„Das ganze Gerede über Rotblau hat im Grunde vor allem einen Effekt: Schwarzblau wird dadurch legitimiert!“

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By Sebastian Reinfeldt

Doron Rabinovici war einer der Gesichter der Bewegungen gegen Schwarz-blau: Die Demonstration Nein zur Koalition mit dem Rassismus gegen die „Schande Europas“ zählt zu den den größten Manifestationen gegen Rechtspopulismus in Europa: Im Februar 2000 versammelten sich 300.000 Menschen am Heldenplatz, regelmäßig donnerstags zogen bis zu 12.000 RegierungsgegnerInnen durch Wien. Wie beurteilen die AktivistInnen von damals die derzeitige politische Situation?

Aus dem Kreis der Demokratischen Offensive hat sich Isolde Charim in einem Kommentar in der Wiener Zeitung bereits deutlich gegen Rot-blau ausgesprochen. Dasselbe tut Doron Rabinovici nun im Gespräch mit Sebastian Reinfeldt.


Nach den aktuellen Umfragen wäre eine Beteiligung der FPÖ an der kommenden Regierung in der Kombination Blau-schwarz oder Blau-rot möglich. Für wie wahrscheinlich hältst du eine Regierungsbeteiligung der FPÖ nach den kommenden Nationalratswahlen?

Bei einem durchschlagenden Erfolg von Kurz denke ich, dass es sehr wahrscheinlich ist. Aber alles andere ist reine Spekulation. Was, wenn Strache erster würde? Würde Kurz bei ihm etwa den Vize machen? Kann es nicht auch eine Kombination mit Grünen und Neos geben, ohne Freiheitliche? Es ist ein Debakel, dass ein ganzes Land so tut, als führe an diesen rechtsextremen Populisten kein Weg vorbei. Das ist einfach nicht wahr.

In einem Video-Gespräch mit profil hast du gesagt, dass Blau-rot schlimmer wäre als Blau-schwarz. Kannst du das bitte nochmal begründen?

Die Protestbewegung im Jahr 2000 wurde auch von vielen aus der Sozialdemokratie und der Gewerkschaft unterstützt. Zudem war es damals nicht so leicht, den zivilgesellschaftlichen Widerstand an den Rand zu drängen, weil hier auch die SPÖ Schutz bot. Die Freiheitlichen an der Regierung ohne große oppositionelle Gegenkraft wäre viel gefährlicher. Von der ÖVP ist ja keine prinzipielle Ablehnung zu erwarten. Bei ihr ist ja seit dem Jahr 2000 klar, dass sie nichts gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ einzuwenden hat.
Hier kommen wir zum springenden Punkt: Schwarzblau ist viel logischer als Rotblau. Das ganze Gerede über Rotblau hat im Grunde vor allem einen Effekt: Schwarzblau wird dadurch legitimiert.
Durch diese Diskussion beraubt sich die Sozialdemokratie eines wichtigen Grundes, sie zu wählen. Die Wahl von Van der Bellen und auch jene von Macron haben gezeigt, es gibt eine Mehrheit, die den Staat nicht den Rechtsextremen überantworten will.

Im Falle einer erneuten Beteiligung: Erwartest du eine Protest- und Widerstandsbewegung ?

Das ist die falsche Frage! Nichts ist ausgemacht. Noch hat der Wahlkampf nicht begonnen. Alles ist offen. Wir sollten nicht darüber nachdenken, wann wir vielleicht protestieren werden oder ob, sondern wie es möglich ist, eine Mehrheit jenseits einer Koalition mit dem Rassismus zu schaffen.
Eines ist klar: Wir sagten im Jahr 2000: Durch die freiheitliche Regierungsbeteiligung werde verschoben, was legitim ist. Wir hatten leider Recht. Durch Schwarzblau wurde eben nicht die FPÖ gezähmt, sondern die politischen Verhältnisse wurden korrumpiert und die FPÖ wurde sogar radikalisiert. Was einst ein Skandal war, gilt nun als normal.
Vor allem brauchen wir jedoch eine Perspektive für ein soziales, ökologisches und demokratisches Europa, um die Kräfte des rechten Nationalismus, der schon öfter diesen Kontinent ins Unglück stürzte, zu überwinden.
Deswegen gilt es, alles daran zu setzen, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern

Was könnten aus deiner Sicht politische Alternativen zu einer Koalition mit der FPÖ sein?

Es gibt doch viele Alternativen, die ich als Demokrat vorziehe, selbst wenn sie mir nicht alle sympathisch sind. Selbst eine Kombination zwischen Schwarzgrünpink wäre mir lieber.
Aber Rotgrünpink ist doch eine logische Konstellation, denn hier könnten die Kräfte zusammenfinden, die eine Vision für ein Europa in Frieden und Demokratie verbindet.


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Doron Rabinovici

Doron Rabinovici wurde 1961 in Tel Aviv geboren und lebt seit 1964 in Wien. Er ist Schriftsteller und Historiker. Zu seinen bekanntesten literarischen Werken zählt die Suche nach M. und der Roman Andernorts. Beide erschienen bei Suhrkamp. Rabinovici veröffentlich daneben auch historische und zeithistorische Texte.

Im August 2017 erscheint bei Suhrkamp Die Außerirdischen. „Eine extraterrestrische Macht hat über Nacht die Erde erobert. Sol, Mitbegründer eines Online-Magazins, ist sofort von der Wahrheit der Meldung überzeugt, seine Frau Astrid ist skeptisch. Nach der ersten allgemeinen Panik sickern Neuigkeiten durch: Die Außerirdischen sind sanftmütig; sie meiden scheu jeden Kontakt; sie bringen Aufschwung und Frieden. Da ist nur ein kleiner Haken – sie bitten um Menschenopfer auf freiwilliger Basis. Überall werden Spiele ausgerichtet, um die Auserwählten zu bestimmen. Wer mitmacht, dem winken enorme finanzielle Vorteile.
Sols Online-Magazin ist mit einer rasch etablierten Talkshow dicht dran an den Ereignissen. Als sich aber Sols junger Nachbar Elliot als Kandidat für die Spiele meldet, stellt das Sol und Astrid auf die Probe. Und die Fragen werden drängend: Wer ist mitschuldig, wer profitiert, wer begehrt auf?“


Titelbild: Plakat zur Großdemonstration gegen Schwarz.blau 2000. Copyright by Milli Segal, Webdesign: A-ZYSTEMS

Foto: copyright@Reinhard Werner

1 Gedanke zu „„Das ganze Gerede über Rotblau hat im Grunde vor allem einen Effekt: Schwarzblau wird dadurch legitimiert!““

  1. Doron hat Recht. Man muss den Defätisten in der SPÖ scharf entgegentreten. Diese Defätisten, die eine sich selbst erfüllende Prophezeiung von sich geben, sind in Wirklichkeit die Wegbereiter von HCS.
    Das Problem dieser SPÖ-Funktionäre ist, dass sie in den langen Jahren, die sie in führenden Positionen verbracht haben, die politische Argumentation verlernt hatten und anstatt zu argumentieren immer nur kommandierten. Sie sind verängstigt, denn die meisten von ihnen haben keinen ordentlichen Beruf und können sich ein Leben ohne die sie stützende Macht gar nicht vorstellen.

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