Das nächste Video vom Kern-Team: Mit #kernunterwegs am Stammtisch. Der Kanzler besuchte das Landgasthaus Buchner im steierischen Admont. Zithermusik spielt passend zur Inszenierung. All das gibt es wirklich. Auch die Pensionistin, die dort auf Moslems schimpft, gibt es im wirklichen Leben. Sie ist eine Sozialdemokratin aus dem Ort. Auch die umhersitzenden Personen sind keine Schauspieler. So taucht etwa die Besitzerin des Gasthauses ebenfalls im Video auf. Reale Personen wurden also in Szene gesetzt, um die Volksnähe des Kanzlers zu illustrieren. Das ist nichts Neues. Neu allerdings ist, dass ihnen bösartige Vorurteile über Geflüchtete und Beispiele für Ausländerfeindlichkeit wie aus dem wissenschaftlichen Lehrbuch in den Mund gelegt worden sind. Neu ist auch, dass der Bundeskanzler in seinem Video solchen Attacken beipflichtet. Er unterstützt ihre Wut. Und diese Memme will Bundeskanzler sein? Sebastian Reinfeldt hat zum Inhalt und zur Inszenierung des Videos recherchiert.
Der Klassiker zum Einstieg: Ich bin kein Ausländerfeind, aber…
Bereits der erste Satz im Wahlvideo Kerns könnte aus einem Lehrbuch über Rassismus stammen. Denn das „aber“ im Satz nach „Ich bin kein Ausländerfeind…“ negiert all das, was zuvor gesagt wurde. Folglich werden In der darauf folgenden Rede Stereotype an Steoretype gereiht.
Ich bin selber kein Ausländerfeind. Aber gewisse Dinge muss ich einfach aussprechen können. Ohne Wenn und Aber.
Am Stammtisch wird doch sowieso offen geredet, so sagt Kern im Video. Wieso redet die Sprecherin dann davon, endlich mal etwas „offen aussprechen“ zu müssen. Wer hat ihr denn – an dem Stammtisch, an dem sie sitzt – das offene Reden zuvor verboten? Das ist so offensichtlich unlogisch und verweist auf den Charakter der Inszenierung: Da sollte mal so richtig Rassismus vorgeführt werden. Den wir ja ansonsten nie zu Gehör bekämen. Der ja völlig unterdrückt wäre in Österreich. Genau da liegt ein großer Irrtum des Video-Skriptes. Solche Sudereien sind nämlich Alltag. Und es wäre die Aufgabe von PolitikerInnen, diesen entgegen zu treten. Denn sie sind falsch. Sie als Stilmittel in einem Werbevideo unwidersprochen einzusetzen, ist nicht also nicht nur fachlich problematisch. Politisch ist es völlig daneben.
„Wir sind christlich und deshalb Österreich“
„Wir sind Österreich“, meint die Sprecherin weiter. Im folgenden vollzieht sie dann eine klassische positive Selbstdefinition über die Abgrenzung zu Fremden. So lautet in Kurzform die Redestrategie, die die Dame anwendet, die hier das Wort führt. Wir seien katholisch oder evangelisch.
Und einige freie Christen gäbe es auch, meint sie. Daher wird das Kreuz im Video dann auch überdeutlich ins Bild gerückt. Rund eine Million Menschen leben in Österreich laut Statistik ohne ein Bekenntnis, doch die finden weder in die Wir-Definition noch in die Andere-Definition Eingang. Und das, obwohl bedeutend weniger Moslems als Menschen ohne Glauben in Österreich leben. Aber Fakten interessieren die SkripterInnen des Videos sowieso kaum. Sie haben halt mal einen rausgehauen und gegen die Schwächsten der Gesellschaft gehetzt. Bemerkenswert ist noch: Das Österreichisch-Sein wird hier nicht an den Besitz des Passes geknüpft, sondern die anständige Österreicherin habe christlich zu sein. Das wäre ein für die Sozialdemokratie ganz neues Staatsverständnis. Was sagt der Bundeskanzler des Landes dazu? Erläutert er, dass wir in einem säkularen Staat leben? Nein. Der Kanzler, der seine Tochter in Wien auf eine katholische Elite-Privatschule schickt, sagt dazu rein gar nichts.
„Das Andere, das will ich alles nicht!“
Andere sind nach Österreich gekommen, und die Pensionistin positioniert sich da deutlich: „Das Andere, das will ich alles nicht„, meint sie. Spätestens hier stellt sich die Frage, was so etwas in einem politischen Werbevideo zu suchen hat, in dem ein sozialdemokratischer Kanzler für seine Wiederwahl wirbt. Was sollen denn die politischen Konsequenzen dieses „alles“ überhaupt „Nicht-Wollens“ sein, auf die der Kanzler hören möchte. Alle wegschicken? Zwangskonvertieren? In einem Ghetto isolieren? Wegsperren? Welche Politik kann er da anbieten? Keine. Aber das alles ist doch eh eh nur eine Inszenierung, könnte man augenzwinkernd anführen. Aha. Warum möchte der SPÖ-Spitzenkandidat über „Lösungen“ dieser Art im Wahlkampf reden? In einem Video, das er selber produzieren ließ?
