewusst ein Netzwerk aus Politik und Wirtschaft geknüpft und voller Stolz sichtbar gemacht. Ein Netzwerk, das Stärke und Einfluss darstellen soll. Seit Jahrzehnten gehören die Putin-Freunde der FPÖ in wechselnder Besetzung zu diesem illustren Kreis.
Auf den Veranstaltungsfotos grinsen der Abgeordnete Johann Gudenus und Obmann HC Strache, aber auch der Ex-Abgeordnete Johannes Hübner, FPÖ-Volksanwalt Peter Fichtenbauer, Roman Haider und die wirtschaftsfreundliche (noch) FPÖ-Europaabgeordnete Barbara Kappel. Die Genannten haben auch im Präsidium und Vorstand der Gesellschaft Sitz und Stimme.
Hin zu Russland: Der Wirtschaft wegen
Barbara Kappel gilt als eine treibende Kraft hinter dem FPÖ-Vertrag mit Putins Partei Einiges Russland. Seit 2006 organisiert sie Podiumsdiskussionen mit russischen und österreichischen Politikern, berichtet der Standard. „Eine Schlüsselrolle spielten ein russischer Journalist und ein georgischer Geschäftsmann, der über eine Holding geschäftlich mit der Firma von Kappel verbunden war.“ Im Europaparlament kam Kappel in der FPÖ allerdings ins Gerede, weil ihre Haltung zu TTIP unklar blieb. Auch ist sie nicht wie Gudenus und Hübner auf die Krim gereist, um als „Wahlbeobachterin“ oder internationales Dekor beim Jalta-Wirtschaftsforum herzuhalten. Vielleicht auch deswegen wird sie dem kommenden EU-Parlament nicht mehr angehören. Bei ihrer Haltung zu den Sanktionen gegen Russland liegt die Wirtschaftsliberale allerdings auf Linie. Auf der FPÖ-Homepage forderte sie im Juni 2016 die Aufhebung der Sanktionen.
[Dies] wäre ein Zeichen verantwortungsvoller – und nicht abgehobener – Politik im Sinne der Bürger Europas und könnte in wirtschaftspolitischer Hinsicht dazu beitragen, den durch den Brexit zu erwartenden Rückgang des Wirtschaftswachstums zu kompensieren, Investitionen anzukurbeln und somit Beschäftigung zu schaffen.“
Wenige Monate später wurde der Freundschaftsvertrag der FPÖ mit Putins Partei in Moskau unterzeichnet.
Das FPÖ-nahe Institut für Sicherheitspolitik
In der Vorstandsliste der Freundschaftsgesellschaft findet sich auch der Name Markus Tschank. Tschank ist FPÖ-Nationalratsabgeordneter. In der Freundschaftsgesellschaft firmiert er als Präsident des Instituts für Sicherheitspolitik. Dieses erhält seit 2017 vom Verteidigungsministerium 200.000 Euro jährlich für die „Erstellung von Studien und Policy-Papieren, die Bereitstellung von Hintergrundinformationen in Form von Exposés, die Durchführung sicherheitspolitischer Beratungsgespräche und Experten-Workshops sowie die Bereitstellung von Experten als Vortragende bei Veranstaltungen des BMLV.“ So FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Das Institut hat zur Bewältigung dieser – am Papier – umfangreichen Aufgaben einen einzigen Mitarbeiter und ist in den Räumlichkeiten der Anwaltskanzlei des FPÖ-Abgeordneten untergebracht. Eigene Telefonnummer hat das Institut – trotz 200.000 Euro Förderung – keine.
Eine rot-blaue Verbindung ins Burgendland
All dies ist bekannt, aber kein wirklicher politischer Skandal geworden. Der mögliche Grund: Den mit 200.000 Euro jährlich dotierten Auftrag hat Tschanks Institut vom damaligen Verteidigungsminister Peter Doskozil (SPÖ) erhalten. Über die rot-blaue Burgenland-Connection. Diese zeigt sich auch in den sonstigen wirtschaftlichen Aktivitäten des Russland-freundlichen freiheitlichen Abgeordneten. So wurde er 2016 in den Aufsichtsrat der burgendländischen BELIG – Beteiligungs- und Liegenschafts GmbH berufen. Diese serviciert und betreut hochwertige Immobilien und Liegenschaften für das Bundesland. Laut Parlamentshomepage erhält er dafür übrigens keine Aufwendungen. Als Geschäftsführer und Gesellschafter dreier weiterer Unternehmen allerdings schon. Darunter eine Gesellschaft im hundertprozentigen Eigentum der Gemeinde Wiener Neustadt. Dort wiederum regiert eine informelle Koalition aus ÖVP, lokalen Listen und FPÖ – unter Beteiligung der Grünen, da sie dem Hauhalt zugestimmt haben.
Alexander Rahr: „Deutschland ist Israel verfallen.“
Das FPÖ-nahe Institut für Sicherheitspolitik organisiert auch Veranstaltungen für die Freundschaftsgesellschaft. So etwa einen Vortrag mit Alexander Rahr im Februar 2019. Dieser sei, so heißt es, „Unternehmensberater in der Energiewirtschaft“. In Wirklichkeit lobbyiert er in Brüssel für den russischen Energieriesen Gazprom. Politisch ist er ein extrem rechter Wirrkopf. In den Räumen der Freundschaftsgesellschaft las er aus seinem Roman 2054 – Putin decodiert. Zitat:
Ich wollte mit dem Buch eine objektive Darstellung durch meine eigene Subjektivität erreichen. Ich habe meine eigenen Erfahrungen, meinen eigenen Schmerz in die Geschichte einfließen lassen
Im Mai 2012 klang Rahr noch anders, nämlich politisch schmerzbefreiter. Damals erschien ein Interview mit ihm in der russischen Zeitung Komsomolskaja Prawda. Einige Zitate daraus, laut Wikipedia:
Die Amerikaner haben den Deutschen das Hirn amputiert.
