Seit der Wahltermin fest steht, sind hier und dort Aufrufe für eine alternative linke Kandidatur jenseits von SPÖ oder Grüne zu lesen. Doch was braucht es eigentlich, dass eine unabhängige Linke in Österreich wieder Fuß fasst? Unser Gastautor Stefan Ohrhalllinger meint, dass eine erweiterte KPÖ-Kandidatur mit offenen und demokratischen Vorwahlen die Tür der Partei zur kritischen Masse in der Gesellschaft öffnen würde. Zum Nutzen aller Beteiligten.
Wo KPÖ drin ist, sollte KPÖ draufstehen
Die Krise der SPÖ-ÖVP Koalition und das Vorziehen der Nationalratswahl hat dann doch viele überrascht. Die Folge ist, dass die KPÖ die einzige linke Partei ist, die sowohl finanziell als auch organisatorisch aufgestellt ist, bundesweit anzutreten.
Frühere Wahlbündnisse mit der KPÖ haben gezeigt, dass immer neue Namen die WählerInnen verwirren. Sie waren meistens auch nicht erfolgreich. Also: Wo KPÖ drin ist, sollte daher auch KPÖ draufstehen.
Die KPÖ wird nämlich dort gewählt, wo sie sich erfolgreich für soziale Gerechtigkeit einsetzt, z.B. in der Steiermark – vor allem in Graz, aber auch in kleineren Gemeinden mit engagierten KommunalpolitikerInnen wie im niederösterreichischen Krems.
Warum die KPÖ ganz alleine trotzdem scheitern würde
Die Inhalte linker Parteien lassen sich eigentlich relativ einfach unter einen Hut bringen. Sie unterscheiden sich auch deutlich von den bisherigen Parlamentsparteien. Sie setzen sich für die Bedürfnisse der Menschen ein, anstatt ein ungerechtes System weiter zu unterstützen. Damit sind die – Hausnummer – 99% der Menschen gemeint, die nicht so reich oder mächtig sind, dass sie dies ohnehin nicht brauchen. Linke Parteien diskriminieren zwischen den Menschen nicht.
Unterschiedlich sind bei solchen Parteien nur der Weg und die Mittel, wie sie dieses Ziel erreichen wollen – und entsprechend werden sie auch eingeschätzt.
In den letzten Wochen habe ich viel mit Bekannten und Unbekannten über eine KPÖ-Kandidatur diskutiert. Das Ergebnis: Einige würden als kleinstes Wahl-Übel dafür stimmen, politisches Engagement für die politische Sache ist keines sichtbar. Dem gegenüber steht ein erhobenes Potential von ca. 20%, die für so eine Partei stimmen könnten. Es ist nicht zielführend, zu diskutieren, warum diese 20 Prozent bisher nicht erreicht wurden. Jedenfalls liegt es nicht an den Inhalten.
Ob auf dem Wahlzettel dann KPÖ oder KPÖ+ steht, mit oder ohne einer Liste von Anderen, wird daran auch nichts Wesentliches ändern.
Ziel: Eine Bewegung für soziale Gerechtigkeit
Ein Wahlantritt kann nur als Zwischenziel dienen:. Er kann Aufmerksamkeit für die Forderungen erzielen, Kosten der Kampagne zurück erstattet bekommen und AktivistInnen mobilisieren.
Weitaus wirkungsvoller kann die Zeit der Kampagne dafür genutzt werden, um Menschen zu erreichen, die durch das System frustriert sind und aktiv werden wollen. Beispiele, dass dies funktioniert, gibt es in anderen Ländern schon genug. Ich denke hier an Podemos in Spanien, Sanders in den USA, Mélenchon von France Insoumise und Corbyn im UK.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf sozialen Bewegungen aufbauen und Online-Tools sowie soziale Medien nutzen. So aktivieren sie Engagierte und deren Umfeld.
Dadurch ist es ihnen gelungen, eine Bewegungsstruktur aufzubauen, die demokratischer als festgefahrene Parteistrukturen ist. Auch werden Möglichkeiten der heutigen Technik genutzt.
„Partei“ und „Politik“ sind Schimpfworte geworden, da diese zu Recht als Teil einer machterhaltenden Kaste gesehen werden.
Wer aber selbst mitmachen und mitbestimmen kann, wird sich auch mehr engagieren. So kann das Bedürfnis der Menschen, ihr Umfeld zu gestalten, wieder mit ihren Möglichkeiten, Politik zu machen, vereint werden.
Der Mittel zum Zweck: Offene Vorwahlen für eine KPÖ-Liste
Was können wir in der kurzen Zeit noch von diesen Bewegungen lernen?
Der einzige Aspekt, der vor der Wahl bei einer KPÖ+-Kandidatur noch realistischerweise demokratisch mitbestimmt werden kann, ist eine offene Liste der KandidatInnen.
So könnte gewährleistet werden, dass soziale Bewegungen und andere Parteien dort gerecht repräsentiert werden (und eventuell in der Folge Delegierte einer Bewegung werden). Wenn Menschen, die man kennt und in die man Vertrauen setzt, daran beteiligt sind, fördert das die Motivation, sein eigenes Umfeld dafür zu mobilisieren.
