Und plötzlich ist Außenpolitik doch noch wichtig geworden. Im Wahlkampf ein Nullthema, auch weil sich die künftigen Koalitionspartnerinnen ÖVP und FPÖ gravierend unterscheiden. Nun treffen im Rahmen des OSZE-Ministerrats am 7. und 8. Dezember Ministerinnen und Minister der 57 OSZE-Staaten in Wien ein. Das gibt für Außenminister Sebastian Kurz Gelegenheit für viele Fotos. Zentrale politische Konflikte – wie etwa der Status der besetzten Krim – werden dabei nicht gelöst werden. Dennoch resümiert die Kronenzeitung bereits am Wochenende vor dem Treffen: „Sebastian Kurz hat Österreich auf die politische Landkarte der Welt gesetzt und das Außenministerium aus dem elitären Ghetto geholt.“ Und für dieses Lob von Kurt Seinitz gibt es noch eine ganzseitige „Entgeltliche Einschaltung“ auf der folgenden Seite des Blattes. Auftraggeber: Offenbar das Außenministerium. Österreichische Verhältnisse in einer Nussschale, betrachtet von Sebastian Reinfeldt.
Außen- und Europapolitik? Ein mediales Nicht-Thema
Sebastian Kurz ist nicht irgendein Politiker. Er kam auch nicht aus der Opposition, auch wenn es im Wahlkampf oft so schien. Er war und ist der amtierende Außenminister Österreichs. Umso erstaunlicher ist es, wie wenig sich öffentlich mit der Bilanz seiner Außenpolitik auseinander gesetzt wurde. Hier und da wurde zwar erwähnt, dass er auf der EU-Ebene bei wichtigen Ministerrats-Sitzungen oftmals fehlte. Er konnte auch ungestraft behaupten, er habe die Balkan-Route geschlossen (und nicht etwa der Deal der EU mit der Türkei). Und er konnte beinahe kritiklos ankündigen, dass er auch die Mittelmeer-Route schließen werde. Die tatsächliche Bedeutung Österreichs in Europa wurde Ende November 2017 bei der Entscheidung der EU zu den EU-Agenturen deutlich. Für beide vakanten Agenturen hatte sich Österreich beworben, beides Mal scheiterte man bereits in der ersten Runde. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA kommt nun nach Amsterdam, die Bankenaufsicht EBA nach Paris.
Die FPÖ kooperiert mit Putins Einigem Russland
Egal. Die EU ist sowieso kein Spielfeld österreichischer Politik. Das Landhaus in St.Pölten liegt in Österreich näher als die Weiten der Europäischen Union. Dass die kommende Außenministerin wahrscheinlich von der FPÖ und damit von einer Partei gestellt wird, die durch einen Kooperationsvertrag der Putin-Partei Einiges Russland verpflichtet ist, scheint egal. Kritische Diskussion? Fehlanzeige. Lieber diskutiert man über das Rauchverbot in Gasthäusern oder über andere Politikfelder, die nichts kosten und deren reale Bedeutung eher überschaubar ist. Die großen politischen Konflikte finden eh außerhalb der Grenzen Österreichs statt – und das soll gefälligst auch so bleiben. Solange Neutralität ein ewiges sich Heraushalten bedeutet, kann die FPÖ unhinterfragt eine Art Nebendiplomatie aufbauen. Das Spektrum reichte von „Geheimmissionen nach Grosny“ bis hin inoffiziellen Wahlbeobachtungen in Baku und auf der Krim. Jüngst haben hochrangige FPÖ-Politiker eine “Internationalen Vereinigung der Freunde der Krim“ mitgegründet. Hans-Jörg Jenewein, einer der Krim-Reisenden, sitzt jetzt mit am Regierungsverhandlungstisch.
„Abschiedstreffen mit Kurz“
So titelt dann die Krone in ihrer Ausgabe vom 3.Dezember 2017. Das klingt melodramatisch, so als ob er auf dem internationalen Parkett vermisst werden würde. Der Text in der Zeitung ist dann ein kritikfreies Resümee der Amtszeit von
Sebastian Kurz als Außenminister. Und ganz im Stile der alten Regierung folgt auf diesen – vorsichtig formuliert – noch redaktionellen Beitrag eine ganzseitige bezahlte Anzeige, die offenbar von der OSZE-Ministerratskampagne des Außenministeriums geschaltet worden ist. Zumindest scheint deren Logo in der Anzeige auf, als Auftraggeber wird explizit niemand genannt.
In der Anzeige kommt auch Sebastian Kurz vor. Er werde „als amtierender Vorsitzender der OSZE unter anderem seine Amtskollegen Sergei Lawrow (Russland), Rex Tillerson (USA) und Angelino Alfano (Italien) in der Wiener Hofburg willkommen heißen.“ Hervorgehoben wird Österreichs Rolle „als Dreh- und Angelpunkt für internationalen Dialog und Vermittlung„. Außenpolitik ist so zum Personen- und Standortmarketing verkommen. Und solange nicht kritisch nachgefragt wird, wird dies auch so bleiben. All das beschreibt nicht nur die politische Situation Österreich, Ende 2017, wie in einer Nussschale. Es wirft auch ein Licht auf die Medienlandschaft. Kritisches Nachfragen ist nicht zu erwarten,