Irrlichternde Außenpolitik: Die Liebe der FPÖ zu autoritären Regimen in Moskau und Baku

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By Sebastian Reinfeldt

Johannes Hübner spricht von einer Totschlag-Kampagne. Er will dem kommenden Nationalrat nicht mehr angehören, um seine Partei vor Anwürfen zu schützen. Wurden seine antisemitischen Anspielungen bei einem Vortrag vor einer rechtsextremen Publizistik-Gesellschaft nur falsch interpretiert? Sicher nicht. Er benutzte antisemitische Codes der rechtsextremen Szene. Hübner ist ein ausgewiesener Rechtsaußen-Intellektueller und Ideologe. Als außenpolitischer Sprecher seiner Partei hat er die obskure Reisediplomatie der FPÖ mitgeprägt. Noch im Juli 2017 hielt er sich mit weiteren FPÖ-Politikern in Baku, Aserbaidschan, zu politischen Gesprächen mit Regierungsvertretern auf. Von jener Regierung, die seit Jahren „Kaviar-Diplomatie“ betreibt. So hat sie nachweislich Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) mit Teppichen, Geld oder Kaviar bestochen, um ein negatives Votum über politische Gefangene in Aserbaidschan zu verhindern. Erfolgreich übrigens, wie nicht nur der Deutschlandfunk in einem Rundfunkfeature belegt. Bei der entsprechenden Abstimmung in der Parlamentarischen Versammlung fehlte Johannes Hübner übrigens. Und das, obwohl der kaukasische Staat sein Spezialgebiet ist. Zufall? Eine Recherche von Sebastian Reinfeldt.


Die anti-westliche Achse Berlin – Wien – Moskau

Dass der amtierende Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ausgerechnet mit der FPÖ koalieren möchte, ist bemerkenswert. Denn die rechtspopulistische Partei fährt erkennbar auf einer außenpolitischen Geisterbahn. Der wegen seiner antisemitischen Anspielungen vorerst aus dem politischen Verkehr gezogene Johannes Hübner ist dabei ein ausgewiesener Proponent einer anti-westlichen Achse Berlin – Wien – Moskau. Und er ist ein Reisender. Wiederholt war er Mitglied von obskuren FPÖ-Delegationen: So sprach er 2012 mit Johann Gudenus bei Ramsan Kadyrow in Tschetschenien vor, um dem Machthaber die Achtung der Menschenrechte zu bescheinigen. 2014 bereiste er als Fake-Beobachter die Krim, um das sogenannte Referendum der russischen Besatzung zu goutieren. Möglicherweise als Belohnung dieser Parteinahmen hat die FPÖ 2016 einen Vertrag mit Putins Partei unterschreiben dürfen. In Moskau mit dabei: Johannes Hübner. Er ist einer der ideologischen Wegbereiter einer FPÖ-Außenpolitik, die ethnopluralistisch ist, nationalistisch, gegen die sogenannte „trans-atlantische Lobby“ gerichtet und ausdrücklich pro-russisch.

Aber alles der Reihe nach, und im Detail.

2012: Eine geheime FPÖ-Mission nach Grosny stellt dort „keine Anzeichen von Diskriminierung fest“

Ohne Wissen der österreichischen Botschaft reiste im Februar 2012 eine FPÖ-Delegation nach Grosny, der Hauptstadt Tschetscheniens. Geleitet wurde die Delegation der Freiheitlichen von ihrem außenpolitischen Sprecher, Johannes Hübner, und von Vize-Parteiobmann Johann Gudenus. Der Standard und Die Presse berichteten übereinstimmend über die Gespräche. Ziel war es, politisch verfolgte Flüchtlinge aus dem Kaukasus zu „Wirtschaftsflüchtlingen“ zu erklären, indem die FPÖ dem Regime in Grosny einen Persilschein ausstellte. Der Standard gibt die Einschätzungen der freiheitlichen Politiker so wieder:

„Wir waren einer Meinung“, sagte Gudenus laut „Presse“ über das Treffen. „Der überwiegende Großteil der Asylanten sind Wirtschaftsflüchtlinge. Und wir konnten uns selbst überzeugen, dass keine Verfolgung seitens Kadyrows vorliegt“, so der stellvertretende FPÖ-Obmann.

Sein Begleiter Johannes Hübner wird auf einer tschetschenischen Nachrichtenseite mit den Worten zitiert: „Es gibt keine Anzeichen von Krieg oder Diskriminierung aus nationalen, religiösen oder ethnischen Gründen. Wir sind davon überzeugt, dass die Führung der Region auf soziale Probleme besondere Aufmerksamkeit richtet. Deshalb würden wir uns über eine Kooperation mit Tschetschenien freuen.

