Semiosis sucht nach PolitikerInnen, die etwas anders sind und bittet um ein Interview. Bei den NEOS ist das Menschenrechtsexpertin Stephanie Krisper. Sollten die Umfragen recht behalten und ihre Partei mit 5-6% in den Nationalrat einziehen, könnte sie über die Wiener Liste ins Parlament einziehen. Und dort den komplexen Bereich Grund- und Menschenrechte betreuen. Mit ihr hat sich Sebastian Reinfeldt unterhalten.
Zum Einstieg: Du arbeitest am Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte. Welchen Themenbereich bearbeitest du da?
Ich bin im Team „Menschenwürde und öffentliche Sicherheit” tätig. Die Arbeit unseres Teams widmet sich der Prävention und Bekämpfung von Folter und Misshandlung – dies nicht nur in Österreich, sonst weltweit. Wir beraten sowohl staatliche Akteure, insbesondere Nationale Menschenrechtsinstitutionen, als auch zivilgesellschaftliche Akteure – momentan in Kirgistan, Marokko sowie in der Europäischen Union.
Wie war dein Weg zu den NEOS?
Ein Jahr vor der letzten Nationalratswahl, also kurz nach der Gründung von NEOS, erfuhr ich von dieser neuen Bewegung und nahm aus Interesse an einem Kommunikationstraining teil. Ich war gleich zu Beginn von zwei Dingen begeistert: mir gefiel der Inhalt des Trainings wonach wir authentisch und ehrlich sein sollen. Punkt um: ein kurzes Training. Und ich bemerkte bei den teilnehmenden Gründerinnen und Gründern von NEOS, dass sie ein uneigennütziges Interesse bewegte, echte Reformen in Österreich anzugehen. Sie und alle nun dazugekommenen Bürgerinnen und Bürger, die sich dieser Bewegung angeschlossen haben, sind frustriert von den Zuständen, die sie um sich herum wahrnehmen – sei es als Ärztin in unserem Gesundheitssystem oder sei es als Lehrer in unserem Bildungswesen.
Welchen Stellenwert haben die Menschenrechte in der praktischen Politik der NEOS? Kannst du da ein konkretes Beispiel geben?
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte haben einen hohen Stellenwert bei NEOS und werden auch entsprechend vertreten und verteidigt. Dies war leider unter der letzten Regierung immer wieder notwendig. Gegen die Aushöhlung unserer Grundrechte kämpften NEOS etwa bei den Ansinnen der Regierung die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, die Überwachungskompetenzen unserer Polizei auszuweiten oder das Demonstrationsrecht einzuschränken. Menschenrechtliche Defizite wurden von NEOS immer wieder zum Thema gemacht – zum Beispiel das derzeitige System des Maßnahmenvollzugs oder der Umgang mit Menschen, die in Österreich Asyl beantragen.
Siehst du ein Spannungsverhältnis zwischen der Sozialpolitik der NEOS und deinem Verständnis der Menschenrechte?
Nein.
Siehst du einen Unterschied zwischen neoliberal, liberal und linksliberal?
Ich hoffe, du verstehst, dass ich mich mit den Begrifflichkeiten „neoliberal“, „linksliberal“, „rechtsliberal“ etc. nicht befassen möchte. Es ist für mich verständlich, dass die Wählerinnen und Wähler es für eine vermeintliche Erleichterung halten, einer Partei eine Ideologie zuschreiben, sie dadurch zuordnen und sich selbst damit die Wahlentscheidung erleichtern zu können. Diese ideologischen Zuschreibungen funktionieren aber doch schon lange nicht mehr. Aber, um die Frage dennoch zu beantworten: NEOS ist sicherlich eine liberale Partei in dem Sinne, dass wir groß von jedem Menschen denken und die Aufgabe des Staates darin sehen, ihm zu ermöglichen, ein Leben nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu leben. Wichtig ist dem liberalen Grundgedanken, dass dafür Chancengerechtigkeit besteht – daher auch unser Fokus auf die beste Bildung für alle.
Wie verortest du dich?
Ich verorte mich als sicherlich gesellschaftsliberal. Der Staat hat den Menschen nicht vorzuschreiben, wie er zu leben, was er zu tragen und wen er nicht zu ehelichen hat. Als Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik wünsche ich mir als Bürgerin dieses Landes eine, die den Menschen ermöglicht faire Chancen zu haben, sich etwas von ihrem Einkommen zu leisten oder aufzubauen und sie verpflichtet, je nach Einkommen zum Gemeinwesen adäquat beizusteuern. In diesem Bereich orte ich viel ideologisches Hickhack. NEOS haben hier aber eine vernünftige Balance gefunden.
Wenn du in den Nationalrat kommst: Welche politischen Initiativen wirst du beginnen?
Wenn ich Nationalratsmandatarin werde, würde ich mich zunächst allen menschenrechtlichen Baustellen zuwenden, um zu entscheiden, welche prioritär angegangen werden müssen. Mir ist grundsätzlich ein präventiver Zugang sehr wichtig – dass also Probleme bzw. Diskriminierungen durch sachliche, vorausschauende Politik verhindert werden. Themen, die mir auf jeden Fall ein Anliegen sind, sind Kinderrechte, Rechte von Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Kriminalprävention sowie Strafvollzug und Maßnahmenvollzug. Auch die innere Sicherheit ist ein äußert sensibles Thema, das Gefahr läuft, durch populistische Politik missbraucht zu werden. Auch im Bereich Asyl habe ich berufliche Erfahrungen und daher viele Verbesserungsvorschläge.
Stephanie Krisper (geb. 1980) ist Menschenrechtsexpertin und am Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte im Team für Folterprävention tätig. Davor hat sie für NGOs, das Außenministerium, die Volksanwaltschaft und die Europäische Kommission in den Bereichen humanitäre Hilfe, Asyl und Menschenrechte gearbeitet. Sie ist Kandidatin der NEOS zum Nationalrat auf Bundeslistenplatz 13 und Nummer 3 der Wiener Landesliste