Viele KandidatInnen, die zu einer offenen Vorwahl stehen, würden so auch präsentiert und in ihrem Umfeld bekannt. In den (sozialen) Medien würde es ebenso Aufmerksamkeit bringen, weil sie durch alle diese KandidatInnen multipliziert wird.
Der Modus?
Eine breite Mobilisierung kann nur durch gerechte Repräsentation und leichte Zugänglichkeit erfolgen.
In einer offenen Vorwahl können sich alle mit Bild, Kurz- und Langtext online präsentieren, z.B. nach Vorbild der Neos: Die KandidatInnen werden in der Liste nach absteigender Stimmenanzahl so gereiht, so dass an jeder ungeraden Stelle eine Frau ist.
Um eine möglichst weitreichende Beteiligung zu erreichen, muss die Vorwahl online durchgeführt werden, mit einer Option der Unterstützung vor Ort.
Um vor Manipulationen zu schützen, ist eine persönliche Registrierung notwendig, sowie eine Ja/Nein-Abstimmung über die Ergebnisse an einem zentralen Ort in Person.
Wenn Treffen vor Ort nötig sind, kann dies von einer lokalen KP-Ortsgruppe organisiert werden, da sie als einzige bundesweite Strukturen hat.
Für die Durchführung der Online-Wahl gibt es bereits einige Open Source Tools, sowie genügend AktivistInnen, die das Know-How dafür haben. Für die Vernetzung aller Interessierten, die in diesem Sinn in einer Bewegung für soziale Gerechtigkeit aktiv werden wollen, habe ich die Facebook-Gruppe Linke „Vorwahl – Virtuelle Konferenz“ erstellt.
Lassen wir es auf einen Versuch ankommen! Wir haben eh nicht viel zu verlieren.
Dr. Stefan Ohrhallinger ist Aktivist für Wien Anders in der Leopoldstadt, wo er sich derzeit gegen ungerechtfertigte Entmietungen im Haus Taborstraße 18 im zweiten Wiener Bezirk einsetzt. Dieses Architekturjuwel soll abgerissen werden. Daneben arbeitet er in den Themengruppen Bildung und Verkehr an Programmatik zur Verteilungsgerechtigkeit.
Ich warne vor geheimen online Abstimmungen, zwecks Sicherheit und Nachvollziehbarkeit. Entweder offline/Papier oder offen abstimmen ist ok. Siehe https://papierwahl.at/e-voting-probleme/ .
Alternativ könnte man offline mit mehreren Urnen verteilt in Österreich und über einen merhere Tage abstimmen lassen, dabei muss man aber garantieren dass niemand bei mehreren Urnen abstimmt. Wie bei der ÖH Wahl zb.
Würde die KPÖ diesen Vorschlag aufgreifen – welchen die KPÖ Stmk. hoffentlich zu verhindern weiß – würde die Bundes-KP, allen voran die Wiener Führung, einmal mehr unterstreichen, dass sie keine kommunistische Partei (mehr) sein will. Wenn mit offenen Listen Menschen kandidieren werden können, die zwar möglicherweise von der Solidargemeinschaft schwärmen, von Kapital, Mehrwert und Produktionsmitteln aber keine Ahnung haben, verliert eine kommunistische Partei jegliche Restlegitimität. Sie ist dann im besten Fall eine Linkspartei, im realistischeren eine liberale BürgerInnenliste.
Ganz nebenbei ist eine derartige Volksfrontstrategie, zumindest meiner Wahnehmung nach, doch erst vor kurzem beim Aufbruch gescheitert. Von SYRIZA ganz zu schweigen.
MMn kann nur eine Partei mit einem klar sozialistischen Programm die arbeitenden Menschen mittelfristig (wieder) an eben diese Partei binden. Willfähriger Linksliberalismus (siehe andas und N. Alm) bringt weder den für KommunistInnen ohnehin irrelevanten Wahl“erfolg“ und schon gar keine gesellschaftliche Veränderung.
Vor allem jüngere KP-Mitglieder könnten ja auch einmal recherchieren welche Positionen die KP vertrat, als sie noch eine einigermaßen starke Partei im Sinne von gesellschaftlicher Verankerung war. Ich denke, manche werden überrascht sein.
Rotfront!
Nur eine Bewegung, die es erlaubt, mitzugestalten, kann dazu führen, dass sich wieder mehr Menschen für Politik interessieren. Nur dann ist es auch möglich, die gesellschaftlichen Zusammenhänge breiter zu diskutieren und gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken.
Na ja, die KPÖ heißt Kommunistische Partei Österreichs und nicht Kommunistische Bewegung Österreichs. Von daher erübrigt sich diese Diskussion, denn kann man von einer Partei (bzw von deren Mitgliedern) ernsthaft verlangen sich selbst aufzugeben?
Natürlich ist Partei nicht unbedingt Partei. Nur eine kommunistische Partei sollte wissen warum sie eine solche ist. 😉