Mit Sebastian Kurz kandidiert der amtierende Außenminister Österreichs für das Kanzleramt. Im Wahlkampf spielt Außenpolitik trotzdem praktisch keine Rolle. Das ist seltsam. Offenbar sagen die Spin-Doktoren, dass hier keine Angriffsfläche bestehe. Dabei fährt die eine wahrscheinliche Regierungspartnerin, die FPÖ, einen außenpolitischen Kurs, der gelinde gesagt abenteuerlich anmutet. Besonders seltsam ist die freiheitliche Liebe zum post-sowjetischen Putin und zur Krimbesetzung durch russische Milizen. Eine Recherche von Sebastian Reinfeldt.
April 2017: Wiederholt weilt eine FPÖ-Delegation auf der Krim
Die von Putin unterstützten Machthaber auf der Krim organisieren schon seit drei Jahren ein Wirtschaftsforum. Auch dieses Jahr mit dabei: VertreterInnen weit rechts stehender Parteien aus ganz Europa. Und mittendrin tummeln sich FPÖ-Politiker: Außenpolitischer Sprecher Johannes Hübner – der sich mittlerweile wegen antisemitischer Anspielungen aus der Politik zurückziehen musste – und Hans-Jörg Jenewein. Beide FPÖ-Politiker waren nicht nur Staffage bei einer Inszenierung der Machthaber. Sie nutzten das Treffen auch zum Netzwerken. Vielleicht sogar für Kontakte, die ein möglicher FPÖ-Außenminister Norbert Hofer nutzen könnte?
Vorschlag des Präsidenten der „Krimrepublik“: Ein Wiedersehen 2018
Das Forum bestätigt seinen Status als eine internationale Plattform, die Investitionsmöglichkeiten aufzeigt und die das ökonomische Potential für Investitionen der Krimrepublik fördert. […] Allgemeiner Konsens der Teilnehmer war es, dass die wachsende Zahl der Teilnehmer für das große Potential des Internationalen Jalta-Wirtschafsforums spricht. […] Die Teilnehmer des Treffens unterstützen den Vorschlag von Sergey Aksyonov, dem Vorsitzenden des Forums und Präsidenten der Krimrepublik, das vierte Jalta-Wirtschaftsforum vom 19-21. April 2018 abzuhalten.
So so steht es im Abschlussdokument des dritten Jalta-Wirtschaftsforums im April dieses Jahres. Die Zusammenkunft ist eine gut dokumentierte Propaganda-Veranstaltung, die die Besetzung der Krim durch russische Milizen legitimieren soll. Als besondere und freie Wirtschaftszone, zu der die Krim sowohl von der Ukraine als auch von Russland gemacht wurde, ist die Halbinsel tatsächlich eine veritable Steueroase geworden. Neben den Geschäften, die dort eingefädelt werden, ist das Jalta-Wirtschaftsforum aber auch ein politischer Kontakthof.
Die freie Wirtschaftszone Krim als politischer Kontakthof
Warum nehmen FPÖ-PolitikerInnen am Forum teil? Sicherlich ergibt sich aus dem freiheitlichen Vertrag mit der Putin-Partei Einiges Russland eine gewisse Verpflichtung, die österreichisch-russische „Freundschaft“ (so der Vertrag) mit einem Krimbesuch zu stärken. Teil des Abkommens ist übrigens die Erziehung der Jugend „im Geiste des Patriotismus„, so wie das gute alte Sowjetart war. Im Jahr 2017 schließt aber nicht die KPÖ einen solchen Vertrag ab, sondern die FPÖ.
Das Jalta-Forum 2016 und 2017: Ein Stelldichein weit rechts stehender Parteien
Auch im Bereich „Wirtschaft, Handel und Investitionen“ wollen sich FPÖ und Einiges Russland gegenseitig unterstützen, sagt der Vertrag. Am diesjährigen Wirtschaftsforum in Jalta wurden Geschäfte für 100 Millionen Rubel getätigt. Das sind immerhin rund 1,4 Millionen Euro. Auf der Krim lässt sich also – geschützt von den Maschinengewehren russischer Milizen – durchaus gutes Geld verdienen. So lautet die eine Botschaft der FPÖ-Reise. Möglich also, dass die österreichischen PolitikerInnen dort auch das eine oder andere Geschäft vermittelt haben.
