Den Anschein vermeiden: Warum Tarek Leitner das Sommergespräch mit Christian Kern nicht führen sollte

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By Christoph Ulbrich

Also: Tarek Leitner und Christian Kern waren im Sommer 2015 gemeinsam auf Urlaub – weil die Kinder in die gleiche katholische Privatschule gehen. Einige Monate später war Kern im Herbst 2015 in Leitners Privatwohnung zu einer Party eingeladen. So der Falter. 2016 waren dann die Familien Kern und Leitner gemeinsam auf Urlaub – ohne, dass Christian Kern selber dabei war. Es ist schwer einzuschätzen, wie nahe sich Kern und Leitner (oder ihre Familien) stehen. Ein gemeinsamer Urlaub und eine Einladung in die Privatwohnung lassen zumindest ein gewisses Naheverhältnis vermuten.

Wie nahe sich Kern und Leitner tatsächlich stehen, ist aber auch gar nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass die Optik für den ORF schlecht ist. Das reicht, meint Christoph Ulbrich.


Schon der Anschein genügt

Vergleicht man die Sachlage in der „Causa Tarek Leitner“ mit anderen Bereichen, in denen „Befangenheit“ eine Rolle spielt, wird schnell eines klar: Es kommt gar nicht darauf an, ob eine Person tatsächlich voreingenommen ist oder nicht. Schon der Anschein, dass es so sein könnte, reicht aus.
Die „Befangenheit von Verwaltungsorganen“ ist geregelt in § 7 AVG Abs. 1 Zi 3. Der lautet:

Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen: (Zi. 3) wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Die Befangenheit von Richtern, Schöffen und Geschworenen ist in §43 Strafprozessordnung geregelt. Demnach sind Richter Schöffen und Geschworene schon dann vom Verfahren ausgeschlossen, wenn „Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.

Es geht um das Vertrauen in die Institution – nicht nur um Fairness

Der – wie das so schön heißt – „Schutzzweck der Norm“ ist dabei nicht (nur), dass das Verfahren fair abläuft. Ziel des Paragrafen ist es eben, dass die Unbefangenheit gar nicht erst in Zweifel gezogen werden kann. Damit ist auch klar, warum der ORF Leitner ersetzen sollte. Nicht, weil Leitner tatsächlich voreingenommen ist. Das ist auch kaum zu belegen. Der ORF sollte Leitner ersetzen, weil er sich mit der Causa selbst beschädigt hat und weil er das ohnehin angeknackste Vertrauen in die Objektivität der je nach dem „Systemmedien“ des „Rot-“ oder „Staatsfunks“ weiter gefährdet.

Aufgelegter Elfmeter für den politischen Gegner

Aber nicht nur der ORF, auch Christian Kern selbst sollte ein Interesse daran haben, das Interview mit jemand anderem zu führen. Kern ist ein Profi, er ist jedem Journalisten gewachsen. Warum also dem politischen Gegner – ohne Not – ein solches Ass zuspielen. Warum sich unnötigerweise den Vorwurf und dem Anschein aussetzen.

Dazu kommt auch noch die schlechte Informationspolitik von ORF und SPÖ. Die offensichtlich lautet: Nur zugeben, was nicht mehr bestritten werden kann. So war erst nur von einem gemeinsamen Urlaub auf Ibiza die Rede. Dann die Einladung in Leitners Privatwohnung. Schließlich der Marokko-Urlaub der Familienangehörigen. Der Anschein (oder Vorwurf) hat sich verdichtet. Und das ist fatal.

