Wird Gusenbauer zum Totengräber der SPÖ?

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By Sebastian Reinfeldt

Die Anklageschrift des US-Sonderermittlers Robert Mueller gegen den früheren Trump-Wahlkampfmanager Paul Manafort liest sich passagenweise wie ein Politkrimi. Diesem werden nämlich neben Bank- und Steuerbetrug „Verschwörung gegen die USA“ vorgeworfen. Dabei soll er unter anderem Millionen Dollar eingesetzt haben, um im Auftrag der vorherigen pro-russischen Regierung der Ukraine für diese zu lobbyieren. In den USA, aber auch in Europa.

Hinter den Kulissen habe, so der Bericht, eine Gruppe die Fäden gezogen, die mit deutlich historischer Anspielung „Hapsburg group“ genannt wird. Mit dabei ein früherer „Kanzler“ aus der Region des ehemaligen Habsburger Reichs. Mittlerweile verdichten sich die Informationen, dass dies der frühere österreichische Kanzler und Sozialdemokrat Alfred Gusenbauer ist. Sebastian Reinfeldt fasst  die Recherchen über die Aktivitäten Gusenbauers zusammen. Die Anklageschrift gegen Manafort kann bei Semiosis heruntergeladen werden. Die entsprechende Passage findet sich auf Seite 22. [Am 26.2. aktualisierte Version unseres Beitrags]


Der Kontext: Die US-Ermittlungen gegen Paul Manafort

Der stellvertretende US-Justizminister Rod Rosenstein hat mit Robert Mueller einen hochkarätigen Sonderermittler eingesetzt. Der ehemalige FBI-Chef ermittelt seit Mai 2017 über die Verbindungen des Wahlkampfteams von Donald Trump mit und zu Russland. Nachdem sich der früherer Trump-Berater Rick Gates schuldig bekannt hat und mit dem Sonderermittler kooperiert, kommen immer mehr belastende Details ans Licht. Diese haben nun in eine umfangreiche Anklageschrift Eingang gefunden, in der 32 Anklagepunkte gegen Paul Manafort aufgelistet werden. Manafort war Wahlkampfmanager von Trump und ist ein weltweit tätiger Lobbyist und Politikberater.

Die Spur zur „Hapsburg Group“

In der Anklageschrift werden die Ergebnisse der Recherchen der Lobbying-Aktivitäten von Manafort dargestellt. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die vor seiner Zeit als Wahlkampfberater Trumps passierten. Er war im Namen und im Interesse eines fremden Landes aktiv, in diesem Fall der pro-russischen Regierung Janukowitsch der Ukraine. Dazu hat er ein Netzwerk geknüpft, in dem bekannte europäische Politiker mitwirken.

Das Lobbying für die frühere Regierung der Ukraine hat sich durchaus ausgezahlt. Mehr als 2 Millionen Euro wurde den VIP-Politikern über getarnte Firmen bezahlt, damit sie unter dem Segel der Unabhängigkeit die Interessen der Regierung wahrnahmen. Soweit also die Anklageschrift des US-Sonderermittlers.

Die Spur zu Gusenbauer

Der Name Alfred Gusenbauer fällt in dem genannten Bericht nicht. Doch dafür wird die Zusammensetzung und Arbeitsweise der Gruppe genauer erklärt. Es handelte sich um eine Gruppe „hochrangiger“ und „sehr einflussreicher Champions und politisch glaubwürdiger Freunde“, so wird aus einem „Eyes only„-Papier zitiert. Die Gruppe wird von einem „früheren europäischen Kanzler gemanagt, in Zusammenarbeit mit Manafort.

"Chancellor"
Hapsburg Group

Wer genau mit der Bezeichnung „chancellor“ gemeint ist, bleibt natürlich offen. Als Bezeichnung für einen Regierungschef findet der Ausdruck in Europa nur in Deutschland und Österreich Verwendung. Der Blog „Politico“ nennt Gusenbauer in diesem Zusammenhang ausdrücklich; der deutsche Ex-Kanzler Schröder ist im Sinne der Ukraine nie in Erscheinung getreten. Er hat sich an Putin verkauft. Gusenbauer hingegen war in den USA in Sachen Ukraine unterwegs:

Gusenbauer and two lobbyists involved in Manafort’s lobbying campaign met with members of Congress and staffers in 2013, according to Justice Department disclosures retroactively filed last year by the lobbying firm Mercury.

Laut einer FARA-Meldung des US-Lobbyingunternehmens Mercury Public Affairs (Seite 7) traf der österreichische Ex-Kanzler im Juni 2013 drei US-Abgeordnete, parlamentarische Mitarbeiter sowie einen Vertreter eines bekannten US-amerikanischen Thinktanks. Verdecktes Lobbying, oder Zufall?