Botschaft der Reise: Die Krim sei de facto anerkannt
Hauptbotschaft der Reise war indes: De facto sei die Besetzung der Krim schon längst anerkannt und politisch normalisiert. Und das, obwohl die Regierungen in Europa die Militärregierung und das Referendum von 2014 nicht anerkennen. Zur Unterstützung dieser Krim-Propaganda-Veranstaltung haben sich weitere weit rechts stehende PolitikerInnen aus europäischen Ländern auf den Weg gemacht. Sie geben somit dem Ganzen einen offiziellen, legalen Anstrich. Die größte Delegation des Forums stellte die Lega Nord, die so wie die FPÖ einen Vertrag mit Putins „Einiges Russland„-Partei abgeschlossen hat. Mit dabei aber auch der Rumäne Constantin Laurențiu Rebega, Europa-Abgeordneter, der früher sozialdemokratisch war und nun rechtsextrem ist.
FPÖ-Politiker reisen gerne auf die Krim
Bereits 2014 gaben sich FPÖ-Politiker als sogenannte „Wahlbeobachter“ für das damals kurzfristig angesetzte Krim-Referendum her. Zusammen mit Ewald Stadler (Ex-FPÖ und damals Rekos) reisten wiederum FPÖ-Außenpolitiker Johannes Hübner und Wiener FPÖ-Politiker Johann Gudenus auf die Halbinsel am Schwarzen Meer. Finanzier des Ausflugs, um die russische Politik zu legitimieren: Das „Eurasian Observatory for Democracy and Elections„ (EODE). Geleitet wird diese Organisation von einem aus Belgien stammenden Nationalbolschewisten. Über die Höhe der Zuwendungen für die Reise ist bislang öffentlich wenig bekannt geworden. Tickets und Fünf-Sterne-Hotel waren von dort finanziert. So viel ist sicher. OSZE-Militärbeobachter waren damals an der Grenze abgewiesen worden. Was die rechte Patchwork-Delegation aus Österreich festgestellt hatte? Beim Referendum sei alles „frei von Zwang“ abgegangen. Und die gläsernen Urnen, in die die Wahlzettel gesteckt werden mussten, seien nun mal „Usus“ in dieser Region. Nach diesen freundlichen Beobachtungen feierten die rechten Österreicher dann die Annexion feucht-fröhlich im besten Restaurant Sewastopols.
16. März 2014 im besten Restaurant Sewastopols: „Ein Festtag wie 1945“
In einem Interview mit der Zeitschrift profil erinnert sich der russische Oligarch Konstantin Malofejew an ein Zusammentreffen mit den beiden FPÖ-Politikern Gudenus und Hübner am Abend des Referendums. Malofejew berichtet:
Ich erinnere mich gut, dass wir gemeinsam auf der Krim waren. Am 16. März 2014 war ich in Sewastopol, im besten Restaurant der Stadt. Da kommen plötzlich zwei Ausländer bei der Tür rein – und ich schaue hin: Es sind Gudenus und Hübner (der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Johannes Hübner, Anm. )! Wir haben gemeinsam Abend gegessen und so richtig gefeiert. Das war so eine Freude! Die Leute auf der Krim sind mit den Flaggen herumgegangen, haben gejubelt und sich gefreut. Es war überwältigend. Das war ein Festtag wie 1945 oder als Gagarin in den Kosmos geflogen ist.
So spricht Konstantin Malofejew. Der russische Oligarch, Monarchist und orthodoxe Christ ist nicht irgendwer. Mit seiner Stiftung Sankt Basilius der Große gehört er zum Propaganda-Netzwerk Putins, wie das ZDF-Magazin Frontal recherchiert hat. Ziel der Stiftung: Die Destabilisierung der Demokratien im Westen und die Errichtung eines eurasischen Gottesstaates. Putin Machtübernahme, so sagte er im ZDF-Interview wörtlich, sei „eine göttliche Fügung“ gewesen.
Was tut die FPÖ eigentlich beim Forum?
Nach der fröhlichen Referendumsfeier im April 2014 reiste 2016 und 2017 jeweils eine FPÖ-Delegation auf die Krim. 2016 hatten sich Wirtschaftssprecher Axel Kassegger und Barbara Rosenkranz auf den Weg gemacht. 2017 wie gesagt Hübner und Jenewein. Im wesentlichen geben sich die Politiker dort als Kulisse für die Inszenierungen des Regimes her. Kaviar inklusive. Als Gegenleistung bekommen sie die Möglichkeit, sich auf einem internationalen Podium zu präsentieren. Das kommt ja nicht allzu oft vor. Einen Einblick in die Aktivitäten der FPÖ-Politiker auf dem Krim-Forum gibt eine Bilderserie, die die russische Propaganda-Agentur „Sputinikimages“ veröffentlicht hat. Kritisch wird die Reise vom Politikwissenschaftler Anton Shekhovtsov in seinen Blogbeiträgen analysiert.