Verfolgung von Frauen ohne Kopftuch im Kaukasus stellte für die FPÖ kein Problem dar

Amnesty International hingegen dokumentierte 2012 systematische Folter durch staatliche Stellen, unfaire Gerichtsverfahren, Entführungen kritischer AnwältInnen oder JournalistInnen, Vertreibungen sowie Diskriminierung von Frauen. In einem Amnesty-Gutachten aus dem Jahr 2012 heißt es ausdrücklich:

Von einer „Normalisierung“ der Situation in Tschetschenien, von der russische und tschetschenische Regierungsvertreter insbesondere seit der Amtseinführung von Ramzan Kadyrov im April 2007 wiederholt sprechen, kann nach wie vor keine Rede sein.

FPÖ-Politiker Johannes Hübner hingegen verglich nach seiner Reise in einem Interview mit European Ideas das Tragen von Kopftüchern in Tschetschenien mit den Kopfbedeckungen von Österreicherinnen in den 1950er Jahren. Deshalb sei das alles kein Problem, meinte er.

OG: Es gibt nämlich Berichte von Amnesty International oder auch dem Spiegel, dass Frauen, die sich ohne Kopftuch auf die Straßen trauen, mit Paintballgewehren beschossen werden.

Hübner: Das kann ich nicht sagen. Man sieht sie schon, aber sehr wenige. Also zumindest in den Schulen tragen alle Frauen Kopftuch. Nicht ein iranisches, sondern wie es Türkinnen tragen: Ein buntes, so wie die Frauen das bei uns in den 50-er Jahren getragen haben.

Krim-Referendum: Fake-Beobachter beobachten Fake-Referendum

Zwei Jahre später zieht es Hübner wieder gen Osten. Als selbst deklarierter „Wahlbeobachter“ war er auf der Krim unterwegs. Finanzier und Auftraggeber war eine Institution namens „Eurasian Observatory for Democracy and Elections“ (EODE), die aus Belgien stammt. Ihr Chef: Der prominente Rechtsextremist und National-Bolschewist Luc Michel, berichtet das Magazin Profil. Die österreichische Delegation bestand aus Hübner, Johann Gudenus und Ewald Stadler (!). Und Sie verlieh dem damaligen Referendum ein demokratisches Gütesiegel. Und das trotz gläserner Wahlurnen, trotz einsehbarer Stimmzettel ohne Kuverts und trotz fehlender Wahlkabinen. Weil das Referendum international nicht anerkannt wurde, gaben sich die österreichischen Rechtspopulisten dafür her, dem Ganzen einen demokratischen Anschein zu verleihen.

Das russische Nachrichtenportal Sputnik News interviewte Hübner im Januar 2015 zu eben jener Krimfrage. Er regte dabei an, dass der Europarat, dessen Parlamentarischer Versammlung er angehört, ein Referendum auf der Krim organisieren sollte. Die Bevölkerung, die noch dort lebt, könne dann frei über eine Wiedervereinigung mit Russland entscheiden.

2017: Hübner auf dem Internationalen Jalta Wirtschaftsforum

Das Engagement auf der Krim setzte sich weiter fort. Dort wird das sogenannte „Internationale Jalta-Wirtschaftsforum“ veranstaltet. Im April 2016 waren noch die FPÖ-Parlamentarier Axel Kassegger und Barbara Rosenkranz (sie kandidiert wiederum auf der Liste des FPÖ-Rebellen Karl Schnell) in ein Luxushotel in Jalta gereist. Dort trugen sie zur internationalen Aura der Veranstaltung bei. Zusammen mit anderen prominenten Rechtsaußen-Politikern wie Marcus Pretzell von der deutschen AfD, AFD-Jugendvorsitzender Markus Frohnmaier (der dort seine Frau kennen gelernt hat) oder Christo Marinow von der rechten bulgarischen Ataka-Parte, aber auch mit dem griechische Ex-Vizeverteidigungsminister Konstantinos Isyhos von der linken SYRIZA-Abspaltung Volkseinheitspartei sprachen sich die FPÖ-PolitikerInnen gegen Sanktionen gegen die besetzte Krim aus.

Im April 2017 übernahmen FPÖ-Nationalrat Johannes Hübner und Bundesrat Hans-Jörg Jenewein den Job. Beide reisten nach Jalta. Nun haben sie allesamt Einreiseverbote in die Ukraine. Über eine Rede Johannes Hübners auf dem Forum in Jalta ist nichts bekannt.

