Was Frauen im Alltag passiert, kommt natürlich auch im Parlament vor: frauenverachtende oder sexistische Aussagen. Manchmal auch vom Rednerpult aus. Im Unterschied zu den alltäglichen Untergriffen werden die im Parlament zumeist medial verbreitet.
Weniger öffentlich kommt allerdings der politische Alltag daher. Wie geht es einer Politikerin im politischen Tagesgeschäft? Was unterscheidet eine Frau von einem Mann in der Politik? Wir haben mit Daniela Holzinger gesprochen, Abgeordnete von JETZT.
„Männer markieren gerne das Alphatier“
Semiosis: Ein Aufreger der letzten Zeit, wobei eine Frau aufgrund ihres Geschlechts herabgewürdigt worden ist, kam vom FPÖ-Generalsekretär Hafenecker. Er hatte bei der Antrittsrede von Beate Meinl-Reisinger von den NEOS „Dies ist keine Jungfrau“ ins Plenum gerufen. Wie siehst du solche Zwischenrufe?
Ich will Kollegen Hafenecker nicht unterstellen seinen Zwischenruf vorbereitet oder dabei auch nur irgendwie nachgedacht zu haben. Das ist ihm in der Hitze des Gefechts herausgerutscht. Vom Reptiliengehirn, ohne Umweg, direkt ins Plenum des Österreichischen Nationalrates. Dennoch zielte die Äußerung darauf ab, eine Frau aufgrund ihres Geschlechts bloß zu stellen und herabzuwürdigen. Das hat in einer modernen aufgeklärten Gesellschaft nichts verloren – und wer immer sich solcher Methoden bedient, ebenfalls nicht!
Im Jahr 2019 darf es kein Kavaliersdelikt mehr sein, wenn Männer glauben, Frauen aufgrund ihrer Sexualität beurteilen zu können. Genau mit diesem Motiv aber spielte Hafenecker ganz bewusst.
Semiosis: Was ist der Unterschied zwischen „als Mann“ und „als Frau“ in der Politik?
Die Spitzenpolitik ist ein hartes Feld. Da kann es sich niemand leisten von Gefühlen und Hormonen getrieben herumzuwandeln. Nicht einmal die Männer – ja nicht einmal Herr Hafenecker, wie ich eingangs versucht habe darzustellen. Aber ganz im Ernst, wenn ich mir unterschiedliche SpitzenpolitikerInnen ansehe – auch international – glaube ich nicht, dass sich im konkreten politischen Output ein Geschlechterspezifikum feststellen lässt. Es ist vielleicht die Art und Weise wie man miteinander umgeht – auch mit den MitarbeiterInnen. Hier stelle ich bei vielen Frauen fest, dass gegenseitige Wertschätzung ein wichtiger Aspekt ist – während Männer gerne das Alphatier markieren und auch vor destruktiven Rangkämpfen nicht zurückschrecken. Aber auch diese Einschätzung ist sehr subjektiv und wird bei weitem nicht allen gerecht.
„Politik ist männlich dominiert – tendenziell geht es aber in eine richtige Richtung“
Kann Frau-Sein in der Politik schützen??
Es gibt sicher einige, bei denen die „Feminismus-Keule“ zum Standardrepertoire gehört. Mein Stil ist das nicht. Werden Frauen und Mädchen aber aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, werden ihnen Lebenschancen verwehrt oder wird versucht sie zu bevormunden dann darf keine Scheu bestehen, die Dinge auch beim Namen zu nennen.
Ist Politik immer noch männlich dominiert?
Ja. Die Politik ist immer noch männlich dominiert und wenn es um die Verteilung aussichtsreicher Listenplätze geht, bildet sich dieses tradierte Machtgefüge natürlich auch ab. Tendenziell geht es hier aber in die richtige Richtung. Mit knapp 35% ist der Frauenanteil aktuell so hoch wie noch nie.
Warum gibt es mehr linke als rechte Politikerinnen?