Im Vorfeld des Forums: FPÖ-Pressekonferenz in Moskau
Vor dem Jalta-Forum fand bereits eine Reise gen Osten statt. Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein bestieg ein Flugzeug in die russische Hauptstadt. Der Anlass: Eine Pressekonferenz im Gebäude der russischen Presseagentur TASS, auf der sie die Teilnahme der FPÖ am Wirtschaftsforum begründete. Und die „Werbetrommel“ dafür rührte. Weiters nahm sie in ihrer Stellungnahme mögliche Kritik am Forum vorweg:
Die gleichgeschalteten Medien in der EU werden versuchen, das Forum kleinzureden. Das ist ein großes Problem: Wir haben wenig kritischen Journalismus“, beklagte Belakowitsch-Jenewein, die für die Pressekonferenz im Gebäude der staatlichen Nachrichtenagentur TASS nach Moskau gereist war.
2017: Hübner spricht über Ökologie und Soziales
Öffentlich war Johannes Hübner bislang mit Äußerungen zum Thema Ökologie und Soziales wenig in Erscheinung getreten. In Österreich eigentlich gar nicht. Beim Wirtschaftsforum in Jalta saß er aber mit auf einem Podium zu diesem Thema. Außerdem dabei: Hochrangige Politiker der Krimrepublik, so z.B. Vladimir Konstantinov, Parlamentspräsident der Krim. Sicherlich auch kein Ökologie-Experte. Auf Fachkompetenz kam es bei der Gesprächsrunde wohl sowieso nicht an. Das Thema dient mehr als Anlass für Fotos, die dieselbe Botschaft vermitteln: Wir sind anerkannt.
… und mit einem hochrangigen Ex-KGB-Chef
Am Rande des Ökologieforums im Mriya Resort Hotel scherzte Hübner mit einem weiteren interessanten Gesprächspartner: Sergej Ivanov. Ex-KGB-Mann und bis 2016 Chef der russischen Präsidialverwaltung. Er nahm in seiner neuen Funktion als Putins „Sonderbeauftragter für Naturschutz und Transport“ am Forum teil. Dabei gehörte er zu Putins Machtzentrum aus Ex-Geheimdienstlern, mit deren Hilfe dieser sein Netzwerk aufgebaut hat. Zudem hatte Ivanov 25 Jahre lang in der sowjetischen und dann russischen Auslandaufklärung gearbeitet. Er war Vize-Direktor des russischen Geheimdienstes FSB. Dort war er bis 2000 General.
Jenewein: Die Aufhebung der Sanktionen sind im Interesse Österreichs
Jenweins Rolle auf dem Forum war, sich direkt gegen die Russland-Sanktionen der Europäischen Union auszusprechen. So behauptete das FPÖ-Bundesratsmitglied etwa, die österreichische Landwirtschaft leide unter den Sanktionen. Wörtlich meinte er:
Diese Sanktionen sind sehr extrem und sie sollten beendet werden. Die österreichischen Bürger haben kein Interesse an diesen Sanktionen – denn sie sind aus rein politischen Gründen eingeführt worden.
Eine zeitgenössische Wifo-Studie von Anfang 2017 war übrigens zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen. Die Auswirkungen der Sanktionen seien in Österreich nämlich minimal.
Die FPÖ-Teilnahme am kommenden Jalta-Forum ist bereits fix
Der Einzug der AfD in den Bundestag ist für die Organisatoren des Forums bereits fix. Denn 2018 werden neben Mitgliedern des Österreichischen Nationalrates auch Abgeordnete des Bundestages am Wirtschaftsforum teilnehmen, meint Andreï Nazarov in einer Presseaussendung vom 20. September 2017: Im April kommenden Jahres wird eine deutschsprachige Delegation mit rund 50 Teilnehmenden erwartet.
Wir erwarten 50 deutsche und österreichische Vertreter, Politiker, Geschäftsleute und prominente Persönlichkeiten. Mitglieder des Bundestages werden zum ersten Mal am Jalta Wirtschaftsforum teilnehmen.“
Wieder mit dabei: FPÖ-VertreterInnen. Und sollte der Außenminister tatsächlich ein FPÖ-Politiker werden, so könnte die österreichische Delegation auch recht hochrangig besetzt sein.
Zum Thema siehe auch unsere Recherche zur FPÖ-Reisediplomatie: Irrlichternde Außenpolitik: Die Liebe der FPÖ zu autoritären Regimen in Moskau und Baku.