Interview in ZUERST! : „In Berlin werden fremde Interessen bedient“

Bei den den rechten Wahlbeobachtungen gerne mit von der Partie war ein gewisser Manuel Ochsenreiter. Publizist und Herausgeber der rechtsextremen „deutschen Zeitschrift“ ZUERST!, dem Hübner gerne Interviews gibt. In seinen Einlassungen vom Januar 2017 bezeichnet er, die deutsche Regierung als „Merkel-Regime“, dass mit „fremden Interessen“ Amerikas kollaboriere. Gemeint sind die USA. Dabei plädiert er deutlich für eine Re-Nationalisierung der Politik. Als Vorbild empfiehlt er irritierenderweise den Amerikaner Donald Trump.

Hübner: Es ist davon auszugehen, daß das Merkel-Regime der Inbegriff der bisherigen Kollaboration mit den Ame­rikanern ist. Anstatt sich selbst zu regie­ren, die eigenen nationalen Interessen zu vertreten und das eigene Staatswesen in den Mittelpunkt der politischen Ent­scheidungen zu stellen, werden in Ber­lin fremde Interessen bedient. Das hat man so sehr verinnerlicht, daß man be­reits bei einer möglichen Änderung die­ser fremden Interessen fast hysterisch reagiert. Wir müssen hier nicht um den heißen Brei herumreden: Die NATO ist ein Konstrukt, das spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges ausschließlich US-amerikanischen Interessen dient. Niemand in Europa kann ein ernsthaf­tes Interesse an einer transatlantischen Achse haben, die uns Europäern nur Kosten verursacht und uns dazu noch in außereuropäische Konflikte hinein­zieht. Wenn jetzt ein neuer amerikani­scher Präsident dieses imperiale Instru­ment NATO ein wenig zurückstutzt und diejenigen, die durch dieses imperiale Instrument kontrolliert worden sind, sich am meisten darüber beklagen, dann zeigt sich, in welchem Ausmaß die Kollaborateure diese Haltung verinner­licht und fast vergöttlicht haben.

2017: Die Österreich-Aserbaidschan Beziehungen in den verschiedenen Bereichen sind auf höchstem Niveau

Die Regierung in Aserbaidschan gehört zu den Freunden der FPÖ. Sie soll offenbar Teil der angedachten eurasischen Allianz gegen „fremde Interessen“ werden. So konnte HC Strache 2016 bei seiner „Rede zur Lage der Nation aus freiheitlicher Sicht“ zum Nationalfeiertag auch Diplomaten aus Aserbaidschan begrüßen  – neben VertreterInnen aus Bulgarien, Kroatien, Polen, Tschechien und Ungarn. Im Juli 2017 kam es dann zu einem Gegenbesuch. Die aserbaidschanische Nachrichtenagentur AZERTAG berichtet, als ob dies ein quasi offizielles Zusammentreffen auf der Ebene von Parlamentariern gewesen sei.

Am 6. Juli hat sich der erste stellvertretende Vorsitzende der Nationalversammlung, Ziyafat Asgarov, mit einer Gruppe von in Baku weilenden österreichischen Abgeordneten getroffen. Beim Treffen wurde über die Aussichten für den weiteren Ausbau der interparlamentarischen Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Österreich diskutiert.

Doch: Am 6. Juli 2017 waren von Seiten Österreichs ausschließlich FPÖ-Politiker anwesend, was die Nachrichtenagentur allerdings verschweigt. Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete und Wirtschaftssprecher Axel Kassegger ist auf dem Foto der aserbaidschanischen Nachrichtenagentur zu erkennen, ferner der umstrittene FPÖ-Politiker Dimitrij Grieb und schließlich Johannes Hübner (siehe Titelfoto dieses Beitrags). Hübner und Grieb sind übrigens noch über die Rechtsaußen-Zeitung „Zur Zeit“ miteinander verbandelt.

Hübner wird im Bericht der Nachrichtenagentur mit folgenden Worten zitiert:

Die Österreich-Aserbaidschan Beziehungen in den verschiedenen Bereichen sind auf höchstem Niveau.

Aserbaischan steht übrigens auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 162 von 180 Staaten. Bekannt ist, dass 14 Journalisten und Blogger derzeit wegen ihrer Arbeit inhaftiert sind. Kurz vor der Reise Hübners wurde Afgan Muchtarli, ein regimekritischer azerbaidschanischer Journalist, aus seinem georgischen Exil entführt.

