Wahlen in Deutschland: Große Koalition abgewählt – Politisches Neuland im Bundestag

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By Sebastian Reinfeldt

Das werden – nicht nur für deutsche Verhältnisse – turbulente Zeiten: Die Koalition aus CDU/CSU und SPD ist abgewählt worden. Alle drei Parteien haben insgesamt etwa 14 Prozent Stimmen verloren. Mit der AfD (12,6 Prozent) ist nun auch im deutschen Bundestag eine rechtspopulistische Partei vertreten. Aus der Regierungspartei SPD wird die stärkste Oppositionspartei SPD werden. Die höchsten Unionsverluste gab es für die CSU in Bayern. Wieder im Bundestag vertreten ist die liberale FDP. Die Linke bleibt stabil trotz großer Verschiebungen. Eine erste Einschätzung zur Wahl von Sebastian Reinfeldt. * Zahlen aktualisiert


Hauptmotive für das AfD-Ergebnis: Gegen die Regierung, gegen Flüchtlingspolitik und gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft

Erste Umfragen über die Motive der rund 13 Prozent AfD-Wählerinnen und Wähler ergeben, dass es ein Bündel aus Motiven gibt. Die Unzufriedenheit mit Kanzlerin Angela Merkel überstrahlt alle. Dabei wird die Flüchtlingspolitik der Regierung genauso genannt wie das Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich und der Einfluss des Islam. Der „Verlust der deutschen Kultur“ wird dabei auch genannt. Die folgende Tabelle zeigt die größte Sorge der AfD-WählerInnen: Nämlich, dass …

AfD Motive
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Wer wählte Afd (politisch)?

Wählerwanderung
Infratest/Dimap

Mehr als eine Million Stimmen für die AfD, so Infratest/Dimap, kommen aus dem Bereich der NichtwählerInnen. Ebenso verloren die CDU/CSU mehr als eine Million Stimmen an die rechtspopulistische Protestpartei. Ferner entschieden sich 400.000 Menschen, die vor vier Jahren Die Linke gewählt haben, für die AfD. Und rund 500.000 hatten zuvor ihr Kreuz bei der SPD gemacht. In Ostdeutschland wurde die AfD zur zweitstärksten Partei.

Jörg Schönenborn fasst in seinem Wahlblog seine Erkenntnisse über die soziale Zusammensetzung der AfD-WählerInnenschaft zusammen. Es handelt sich dabei um keine ArbeiterInnenpartei. Das stimmt weder vom Funktionärspersonal noch von der WählerInnenschaft her.

Wer wählte AfD (vom Alter her)?

Zuerst mal zur Altersstruktur der WählerInnen: Alle Altersgruppen sind dabei in etwa gleichmäßig vertreten. Am stärksten optierte die mittlere Gruppe der zwischen 35-44-jährigen für die rechtspopulistische Partei (rund 16 Prozent). Die Älteren wählen eher noch traditionell und daher nicht so stark die AfD. Bei den über 70-Jährigen hingegen entschieden sich nur sieben Prozent für die AfD.

Wer wählte AfD (sozial)?

Von der ökonomischen Situation her bezeichnen insgesamt 84 Prozent der Wählenden ihre wirtschaftliche Situation als „gut oder sehr gut“. Von den AfD-WählerInnen sind es immerhin 73 Prozent – das ist nur „leicht unterdurchschnittlich“, meint Jörg Schönenborn. Die Wahlentscheidung für die AfD wurde nicht „aus wirtschaftlicher Not“ getroffen.“ Das Kernklientel der AfD sind „Angestellte und (kleine) Selbstständige“. Die AfD ist im Osten Deutschlands deutlich stärker als im Westen. Dort wiederum im Süden deutlich stärker als im Norden.

Die WählerInnen der AfD sind in ihrer Mehrheit männlich: 14 Prozent der Männer im Westen (8 Prozent Frauen), 26 Prozent im Osten (und 17 Prozent Frauen).

