Warum die Grüne Krise?

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By Sebastian Reinfeldt

Im Wahlkampf mit internen Diskussionen beschäftigt zu sein, so etwas kommt natürlich zur Unzeit. Selbstverständlich sollten die Listenwahlen einer Partei so ablaufen, dass das innere Machtgefüge austariert wird. Im Normalfall sollte eine Partei bereits vor der Wahl wissen, wofür sie politisch steht. Worauf sie dann im Wahlkampf den Schwerpunkt legt, sollte dann die Frage beantworten, welche Rolle und Funktion die Partei im politischen System spielen will. Im Falle der Grünen hat all das aber nicht geklappt. Warum eigentlich, was sind die Gründe für die Grüne Krise?, fragt sich Sebastian Reinfeldt.


Ein missverstandener Wahlsieg …

Wahrscheinlich staunen auch die Mitglieder der Grünen gerade selbst Bauklötze. Den ehemaligen Bundesvorsitzenden „Sascha“ van der Bellen hat man in einem nicht enden wollenden Wahlkampf zum Bundespräsidenten gebracht. Tagein, tagaus sind die Grünen für „ihren“ Kandidaten gelaufen, haben geredet, über Parteigrenzen hinweg zusammen gearbeitet und sich viele Sympathien – oder zumindest Respekt – erarbeitet. Dann ging es aber schon los mit den grünen Irrtümern: Der Wahlsieg van der Bellens wurde als Zustimmung zur Partei missverstanden. Die kommende Wahl schien eine „gemahte Wiesn“ zu werden. In Wahrheit ist der Erfolg van der Bellens aber nur das Resultat einer erfolgreichen Hofer-Verhinderung.

… und plötzlich ging alles richtig schnell

Plötzlich jagt eine interne Krise die andere: Die Jugendorganisation Junge Grüne geht erst auf die grüne Studierendenorganisation GRAS los. Und dann auch noch gegen die damalige Bundessprecherin Eva Glawischnig. Die Partei wirft die Jungen Grünen daraufhin aus der Partei. Beruhigt hat das die Situation mitnichten. Glawischnig tritt zurück. Schnell wird die Nachfolge geregelt. Dennoch gelingt es nicht, das Machtgefüge innerhalb der Partei zu organisieren. Hinter den Kulissen wird heftig gestritten. Aushängeschilder der Partei werden abmontiert und durch politisch profillose Personen ersetzt. Die Listenaufstellungen zur Wahl führen Bundespartei und einige Landesverbände an den Rand der Spaltung.

Karriereverein auf Gegenseitigkeit

Das schaut wie eine Art Säuberung aus. Doch fehlt dabei irgendeine politische Differenz zwischen den Beteiligten. In der Partei gibt es keine deklarierten Strömungen. Was sind also die Ursachen dieser Krise? Es gibt keine politische Trennlinie innerhalb der Partei. Jedenfalls keine ausgesprochene. Das ist irritierend, denn es ist nicht zu verstehen, worum es eigentlich geht.

Eine Erklärung könnte sein: Die Grünen waren (und sind) ein Karriereverein auf Gegenseitigkeit. So etwas funktioniert solange gut, solange alle Beteiligten mit einer wachsenden Zahl von Mandaten rechnen können. So lassen sich „Neue“ relativ problemlos integrieren. In dem Moment, wo jede und jeder von gleich bleibenden oder schrumpfenden Mandatszahlen ausgeht (wie man das derzeit tun muss), beginnt das Hauen und Stechen um knappere werdende Ressourcen. As simple as that.

Wer ist eigentlich die Basis?

Stimmen bei den grünen Landes- und Bundeskongressen eigentlich Menschen ab, die keine Funktion und kein öffentliches Mandat inne haben? Wahrscheinlich nicht viele. Dennoch wird in der öffentlichen Kommunikation von „der“ Basis gesprochen. Die Grünen sind eine Medien– und keine Mitgliederpartei und sie haben auch wenig Augenmerk darauf gerichtet, Menschen politisch zu aktivieren und eine Mitmachpartei zu werden. Das rächt sich jetzt.

Ein Umstand zudem, der den internen Klüngel fördert und die Innenperspektive, aus der heraus politische Fragen beurteilt werden. Denn es gibt als Außen der Partei lediglich eine mediale Öffentlichkeit, die reißerische Geschichten sucht, nicht die seriöse politische Debatte. Eine interne Öffentlichkeit, die eine politische Diskussion nachvollziehen könnte, existiert kaum – und damit fehlt auch ein politischer Reflexionsraum.

Gib der Zielgruppe, was die Zielgruppe will

Für Außenstehende sind die Grünen politisch profillos. Der Julian Schmidsche Slogan „Öffi für alles“ war da schon bezeichnend. Die Strategie zu Stimmenmaximierung des Karrierevereins auf Gegenseitigkeit beruhte auf einem eigentlich simplen Prinzip: Gib jeder Zielgruppe das, was sie will. Den Linken den grünen Miethai, der grünen Mittelschicht die possierlichen Tierchen und „Bio macht schön“, den zornigen Männern die „Aufdecker“ Kogler und Pilz. Doch wird daraus kein politisches Projekt mit Strahlkraft.

Wie wird der erklärte Wille zur Veränderung der Gesellschaft erklärt? Wo sind Ecken und Kanten der Grünen, wenn sie an Regierungen beteiligt sind? Wo bleibt der kritische Gesellschaftsentwurf, der Widerspruch und politische Leidenschaft provoziert? Weil die politischen Inhalte weich gespült werden, um keine der Zielgruppen zu verschrecken, wurde auf ein politisches Profil verzichtet. Jede und jeder projiziert in die Partei, was sie oder er will. Nur in Regierungsverantwortung das eigene Klientel mit Radwegen oder Subventionen für Kulturveranstaltungen zu bedenken, ergibt eben keinen politisch-kritischen Diskurs. Sondern Klientelismus, nur eben einen grün gestrickten.

Orientierung an Macron und Merkel?

Dieses grüne Insich-Sein zeitigt direkte politische Konsequenzen: Ideologische Orientierungslosigkeit nämlich. So formuliert heute die neue grüne Vorsitzende Ingrid Felipe in einer Facebook-Notiz – quasi an die eigene Partei – folgende politische Botschaft:

Matchen wir uns um die besten Konzepte für die Zukunft: Wie kriegen wir den Klimaschutz auf die Reihe, wie ist unser Sozialstaat gerecht, wie erleichtern wir das Leben von Menschen (Frauen und Männern!) mit Betreuungspflichten, wie schaffen wir eine Orientierung an Macron und Merkel statt an Orban und Trump?

Abgesehen davon, dass Angela Merkel (zurecht oder zu unrecht, sei dahin gestellt) in Österreich eher eine Reizfigur ist: Macron zerstört gerade grundlegende Gewerkschaftsrechte in Frankreich. Ist das denn kein Problem für die österreichischen Grünen? Was wird der linke Gewerkschafter Markus Koza zu dieser Orientierung sagen? Der AUGE/UG-Gewerkschafter kandidiert auf einem aussichtsreichen Platz der Wiener Liste zur Nationalratswahl.

Warum sollten sich die Grünen ausgerechnet an Emmanuel Macron orientieren, und nicht an Bernie Sanders oder Jeremy Corbyn? Das würde doch politisch einen gewaltigen Unterschied machen. Beide Optionen decken die Grünen derzeit ab. Doch werden sie sich zwischen ihnen entscheiden müssen.


Fotocredit: Grüner Bundeskongress, Screenshot: https://www.gruene.at/buko17

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