Eine vollständige Vorstellung über dieses sensible Problem

Quelle: https://anton-shekhovtsov.blogspot.co.at/2017/03/afd-and-fpo-politicans-observe.html
Rechte Politiker trafen sich in Berg-Karabach. FPÖ und AfD-Politiker im Gespräch. Quelle: Anton Shekhovtsov’s blog

Am folgendem Tag informierte sich das Trio aus Österreich dann über den Karabach-Konflikt. Hier hat sich die FPÖ im Februar 2017 durch ihre Beteiligung am Verfassungs-Referendum in Berg-Karabach hervor getan. Für das von Armenien kontrollierte Regime attestierten die FPÖ-Politiker Wolfgang Jung (vom deutschnationalen Flügel der Partei) und der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler einem international von niemandem anerkannten Referendum, dass dabei alles mit rechten und demokratischen Dingen vor sich gegangen sei. Im Sommer 2017 ließ sich nun die FPÖ-Reisegruppe auf der anderen  Seite des Konfliktes blicken. In Aserbaidschan und unter der Leitung von Hübner. Am 7. Juli 2017 informierte sie der stellvertretenden Ministerpräsident Aserbaidschans und Vorsitzende des staatlichen Komitees für Flüchtlinge und Binnenvertriebenen, Ali Hasanov. Die FPÖ-Delegation war beeindruckt von seinem Bericht zu den „sozialen Problemen“ der „Binnenvertriebenen in Aserbaidschan“. Die Staatliche Nachrichtenagentur AZERTAG berichtet:

Österreichischer Parlamentsabgeordneter Johannes Hübner bedankte sich für ausführliche Informationen und ging davon aus, dass diese erhaltenen Informationen eine vollständige Vorstellung über dieses sensible Problem vermitteln. Er äußerte sich lobend über Arbeiten, die von der aserbaidschanischen Regierung in Richtung der Lösung der sozialen Probleme von Binnenvertriebenen in Aserbaidschan geleistet werden.

Die „Kaviar-Diplomatie“ Asberbaidschans

Dieser zweitägige Besuch hat die autoritäre Regierung von Aserbaidschan deutlich legitimiert und aufgewertet. Am ersten Tag hinsichtlich ihrer Demokratie, am zweiten Tag in einer sensiblen außenpolitischen Frage. Warum hat Johannes Hübner das getan? Neben den ideologischen Gründen (Stichwort: „eurasische Allianz“) könnte es ja auch handfeste Gründe geben.

Seit 2012 bringt die Europäische Stabilitätsinitiative brisante Dokumente über die „Kaviar-Diplomatie“ der Regierung Aserbaidschans an die Öffentlichkeit. Die autoritäre Regierung in Aserbaidschan versucht, sich von zahlreichen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen und der Inhaftierung politischer Gefangener weißzuwaschen. Unter anderem durch positive Länderberichte des Europarates. Nachgewiesen wurden massive und damals erfolgreiche Interventionen der Regierung vor einer Abstimmung zu politischen Gefangenen in Aserbaidschan am 23. Januar 2013. Diese wurden im kritischen Bericht des deutschen SPD-Abgeordneten Christoph Strässer angeprangert. Dieser wurde aber in der Parlamentarischen Versammlung mit 125 zu 79 Stimmen abgelehnt, bei 20 Enthaltungen. Wie sich herausstellte: ein gekauftes Votum.

Die Salzburger Nachrichten berichten, dass von den damaligen sechs österreichischen Europarats-Abgeordneten die SPÖ-Mandatare Stefan Schennach und Gisela Wurm dafür gestimmt hatten, sowie die Grüne Alev Korun. Währenddessen scheinen die ÖVP-Abgeordneten Werner Amon und Franz Leonhard Essl sowie der FPÖ-Nationalrat Johannes Hübner nicht im Abstimmungsverzeichnis auf.

Ein Zufall?


Danke an das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands für die Beratung.

Fotocredit: AZERTAG


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2 Gedanken zu „Irrlichternde Außenpolitik: Die Liebe der FPÖ zu autoritären Regimen in Moskau und Baku“

  1. „Dass der amtierende Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ausgerechnet mit der FPÖ koalieren möchte, ist bemerkenswert.“

    Hat Kurz sicj je in diese Richtung geäußert? Mir scheint Kurz eher Garant dafür zu sein, dass die Große Koalition noch einmal drübergerettet wird, nachdem sie in Umfragen ziemlich lange unter 50% lag.

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