Die Linke bleibt stabil – doch ist das nicht genug

Es ist am Ende ein Ergebnis von über 9 Prozent geworden. Und fünf Direktmandate, vier davon in Berlin erkämpft, eins überraschenderweise in Leipzig. Wenn es in Österreich oder vielen anderen Ländern in Europa für eine Partei links der Sozialdemokratie so ein Ergebnis gäbe, wären viele happy. Die starken Verluste in Ostdeutschland (17,3, damit rund 6 Prozent minus) können durch Gewinne in Westdeutschland kompensiert werden (7,2 Prozent, das sind plus 1,6). Die Linke wird damit zur gesamtdeutschen Partei. Doch reicht das nicht aus. Ein politischer und gesellschaftlicher Rechtsruck konnte nicht verhindert werden. Angesichts von 12,6 Prozent für eine rechtspopulistische Partei gesamtdeutsch und angesichts der Tatsache, dass die AfD zweitstärkste Partei in Ostdeutschland ist, bleibt eine linke Partei mit etwas mehr als 9 Prozent zu schwach aufgestellt. Das Berliner Ergebnis von rund 19 Prozent bundesweit würde eine reale gesellschaftliche Gegenmacht bedeuten. Realpolitisch droht der Linken somit, im politischen Konzert der sieben Parteien unterzugehen.

Anfang vom Ende der Ära Merkel

Die CDU/CSU hat das zweitschlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte bekommen. Sie verlor zu gleichen Teilen an die AfD und an die FDP. Die SPD muss gar das schlechteste Resultat ihrer Geschichte hinnehmen. Mit dem Ende der Großen Koalition wird auch das Ende der Ära Merkel eingeläutet. Dabei geht es nicht nur um die Person der Kanzlerin, sondern in erster Linie um den politischen Modus. Über kurz oder lang wird sich ein neuer politischer Modus in der deutschen Politik ausbilden: konfliktreicher, kämpferischer und kontroverser. Gesellschaftliche Widersprüche werden dann möglicherweise offen zutage treten. Fraglich ist allerdings, wer von diesen verschärften gesellschaftlichen Kämpfen profitieren wird.

3 Gedanken zu „Wahlen in Deutschland: Große Koalition abgewählt – Politisches Neuland im Bundestag“

  1. Die Landtagswahl in Niedersachsen wird für die Linke sehr wichtig. Wenn sie dort über 5 Prozent kommt, kann sie sich langfristig stabilisieren.
    Sehr viel wird von der Zusammensetzung der neuen Parlamentsfraktion abhängen. Es ist zu hoffen, dass die neuen Abgeordneten aus der alten BRD die „Regierungslinke“ zügeln werden.
    Tragisch ist das Ergebnis der DKP, die mit der Eigenkandidatur in dieser Situation einen schweren Fehler gemacht hat.

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    • Ich widerspreche ja nur ungern, lieber Franz Parteder. Die „Regierungslinke“ hat alle Direktmandate in Ost-Berlin geholt, Gregor Gysi mit einem Ergebnis von fast 40 Prozent. Dort ist die Linke in der Regierung. Und sogar im schwarz-blauen Sachsen holt die „Regierungslinke“ ein Direktmandat in Leipzig. Wie kann man – gerade aus Grazer Sicht – so abschätzig über die konkrete Arbeit vor Ort reden? Das kann ich nicht nachvollziehen.

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      • Regierungslinke würde ich auch nicht sagen. Zumal mit Katja Kipping, Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch und Gregor Gysi, alle prominenten „Gesichter“ aus dem „Osten“ kommen.

        Gleichzeitig sehe ist es aber auch als sehr sehr wichtige Entwicklung, dass sich Die Linke nun endlich auch in der ehemaligen BRD etabliert. 5,5% in Bayern oder 6,7% Niedersachsen lassen zuversichtlich in die kommenden Landtagswahlen gehen.

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