Die Deutschen sind der moralischen Stärke Israels verfallen, weil man ihnen den Holocaust ständig unter die Nase reibt.
Der Westen verhält sich wie die Sowjetunion.
Von Spiegel Online auf die Aussagen dieses Interviews angesprochen, verteidigte Rahr Putins autoritäre Herrschaft. Sie sei, „authentischer“ als das demokratische Chaos unter Boris Jelzin. Später behauptete Rahr dann, die russische Zeitung habe ihn falsch wiedergegeben. In der deutschen Die Zeit wird allerdings auf ein Video der Komsomolskaja Prawda mit Rahr erwiesen, in dem genau diese Zitate gefallen sind.
Der „Leiter der Außerordentlichen Kommission zur Unterstützung von Neurussland“
Ein eifriger Besucher der Veranstaltungen der Freundschaftsgesellschaft ist auch Patrick Poppel. Er trägt aktuell den illustren Berufstitel „Leiter der Außerordentlichen Kommission zur Unterstützung von Neurussland„. Mit „Noworossija“ bezeichneten die russischen Seperatisten die von ihnen 2014 begründete Kurzzeit-Union zwischen den besetzten Regionen Donezk und Luhansk in der Ukraine. Sie dauerte bis 2015.
„Russland hat genau das getan, was Dugin zuvor gesagt hatte“
Verliehen bekommen hat Poppel diesen obskuren Titel vom rechtsextrem ausgerichteten Suworow-Institut. Zuvor war er nämlich dessen Generalsekretär – mit besten Kontakten zur FPÖ. Sein Nachfolger ist übrigens Alexander Markovics, Gründer der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich. Das Suworow-Institut wurde in der Ukraine-Krise gegründet, um nach Eigendefinition „den russisch-österreichischen Dialog zu fördern.“ Das tut Poppel offenbar auch auf Veranstaltungen der Österreichisch Russischen Freundschaftsgesellschaft. Und in einem Interview mit der Wiener Zeitung im Januar 2018. Es wurde geführt, kurz bevor der prominente russische Neofaschist Alexander Dugin in Wien referierte. Darin betont Poppel die Rolle Dugins für die russische Politik:
Beobachten Sie Dugins Aussagen, lesen Sie seine Artikel, und dann sehen Sie sich an, wie Russland gehandelt hat. Und sie werden sehen, dass Russland genau das getan hat, was Dugin zuvor gesagt hatte. Sowohl in Syrien als auch beim Iran und in der Ukraine-Krise.
Identitären-Chef: „Dugin darf nach Wien kommen“
Im Januar 2018 kam Alexander Dugin persönlich nach Wien. Poppel und Markovics können sich rühmen, den russischen Rassentheoretiker mit Einfluss auf Putin nach Wien gelotst zu haben. „Er darf“ nach Wien kommen, verkündete ausgerechnet Markovics stolz im Januar 2018 auf Twitter. Wie er ins Land gekommen ist, bleibt allerdings unklar. Außenministerin Kneissl zufolge habe er jedenfalls von österreichischen Behörden kein Visum erhalten. Die außenpolitischen Vorstellungen Dugins werden von ihm rassentheoretisch fundiert. In seiner Hyperboräischen Theorie aus den 1990er Jahren formulierte Dugin:
Da, wo es wenigstens einen Tropfen arischen Blutes […] gibt“, existiere „die Chance für ein rassisches Erwachen, für eine ‚Wiederauferstehung des arischen primordialen Bewusstseins‘.“
Diese arische Rasse realisiere sich letztlich aber nicht durch das Blut, so Dugin. Stattdessen sieht er eine Art metaphysische rassische Mission am Werke. Das Streben nach Expansion liege den Russen förmlich im Blut, so könnte man diese Theorie salopp zusammen fassen. In den Worten Patrick Poppels:
Russland ist eben auch auf der ideologischen Grundlage eines Alexander Dugin die Eurasische Wirtschaftsunion und auch weitere politische Bündnisse eingegangen.
Diese Art der Argumentation klingt absurd. Doch macht sie sich immer dann anschlussfähig an das politische Establishment, wenn dabei die antiamerikanische Karte gezogen wird. Etwa durch Formulierungen wie diese:
Amerika ist kein Schutz, Amerika ist eine globale Bedrohung.
Und vor dieser Bedrohung schütze eben ein starkes und mächtiges Russland am besten.
Ausblick: Aus Liebe zur Macht: Was mit dem Netzwerk von Ernst Strasser geschah…
Natürlich ist die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft keine neurechte Vereinigung. Offensichtlich hat sie aber wenig ideologische Hemmungen, wenn es darum geht, geopolitische Avancen zu begründen und geschäftliche Netzwerke zu behübschen. Im dritten Teil dieser Recherche widmen wir uns daher einem geschäftlichen ÖVP-Netzwerk, das sich in der Freundschaftsgesellschaft trifft. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der SPÖ und dem neuen Aufsichtsratsmitglied der russischen Staatsbahnen, Christian Kern.
Im vierten Teil der Recherche geht es um die Agentur zur Modernisierung der Ukraine.
7 Gedanken zu „In bester russischer Gesellschaft. Aus Liebe zur Macht (Teil 1)“