Stefan Pierer und die hartnäckige Welser Witwe

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By Christoph Ulbrich

KTM-Chef Stefan Pierer ist mit einer Summe von über 400.000 Euro größter Spender von Sebastian Kurz. Böse Zungen behaupten ja, dass sich Großspender so das Wohlwollen der Politik sichern. Dass dieses Unterfangen mitunter auch nach hinten losgehen kann, wenn die Politik einem einen zu großen und zu offensichtlichen „Gefallen“ tut, zeigt die 10 Jahre alte – bisweilen grotesk-komische – Geschichte rund um Pierers Privatvilla.

Dass die Geschichte ausgezeichnet dokumentiert ist, verdanken wir einem OGH-Urteil aus dem Jahr 2007, das wie alle Höchstgerichtsurteile im Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts abrufbar ist. Christoph Ulbrich erzählen die Geschichte nach.


Ein Haus am Waldrand mit Blick ins Grüne – und eine Welser Witwe

Alles beginnt im Jahr 2002. Pierer wohnt mit seiner Familie am Rand von Wels im Stadtteil Puchberg. Sein Haus liegt direkt am Rand eines kleinen Wäldchens, mit unverbautem Blick ins Grüne. Damit die Aussicht so bleibt, kauft Pierer am 5. April 2002 das Nachbargrundstück. Die Verkäuferin, eine „Welser Witwe“, hat sich zuvor mehrfach um eine Umwidmung des Grundstücks in „Bauland-Wohngebiet“ bemüht. Vergeblich, das Grundstück ist und bleibt als „Grünland“ gewidmet. Und so kann Pierer das 3000m² große Grundstück um günstige 20,35/m² kaufen. Eine Umwidmung – und damit Wertsteigerung – scheint auf absehbare Zeit unmöglich zu sein. Im OGH-Urteil wird es später dazu heißen

Er [Pierer] rechnete damit, dass eine Umwidmung des Grundstücks in Bauland zumindest sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein würde, und hatte damals nicht vor, eine Umwidmung zu betreiben.

Pierer verkauft sein Grundstück an die Pierer Immobilien-Gesellschaft

Rund eineinhalb Jahre später am 23.12.2003 verkauft Pierer sein durch den Zukauf vergrößertes Grundstück weiter. An die zuvor gegründete Pierer Immobilien-Gesellschaft mbH & Co Kommanditgesellschaft. Die GmbH steht zu 100% im Eigentum von Pierer. Rechtlich gehört der private Wohnsitz Pierers nicht mehr dem Privatmann Pierer, sondern seiner Immobilienfirma, deren Vertreter und Eigentümer allerdings wiederum einzig und alleine Pierer selbst ist. Eine interessante Konstruktion. Laut OGH erfolgte die

Zwischenschaltung der GmbH nach Aussage des Erstbeklagten [Pierer] lediglich aus steuerrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Gründen.

Zur gleichen Zeit schlägt ein mit der Sanierung des alten Hauses beauftragter Architekt vor, das alte Haus abzureißen und einen (wesentlich größeren) Neubau zu errichten. Dazu muss allerdings der als Grünland gewidmete Teil des Grundstücks durch die Stadt Wels in Bauland umgewidmet werden – was zwei Jahre zuvor selbst Pierer noch als aussichtslos erschienen war.

Aus Grünland wird nun doch Bauland

Anders als bei der Vorvorbesitzerein im Jahr 2002 hat die Pierer Immobilien GmbH nun allerdings Glück. Die Politik ist dem prominenten Industriellen offensichtlich weit wohlgesonnener als einer Normalbürgerin. Die Umwidmung des Grünlands in Bauland geht reibungsfrei über die Bühne. Am 30. 9. 2004 beschließt der Gemeinderat von Wels (in dem damals noch die SPÖ die Mehrheit hatte) die Änderung des Flächenwidmungsplans 4/2003, BauR-3508-2004. Diese Änderung wird von der OÖ-Landesregierung genehmigt, und schließlich mit 4. 1. 2005 rechtskräftig.

Es geht auch anders, nur so geht es auch: Baubewilligung vor Umwidmung

Bereits am 15. Juli 2004, also über 2 Monate bevor der Gemeinderat in der Sitzung Ende September überhaupt über die Umwidmung beraten hat, beantragt die Pierer Immobilien GmbH, bei der Stadt Wels eine Baubewilligung. Die zu dem Zeitpunkt auch noch gar nicht im Grundbuch eingetragen Bauwerberin beantragt den Abbruch des

auf dem Grundstück 803/1 bestehenden Wohnhauses und die Neuerrichtung eines größeren, hauptsächlich auf dem Grundstück 804 und teilweise auch auf dem Grundstück 803/1 situierten Wohnhauses.

Im November wird die Baubewilligung erteilt. Selbst zu diesem Zeitpunkt ist die Umwidmung noch nicht rechtskräftig.

