Sebastian Kurz: Die Wahlen sind eine Volksabstimmung gegen „Wien“ und gegen „die Silbersteins“

Foto des Autors

By Sebastian Reinfeldt

Dieser Wahlkampf in Österreich ist hart, seine Entwicklung ist überraschend. Einige bezeichnen ihn ironisch als „House of Cards im Gemeindebau“. Dabei wird im Schatten der Affäre um den SPÖ-Berater und dessen schmutzige Wahlkampftricks deutlich, wie Sebastian Kurz seine entscheidenden WählerInnen-Stimmen gewinnen will. Indem er „gegen das System“ mobilisiert. In seiner Rede vor Parteifreunden auf dem Parteitag der Steierischen Volkspartei am 7. Oktober in Graz, die auf Video vorliegt, benennt er seine Gegenüber sehr deutlich. Dabei scheut er auch nicht vor antisemitischen Chiffren zurück. Eine Recherche von Sebastian Reinfeldt.


Geplant war der Zweikampf Kern versus Kurz

Wie sich die ÖVP als auch die SPÖ den Verlauf des Wahlkampfs eigentlich ausgedacht hatten, ist mittlerweile gut nachlesbar. Eine Konfrontation zwischen den beiden Männern sollte es werden, in der die FPÖ an die Wand gespielt wird. Sebastian Kurz bereitete vor dem Neuwahlbeschluss des Nationalrats Ende Mai 2017 seine Machtübernahme der ÖVP bereits vor (das „Projekt Ballhausplatz„) und war damit beschäftigt, seine Leute in der Partei in Stellung zu bringen. Auch für Christian Kern war ausgemacht, dass er gegen die ÖVP und gegen Kurz kampagnisieren wollte. Das belegen Dokumente rund um die Berateraffäre, die unter anderem im profil veröffentlicht worden sind. Offen war damals lediglich die Frage, wann dies passieren werde. Der Bruch und der Zweikampf waren auf beiden Seiten eine ausgemachte Sache.

SPÖ-Vertrag im Jänner 2017 zur strategischen Wahlkampfplanung

Der Vertrag der SPÖ mit Tal Silberstein für die strategische Planung des Wahlkampfs wurde jedenfalls bereits im Januar 2017 geschlossen. Weit vor dem Ende der politischen Zusammenarbeit mit der ÖVP. Bereits im Herbst 2016 hat sich Kern von Tal Silberstein beraten lassen. Zum Beispiel in einem zweitägigen Strategiewochenende vom 25. zum 26. November. Das profil hatte dessen Agenda veröffentlicht. Es sollte gegen Kurz gehen.

Der Wahlkampf der ÖVP ist seitdem ebenso klar. Sie mobilisiert die Provinz gegen Wien, und sie mobilisiert die Österreicher gegen die Flüchtlinge und gegen Ausländer. Die können sich ja nicht so wehren, so wie eine Partei.

Gegen Ausländer, sozial Schwache und gegen Wien

Die Parteitagsrede von Kurz wird von der ÖVP nun in kleinen Häppchen verbreitet. Sie hat also eine zentrale strategische Bedeutung, da Kurz zuvor zur SPÖ-Berateraffäre kaum etwas gesagt hat. Nun holt er zum rhetorischen Gegenschlag aus. Dabei verknüpft er zum einen geschickt das Thema Provinz gegen Großstadt, die soziale Frage und das Thema Ausländer. In einem Satz:

Wir haben ein System geschaffen, wo in Wien mittlerweile jeder zweite Mindestsicherungsbezieher ein Ausländer ist. (Sebastian Kurz am Landesparteitag der Steirischen Volkspartei, 7.10.2017)

Sein Rezept ist nicht neu: Mindestsicherung für Ausländer kürzen und für Inländer den Zugang erschweren. Alls dies ist eingefasst im Slogan einer angeblich „Neuen Zeit„, die käme. In dieser werden aber die bekannten neoliberalen Politik-Rezepte angewendet werden: Umverteilung von unten nach oben, die unter dem Titel „Reform“ und „Erneuerung“ daher kommt.