Der ORF ist die Ausnahme von der Regel

Österreich ist ein kleines Land. Politiker und Journalisten kennen sich und sind auf Du und Du. Das gilt für alle Medien. Auch Sebastian Kurz ist gut bekannt mit Journalisten. Er war mit Profil-Herausgeber Christian Rainer wandern. Allerdings: Das Profil ist kein öffentlich-rechtliches Medium. Der ORF ist das schon. Es gibt eine ORF-Gesetz. In dessen §1 heißt es:

Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrages die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen […] zu gewährleisten. (§1 Abs. 3 ORFG)

Das Profil kann eine liberale Blattlinie haben. Der Falter eine linke und die Presse eine bürgerliche. Der ORF kann das nicht. Für den ORF müssen besonders strenge Maßstäbe angelegt werden. Er ist eben öffentlich-rechtlich und zudem in der Medienlandschaft dominierend.

Die Beliebigkeit der Objektivität.

Auch sonst ist der Anschein, dass der ORF stets „Objektivität“ und „Überparteilichkeit“ unter „Berücksichtigung der Meinungsvielfalt“ in der Berichterstattung walten lässt, nicht allzu gut. Das zeigt nicht nur die Moderatorenauswahl, sondern auch die Einladungspolitik des Senders. Bei der sich der ORF hinter – immer wechselnden – Formal-Kriterien versteckt

Ausschluss der Liste Pilz ist nicht zu rechtfertigen

Nach derzeitigem Stand wird die Liste Pilz nicht zu den Wahlauseinandersetzungen eingeladen. Begründet wird das damit, dass sie nicht im Nationalrat vertreten ist – zumindest nicht in Klubstärke. Das Team Stronach wurde 2013 hingegen eingeladen – wegen des Klubstatus. Ein recht willkürlich gewähltes, rein formales Kriterium. Denn objektiv – mit Blick auf die aktuellen Umfragen – betrachtet, wird die Liste Pilz in ähnlicher stärke wie das Team Stronach 2013 oder die NEOS einziehen.

Dass auch dieser Zugang möglich ist, beweist heute die deutsche ARD. Im deutschen Fernsehen sind AfD und FDP eingeladen – eben weil sie objektiv aus heutiger Sicht in den Bundestag einziehen werden.

Aber das ist eben Deutschland und nicht Österreich, wo man sich ja nicht erst seit gestern wundert, was alles möglich ist.

3 Gedanken zu „Den Anschein vermeiden: Warum Tarek Leitner das Sommergespräch mit Christian Kern nicht führen sollte“

  1. Medien und Journalisten (zumindest solche mit Qualitätsanspruch) sollten sich den – ursprünglich aus dem britischen Rechtssystem stammenden und auch für die Medienberichterstattung verallgemeinerungsfähigen – Grundsatz zu eigen machen: „Not only must Justice be done; it must also be seen to be done.“

    Der ORF und Herr Leitner haben es im Hinblick auf die Sommergespräche nicht getan.

    Die Problematik ist nicht, ob parteilich interviewt wird, sondern das Raum entsteht für den Vorwurf der Parteilichkeit bzw für Zweifel an der Unparteilichkeit. Wer diese Problematik nicht zu erkennen vermag hat die Grundsätze einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht verstanden.

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  2. In Österreich hast übrigens paradoxerweise fast keine Chance, einen Richter gegen dessen Willen wegen Befangenheit loszubekommen.
    Da gibt es Fälle, die haben clintonesque Züge (Richterin hat nur so zufällig Ersatzgewand im Schrank im Schlafzimmer beim Richterkollegen der Berufungsinstanz, aber er ist nicht ihr Freund).
    Kann euch jeder Anwalt bestätigen.
    Hatte gerade selber einen Fall. An einem BG in Niederösterreich. Anfangs waren wir beide (ein typischer trauriger Familienrechtsstreit) ohne Anwalt. Dann hat sie sich einen Anwalt genommen, der 5-10 Jahre, genau weiß ich das nicht, beim Mann der Richterin gearbeitet hat. Als Rechtsanwalt.
    Dann hab ich mir auch einen Anwalt genommen. Mein Anwalt hat gesagt, und das haben mir mehrere bestätigt, dass ich da nix machen kann. Typisches Gericht am Land.

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