Dieser Ablauf der Ereignisse legt nahe, dass sich Pierer ziemlich sicher war, dass die Umwidmung in seinem Sinne erfolgen würde:

  • Ein Architekt wird beauftragt, einen Einreichplan zu erstellen. Ein solcher Einreichplan ist wesentlich detaillierter und teurer als ein Entwurf.
  • Das neue Haus wird nicht auf der ursprünglich als Bauland gewidmeten Fläche situiert, sondern großteils in der anderen Hälfte des Grundstücks.
    Die Baubewilligung wird beantragt.

All das zu einem Zeitpunkt, zu dem das Grundstück gar kein Bauland ist. Und obwohl Pierer angeblich davon ausging, dass eine Umwidmung „zumindest sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich“ sei.

Nun wundert sich die Vorbesitzerin über das plötzliche Wohlwollen von Politik und Baubehörde

Ende 2004 bekommt auch die Vorbesitzerin mit, dass das ehemals Ihr gehörende Grundstück zu Bauland umgewidmet wird. Zur Erinnerung: Ihr gegenüber wurde eine solche Umwidmung vor dem Verkauf von den Behörden wiederholt als aussichtslos beschrieben. Das Grundstück, das Sie 2002 verkauft hatte, hat damit zwei Jahre später fast den dreifachen Wert.

Laut Gerichtsakt betrug  der Verkehrswert des Grundstücks

per 5. 4. 2002 unter Berücksichtigung seiner nahezu ausschließlichen Widmung als „Grünland“ EUR 54.900,–. Hätte damals bereits die derzeitige Widmung (großteils „Bauland-Wohngebiet“) bestanden, hätte der Verkehrswert des Grundstücks per 5. 4. 2002 über EUR 147.000,– betragen.

Wegen 85.000 €: Es kommt zum Prozess

Die Vorbesitzerin fühlt sich übervorteilt und fordert daher Ende 2004 von Pierer entweder die Rückabwicklung des Verkaufs, oder die Aufzahlung auf den tatsächlichen Wert des Grundstücks. Es geht also um rund 85.000 Euro. Viel für eine Witwe, relativ wenig für einen Industriellen und Multimillionär. Zwar bezeichnet sich Pierer selbst als „generell der Typ, mit dem man über alles reden kann“. Die Aufzahlung lehnt er trotzdem ab. Pierers Anwalt vertritt vielmehr den Standpunkt, dass die Verkäuferin keine Ansprüche hat.

Pierer verliert das Verfahren in allen Instanzen

Es kommt zur Klage. Die Forderung stützt sich im Wesentlichen auf §38 Abs6 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994. Dieser lautet:

Wird ein Grundstück im Vertrauen auf die Wirkung eines Flächenwidmungsplanes (…), veräußert, und wird die Bebauung des Grundstückes durch eine nachträgliche, innerhalb von zehn Jahren in Kraft getretene Änderung oder Neuerlassung eines Flächenwidmungsplanes (…) zulässig, so hat der Veräußerer das Recht, bei Gericht die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung des vorigen Standes zu fordern, wenn der vereinbarte Kaufpreis nicht die Hälfte des Kaufpreises erreicht, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre.

Soweit die Rechtslage. Interessant dabei ist die Argumentation Pierers im Verfahren. Nicht er, sondern „die strikt von ihm zu trennende zweitbeklagte Partei“ die Pierer Immobilien GmbH (die zu 100% Pierer gehört) habe die Umwidmung erwirkt. Eine juristische Spitzfindigkeit. So wird es später auch das Berufungsgericht sehen: „Seine Verbindung zur Bauführung auf dem Grundstück 804 sei derart eng, dass es als unverständlich und spitzfindig erschiene, ihn rechtlich so zu stellen, als hätte er damit [der GmbH] nichts zu tun.“

Das Bezirksgericht als erste Instanz folgt Pierers Argumentation nicht und hebt den Kaufvertrag auf. Eben so die zweite Instanz. Letztlich bringt Pierer die Angelegenheit vor den Obersten Gerichtshof. Und erhält auch vom OGH eine Abfuhr. Der OGH stellt sogar das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts in den Raum.

Nach dem OGH-Urteil: Alles wieder auf Start

Damit gehört das Grundstück nun wieder der ursprünglichen Eigentümerin. Problem dabei: Auf dem Grundstück steht nun 2007 Pierers neue Villa. Ihr Anwalt, Siegfried Sieghartsleitner, stellt im Standard großes Unheil für die Pierersche Villa in den Raum: „Der ursprüngliche Zustand der Grundstücke müsste wieder hergestellt und ein gesetzlicher drei Meter-Abstand zur Grundgrenze eingehalten werden. Da müssten Teile des Haupt- und Nebengebäudes von Herrn Pierer abgerissen werden“

Soweit kommt es letztlich nicht. Pierers Villa steht auch heute noch am Stadtrand von Wels. Am Ende heißt es für Pierer: Außer Spesen nichts gewesen. Er muss der Verkäuferin die Wertdifferenz zahlen und die vermutlich erheblichen Kosten eines Verfahrens durch alle Instanzen tragen. Pierer wird es sich leisten können. Für die Eigentümerin, die Welser Witwe, waren die Prozesse indes ein unvergleichbar höheres finanzielles Risiko.


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