September 2012: Gusenbauer und Prodi loben neues Wahlgesetz der Ukraine

In einer ersten Stellungnahme hat Gusenbauer die Beteiligung an der verdeckten Unternehmung für die ukrainische Regierung abgestritten. Doch sind – neben der Lobbying-Reise – auch seine öffentlichen Stellungnahmen in Österreich seltsam. Ausgerechnet im September 2012 meldet er sich über das SPÖ-Renner Institut zu Wort und lobt in einer Konferenz-Rede vor „Akademikern, Diplomaten, Wirtschaftswissenschaftlern und Geschäftsleuten“ das im November 2011 beschlossene Wahlgesetz der Ukraine. Genau für solche Stellungnahmen sollen die Politiker der „Hapsburg group“ laut Anklageschrift ja bezahlt worden sein. In der Pressemeldung des Renner-Instituts über das im November 2011 beschlossene Wahlgesetz heißt es:

Die Tatsache, dass 80 Prozent des ukrainischen Parlaments dem neuen Gesetz zugestimmt haben, bedeutet in der Praxis, dass hinsichtlich der Voraussetzungen für Wahlen ein Konsens besteht und dass das neue Gesetz als gemeinsame Basis akzeptiert wird“, so Gusenbauer. „Das ist eine gute Voraussetzung für die grundsätzliche Anerkennung von Wahlergebnissen“, ergänzte er.

Im Ergebnis wird hier die Kritik an der demokratischen Güte des Gesetzes unterschlagen, wie sie etwa die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung formuliert hat. In der von ihr – zeitgleich im Jahr 2012 – verbreiteten Analyse: Das neue ukrainische Wahlgesetz zu den Parlamentswahlen von Wilfried Jilge heißt es dann auch deutlich skeptischer (und eben wirklich unabhängig?):

In Schlüsselbereichen des Wahlgesetzes sind die Mängel jedoch keineswegs konsequent beseitigt worden und in einigen Bereichen bleiben im Gesetz – auch wegen unklarer neuer Formulierungen – Einfallstore für Manipulationen bestehen. Darüber hinaus sind die Erfahrungen mit Wahlmanipulationen während der letzten Kommunalwahlen sowie die Empfehlungen der Venedig-Kommission und der OSZE/ODIHR in Bezug auf das Wahlsystem nicht ausreichend oder gar nicht berücksichtigt worden, so dass in diesem für das Gesetz grundlegenden Bereich eklatante Schwächen im Hinblick auf die Gewährleistung demokratischer Wahlen nicht ausgeräumt werden konnten,

Für Gusenbauer stellt das Gesetz also das Eintrittsticket in die EU dar, für den Politikwissenschaftler Jilge ist es ein Gesetz, das „eklatante Schwächen“ nicht ausräumen konnte. Gusenbauer forderte auf der Konferenz gemeinsam mit dem früheren italienischen Premier Romano Prodi, dass die Uraine mit der EU assoziiert werden solle. Prodi hat mittlerweile die Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe eingestanden. „Gusenbauer war der Leiter der Gruppe„, gibt der ehemalige italienische Ministerpräsident dabei zu Protokoll.

Wenn wir der Anklageschrift von Mueller glauben, dann sind zwei Millionen Dollar an eine Gruppe von „VIP-Politikern“ für verdecktes Lobbying im Sinne der ukrainischen Regierung geflossen. Im vorliegenden Beispiel hätte Gusenbauer sogar Institutionen der SPÖ benutzt, um seine von Manafort bezahlten Statements abzusetzen. Sollten sich dieser Zusammenhang bewahrheiten, dann stünde der SPÖ ein veritabler Skandal ins Haus. Nach der Silberstein-Affäre um gefakte Facebook-Accounts der nächste, den Alfred Gusenbauer mit zu verantworten hätte.

3 Gedanken zu „Wird Gusenbauer zum Totengräber der SPÖ?“

  1. Man sollte vielleicht nicht vorrangig auf die SPÖ schauen in diesem Zusammenhang. Gusenbauer steht mental sicher schon lange außerhalb der SPÖ, hat nicht für sie gearbeitet sondern sie benützt, eventuell unterminiert. Die Verbindung Gusenbauer-Benko wäre zu beleuchten, denn da ist Gusenbauers derzeitige Heimat. Gusenbauer ist jetzt bei ein Verbindungsglied zwischen halbseidenen Geschäften (Steinmetz etc.), hyperaktiven Immobilienaufsteigern (Benko) und arrivierten Kapitalisten (Haselsteiner etc.). Er ist „väterlicher Freund“ von Benko und Geostratege. Und da frage ich mich u.a., wie kommt Benko schon zweimal zu den Bilderbergern?

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  2. An diesem sehr guten Rechercheartikel mag ich mich nur an der Überschrift stoßen und das auch nur an der Position in der Zeitleiste. Denn Gusenbauers tiefer Spatenstich zum Verscharren der SPÖ ist bereits mit seiner ersten Kanzlerschaft getan gewesen, als er wesentliche Wahlversprechen (Eurofighteraus, Abschaffung der Studiengebühren) nicht eingehalten und das Finanz- plus Wirtschaftsministerium der ÖVP überlassen hat, wodurch er wirtschaftspolitisch von Anfang an als Lame Duck agierte. Dass sein Nachfolger Faymann dann auch noch das Justizministerium an die ÖVP verscherbelte, macht es nichts besser, es war nun ein weiterer kräftiger Spaten zur SPÖ-Eingrabung zur Hand. Und dies bis heute durchaus erfolgreich.
    Nebenbei: was wäre aus der SPÖ vielleicht geworden, wenn statt Gusenbauer damals eine Barbara Blaha, die als ÖH-Vorsitzende wegen der Studiengebührbeibehaltung aus der SPÖ ausgetreten ist, SPÖ-Vorsitzende geworden wäre, mit entsprechendem, damals noch vorhandenem Personal … Aber ich sollte zu träumen aufhören 😉

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