Die Befreiung der Frau aus ihren konservativen Fesseln bei Herd und Kind, ist ein wesentliches Ziel linker Politik und findet seinen Niederschlag in einer Reihe hart erkämpfter Rechte, die heute niemand mehr missen möchte. In der angestrebten Geschlechterparität auf Wahllisten und in Mandaten drückt sich das dann auch im Parlament aus. Wer jedoch glaubt, dass der Kampf um Gleichberechtigung daher zumindest innerhalb der Linken bereits gewonnen wäre, der irrt leider.
Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Politik und Familie für eine Frau aus?
Kommt darauf an. So gibt es etwa keinerlei Karenzregelungen für Politikerinnen. Wenn man aber das Ziel hat, noch mehr Frauen und v.a. auch junge Frauen für Politik zu begeistern, dann wird man sich mit diesen Dingen auseinandersetzen müssen.
Glücklich ist da, wer einen Mann hat der sozusagen den Rollentausch mitmacht und die Hauptlast der Kinderbetreuung übernimmt – hierfür gibt es ja aktuell einige löbliche Beispiele im Parlament. Dennoch kann es beim Ziel der Gleichberechtigung nicht darum gehen neue Nachteile zu schaffen oder alte abzutauschen. Vielmehr geht es darum Regeln zu schaffen, die Männern und Frauen, entsprechend ihrer Bedürfnisse gleiche Chancen eröffnen.
„Frauen haben immer noch mehr Selbstzweifel als Männer“
Du kommst vom „Land“, aus Oberösterreich. Welche Erfahrungen machen „Frauen in der Politik“ dort?
Auch in der (ländlichen) Kommunalpolitik ist ein positiver Trend zu beobachten, wenngleich tradierte Muster und Rollenbilder hier noch etwas stärker ausgeprägt sind als in der Stadt. Aber es wird und ich kann auf diesem Wege nur alle Frauen ermutigen, sich den Schritt in die Politik zuzutrauen.
Wie tust du das, das Ermutigen?
Wenn ich Menschen als KandidatInnen angeworben habe, dann ist mir vor allem bei Frauen aufgefallen, dass oft große Selbstzweifel vorhanden sind. Meist absolut unbegründet. Männer tun sich da leichter ins kalte Wasser zu springen und sie sind dann auch oft erfolgreich, denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Ich habe aber auch kein Rezept wie man hier den Schalter pauschal umlegen könnte – Frauen sind einfach vorsichtiger. Das ist in vielen Bereichen dann auch wieder ein Vorteil und gerade deshalb wären sie auch in der Politik so wichtig!
Ermutigt eine Quote? Brauchen wir sie?
Ich bin keine Quotenfreundin, würde diese Frage aber aktuell mit Ja beantworten. Die Quote muss so etwas wie die Trägerrakete des sozialen Wandels sein. Sobald wir 50/50 im Parlament, in Vorständen usw. erreicht haben, wird sich die Geschlechterverteilung von selbst stabilisieren und eine Quote nicht mehr nötig sein.
Das ist ähnlich wie beim Radfahren. Beim Anfänger sind Stützräder dringend nötig. Nach etwas Übung können die aber runter.
Warum bekommt man den Eindruck, dass sich eine Frau in der Politik mehr beweisen muss als ein Mann?
Frauen zeichnen sich signifikant öfter durch Selbstzweifel aus. Obwohl meist hochgebildet, hochintelligent und talentiert, trauen sie sich oft ganz wenig zu. Männer sehen das grundsätzlich anders, sie können alles und das oft schon seit der Geburt (lacht). Frauen haben daher sicher einen gewissen Startnachteil. Dass sie gut im Job sind müssen sie aber in erster Linie sich selbst beweisen und dann kommt auch das Selbstbewusstsein, dass es braucht um erfolgreich zu sein. Egal wo!
Gibt es – deiner Ansicht nach – einen grundlegenden Geschlechterunterschied in der Politik?
Wie schon erwähnt glaube ich nicht, dass es im politischen Output einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt. So wissen wir etwa seit Margaret Thatcher, dass Frauen in puncto kaltherziger Sozialpolitik oder beinharte Kriegsführung, den Männern um nichts nachstehen – auch wenn ich das nicht immer für keine großartige Auszeichnung halte.