Volksabstimmung gegen „die Silbersteins“

In der Rede geht er ebenfalls auf die Berater-Affäre der SPÖ ein. Die ÖVP ist Opfer einer gezielten Strategie aus der SPÖ-Zentrale, die auch nicht vor gefakten Facebookseiten mit rechtspopulistischen und antisemitischen Postings zurückschreckte.  Das ist mittlerweile bewiesen. Nun verschärfte Kurz in seiner Parteitagsrede den Ton deutlich – und scheute dabei selber vor einer antisemitischen Chiffre nicht zurück:

Der 15. Oktober wird auch eine Volksabstimmung darüber, welchen Stil wir in diesem Land haben wollen, ob wir die Silbersteins und andere wollen, die versuchen den politischen Gegner anzupatzen und fertig zu machen, oder ob wir unseren Weg wollen, nämlich das Land zum Positiven zu verändern. Der 15.Oktober wird unsere Chance auf echte Veränderung in diesem Land. (Sebastian Kurz am Landesparteitag der Steirischen ÖVP, 7.10.2017)

Natürlich, so ließe sich hier gleich verteidigend einwenden, nennt er Silberstein beim Namen, weil dieser zum Symbol der Schmutzkampagne der SPÖ geworden ist.. Und Silberstein ist nun mal aus Israel und jüdisch. Doch lassen die unnötige Pluralisierung „die Silbersteins“ und der Zusatz „und die anderen“ hier eine antisemitische Chiffre entdecken.

Diese entsteht, das sei besonders betont, durch den Zusatz, die Wahlen seien eine Volksabstimmung. Dadurch macht Sebastian Kurz implizit den Bedeutungs-Gegensatz vom „Volk“ zu „den Silbersteins“ auf, die „wir“ in Österreich nicht wollen würden. Das kann – und wird – als antisemitische Chiffre gelesen werden.

ÖVP-Bundesgeschäftsführerin sagte zuvor dasselbe –  ohne Antisemitismus

Zeit im Bild 2
ORF Zeit im Bild 2

Am Abend zuvor bringt auch die Bundesgeschäftsführerin der ÖVP, Elisabeth Köstliinger, den Ausdruck „Volksabstimmung“ für „Wahlen“ ins Spiel. Problematisch genug, denn in demokratischen Wahlen kommen auch Minderheiten ins Parlament. Und die Opposition hat eine zentrale Bedeutung für die Demokratie, deshalb sind Wahlen eben keine „Volksabstimmungen“. Das Volks zerfällt durch die Wahlen nämlich in verschiedene Gruppen und spricht eben nicht „mit einer“ Stimme. Doch rückt die Geschäftsführerin die Volksabstimmung zwar in einen populistischen Kontext („gegen das alte System“ – so ist auch die Formulierung in der ÖVP-Wahlkampfkonzeption). Sie kommt aber – bei ähnlicher Aussage – ohne eine antisemitische Chiffre aus.

Es soll eine Volksabstimmung darüber geben, ob das alte System weiter besteht [zeigt auf den SPÖ-Bundesgeschäftsführer] oder ob nicht auch Zeit ist für Neues. (ÖVP Bundesgeschäftsführerin Elisabeth Köstliinger in der ZIB 2 am Freitag, 6.10.2017)

Der Vergleich beider Aussagen macht den Unterschied deutlich. Sebastian Kurz ist kein Antisemit. Aber auch er macht gerade schmutzigen Wahlkampf.


Nachtrag. Das sind übrigens „die Silbersteins“. Laut Wikipedia

"Die Silbersteins"
Wikipedia gibt folgende Einträge nach „Slberstein“ aus.

Schreibe einen Kommentar