„Von einer Medienzensur nehmen wir jedoch Abstand“

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By Klemens Herzog

Was haben ein FPÖ-Vizekanzler, eine SPÖ-Stadträtin, ein ÖVP-Bezirksvorsteher und die Vorsitzende eines bedeutenden Wiener Tierschutzvereins gemeinsam? Trotz unterschiedlichster Couleur stehen sie dem rechtsextremen Monatsmagazin alles roger? Rede und Antwort. Von einem wenig beachteten Tabubruch berichtet Klemens Herzog.


Wer schon immer wissen wollte, von wem die Pyramiden wirklich gebaut wurden, wer die Österreicher mit Chemtrails und Impfstoffen vergiftet – und ob hinter all dem George Soros, die Rothschilds oder doch die Flüchtlinge stecken, sollte einen Blick in das Monatsmagazin alles roger? wagen.

Nach Einschätzungen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes übernimmt alles roger? „verschwörungstheoretische Positionen, wie sie aus rechtsextremen Kreisen bekannt sind“. Das Mauthausenkommitee attestiert der Publikation „antisemitische Tendenzen“.

FPÖ-Minister schalten Inserate

Dennoch flossen im Mai 2018 erstmalig Steuergelder in Form von Inseraten von gleich zwei blau geführten Ministerien. Dass das selbsternannte „Querformat für Querdenker“ in beträchtlichem Ausmaß von der FPÖ gefördert wird, mag nicht überraschen. Umso überraschender ist es, dass in der aktuellsten Ausgabe mit Ulli Sima, Madeleine Petrovic und Markus Figl sich auch Personen und PolitikerInnen für ein Interview mit alles roger? hergeben, denen man das nicht zugetraut hätte. Sie begehen damit eine gefährliche Grenzüberschreitung.

Antisemitismus gesponsert vom Innenministerium
Ausschnitte aus alles roger? im Mai 2018.

Fragwürdige Distanzierungen

Im Doppelinterview mit FPÖ-Politiker – und langjährigem Organisator des Wiener Akademikerballs – Udo Guggenbichler bezieht Madeleine Petrovic Stellung gegen Tierschutzstadträtin Ulli Sima und die von ihr vorangetriebene Novelle der Wiener Tierhalteverordnung. Während Guggenbichler der SP-Stadträtin „populistische Hetze“ vorwirft, kritisiert Petrovic Simas angeblichen Beitrag „zu einer Polarisierung der Gesellschaft“.

Ulli Sima: „Ich liebe Hunde“.
Sima: „Ich liebe Hunde“. Stadträtin Sima setzt den gezielten Fehlinformationen klare Fakten entgegen.

Jemandem Hetze und Polarisierung vorzuwerfen, während man gleichzeitig einem der reichweitenstärksten Medien im rechtsextremen Spektrum ein Interview gibt, ist zumindest waghalsig. Ulli Sima legt in einem gesonderten Interview ihre Positionen vor. Aus dem Büro Simas wird das wie folgt begründet:

Obwohl wir die inhaltliche Ausrichtung des von Ihnen genannten Mediums aufs Schärfste ablehnen, haben wir dennoch entschieden, dessen Fragen zur Novelle schriftlich zu beantworten, um den gezielten Fehlinformationen zum so wichtigen Tierhaltegesetz klare Fakten entgegenzusetzen.

Ähnlich die Begründung aus dem Büro des Wiener Tierschutzvereins. Wie auch schon Petrovic selbst im Interview sagt („Es geht hier nicht um politische Befindlichkeiten, sondern um das Wohl der Tiere“), heißt es auch hier:

Das Magazin ist in der Sache „Neues Tierhaltegesetz in Wien“ an uns herangetreten und hat um ein Interview mit der Präsidentin gebeten. Dem sind wir auch nachgekommen. Denn es geht hier weder um politische Einstellungen, Verschwörungstheorien oder sonstige Ansichten, sondern um Tierschutz bzw. Tierquälerei und die Diskriminierung bestimmter Hunderassen. Um die Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren, sehen wir es als unsere Pflicht, über jeden Kanal Aufklärung zu bieten.

Sima, respektive ihre Pressestelle, lassen sich auf Anfrage zumindest eine Distanzierung von der inhaltlichen Positionierung von alles roger? abringen. Eine Sache, die dem Pressesprecher des Wiener Tierschutzvereins nicht ganz so leicht fällt. Hier heißt es:

Ob wir den generellen Kurs des Mediums gut heißen, ist ein anderes Thema. Von einer Medienzensur nehmen wir jedoch Abstand.

Und weiter:

Appelle zur Ächtung nicht verbotener Medien sind nicht in unserem Sinne.

Gibt es „unpolitische“ Öffentlichkeitsarbeit?

Mit solchen Begründungen ließe sich freilich die Zusammenarbeit mit jedem noch so obskurem und hetzerischem Medium begründen. Schließlich ginge es doch allein um die Inhalte und Fakten, die man dadurch unter die LeserInnenschaft bringen könne. Was ansonsten in einem Medium publiziert wird, spielt demnach keine Rolle. Ein gefährlicher Trugschluss: Denn mit diesem Zugang trägt man, ob gewollt oder ungewollt, zur weiteren Normalisierung rechtsextremer Medien bei. Die gesellschaftliche Legitimation und Integrität, welche die Personen aus dem nicht-rechtsextremen Spektrum an sich haften haben, strahlen auf die gesamte Publikation ab. Somit werden krude Verschwörungstheorien, antisemitische und rassistische Welterklärungsmuster weiter salonfähig gemacht.

Axel Klitzke: Geheime Zahlencodes sollen beweisen, dass die Pyramiden von Gizeh nicht von Menschen gebaut wurden
Neben Sima, Petrovic und Figl ebenfalls im aktuellen Heft vertreten: Der deutsche „Pyramidenforscher“ Axel Klitzke. Geheime Zahlencodes sollen beweisen, dass die Pyramiden von Gizeh nicht von Menschen gebaut wurden. Auch mit dem Klimawandel habe der Mensch nichts zu tun.

Für alles roger? sind Personen wie Sima, Petrovic oder Figl somit ein wahrer Glücksfall.  Das wird auch in der redaktionellen Einleitung des Sima-Interviews deutlich. Dort heißt es:

Die SPÖ Stadträtin Ulli Sima war mit ihrer umstrittenen Gesetzesnovelle in Bezug auf Hunde und Hundehalter in aller Munde. alles roger? stand sie Rede und Antwort und das zeichnet die Politikerin besonders aus. Obwohl SPÖ-Mitglied, kommuniziert Sima mit uns, was zeigt, dass die Stadträtin Anstand sowie Rückgrat hat und weiß, was Medienfreiheit wirklich bedeutet.

Angesichts dieser Beispiele – und der allgemeinen politischen Lage – sollten wir uns die Frage stellen: Was bedeutet es Anstand und Rückgrat zu haben? Rechtsextreme Medien zu unterstützen, gehört meiner Ansicht nach auf keinen Fall dazu, denn deren Inhalte sind eh schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch schlussendlich muss jedeR PolitikerIn und jede Organisation selber wissen, ob sie sich neben rassistischen Hasstiraden, Soros-Verschwörungsgeschichten und Impfgegnern präsentieren will.


Info: Aus dem Büro Markus Figls ist bisher keine Stellungnahme eingetroffen. Sollte dies noch erfolgen, wird dies gerne ergänzt.

Weiterführende Texte:
Weltverschwörungswahn, powered by BMI
alles roger? – Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und Rassismus verpackt als leichte Lektüre ()

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