Der Pascha am Gehsteig
Als Beispiel, um den Ausspruch „Das ist mein Land“ zu begründen, haben sich die Video-Macher eine Gehsteigsituation ausgedacht. „Ihr lassts alle Leute herein und ich muss vom Gehsteig.“ Ein „Pascha“ (also ein moslemischer Mann, so soll das wohl verstanden werden) geht vor „seinen“ Frauen, und die Wutrede-Pensionistin hätte ihm ausweichen müssen und nicht umgekehrt. Nun ist das Ausweichen auf Gehsteigen etwas Normales, will man die Menschen nicht andauernd über den Haufen rennen. Mitunter weicht man da auch Andersgläubigen aus. Wo ist das Problem? Dass die Vielehe in Österreich nicht erlaubt ist, müsste ebenfalls bekannt sein. Warum ist die Wutrede-Pensionstin dem Mann und seinem angeblichen Harem dann ausgewichen, wenn das ihr so zuwider war? Warum hat sie – wenn ihr Land doch eine Demokratie ist – dann nicht etwas zum „Pascha“ gesagt? Ihn wegen seiner vielen Frauen zur Rede gestellt, zum Beispiel? Das war ja nicht ihr Pascha. In einer Demokratie kann alles offen und direkt denjenigen gesagt werden, die es angeht. Auch auf der Straße. Ohne Wenn und Aber. Warum erzählt sie diese Geschichte dem Bundeskanzler. Was soll der denn jetzt noch tun?
Der Bundeskanzler rückt nichts gerade
Und der Kanzler antwortet wie das Salzamt. Wir müssten helfen, antwortetet der Kanzler. Damit geht er mit keinem Wort auf die Litanei der Vorrednerin ein. Und diejenigen, die aus
wirtschaftlichen Gründen kommen, für die hätten wir nichts mehr übrig. Doch das war gar nicht der Punkt. Sie müssten sich an unsere Werte halten und einer Frau die Hand geben, meint der Kanzler. „Jeder muss sich an die Regeln halten„, meint er. Eh klar. Damit sind aber alle Stereotype und Vorurteile über „den“ Islam der Geflüchteten bestätigt. Inklusive dem falschen Bild des Paschas. Er hätte anmerken können, dass die Mehrzahl der Menschen, die nach Österreich geflohen sind, vor den Paschas in ihrem Land weggelaufen sind. Das trifft übrigens besonders auf Frauen zu. Er hätte die Sprecherin zu einer Flüchtlingsfamilie einladen können und sie auffordern, mit ihnen direkt zu reden – statt über sie. Hunderte Möglichkeiten hätte es gegeben, freundlich, aber bestimm der Frau zu widersprechen. Doch dieser Kern gibt ihr einfach Recht. Wir sind an die Grenzen gekommen, meint er abschließend, an die Grenzen dessen, was die Bevölkerung zu akzeptieren bereit sei. Aha. Da sitzt doch eine total unpolitische Memme im Slimfit am Stammtisch. Er spielt einen Politiker nur, so wie die anderen einen Stammtisch auch nur vorspielen.
Hintergrund der Inszenierung
Ist das alles also nur ein Fake? Ja und Nein, denn wirkliche Menschen wurden für so ein Video missbraucht. Das Video wurde in einem wirklichen Admonter Landgasthaus aufgenommen. Dort, wo in zeitliches Nähe eine SPÖ-Wahlveranstaltung stattfand, auf der Kern volksnah in Lederhosen aufgetreten ist. Die SPÖ-Mitgliedschaft wurde dafür versammelt. Im Nahe gelegenen Gasthaus wurde dann der Dreh zu diesem Video arrangiert. Am Tisch sitzt neben Kern, der sich nur schnell umgezogen hat, die Wirtin. Und die Pensionistin, die ohne Wenn und Aber redet, ist unseren Recherchen zufolge eine Sozialdemokratin aus dem Ort. Sie arbeitete jahrelang für die SPÖ-nahe Volkshilfe. 2015 hat sie auf den hinteren Plätzen der SPÖ-Liste für die Gemeinderatswahl kandidiert. Nach dem Pizza-Video bei einem Wiener SPÖ-Funktionär taucht nun das nächste Video bei Freunden auf. Damals wurde der Mittelstand ins Zentrum gerückt. Diesmal der Rassismus. Konstant bleibt nur ein post-politischer Polit-Schauspieler: Christian Kern.
Was ist denn Zittermusik bitte?
😀 …
Ich hätte es ja glatt überlesen …
Aber passt eh auch ganz gut …
hab ich mich auch gefragt 🙂
😀 …
Ich hätte es ja glatt überlesen …
Aber passt eh auch ganz gut …
Danke sehr … 😉
Habe das Video nicht gesehen, weiß daher nicht, was der Kanzler tut oder nicht tut. Meines Erachtens wären die einzig richtigen Reaktionen auf solche Aussagen entweder beißende Ironie, schallendes Gelächter oder – auf gut Wienerisch – „a Packl Watschn“. Man kann ja jede Meinung haben, aber man muss nicht jede Meinung äußern und die Zuhörer müssen nicht für alles Verständnis haben.