Neuwahlen? Oder weiter so durchwurschteln mit etwas verändertem Personal? Das scheinen die beiden einzigen Alternativen in der österreichischen Politik zu sein. Theoretisch gäbe es aber noch eine dritte Option: Eine Minderheitenregierung. Die schlägt unser Gastautor Volker Plass vor. Denn: Das Schönste dabei: Womit würde sich Sebastian Kurz bis Herbst 2018 die Zeit vertreiben?“
Eine kleine innenpolitische Phantasie
Wenn Christian Kern eine wirklich coole Socke wäre, würde er jetzt zum Rechenstift greifen und feststellen, dass ÖVP und FPÖ zusammen derzeit nur 90 Abgeordnete im Nationalrat haben. Also knapp weniger als die Hälfte.
Dann würde er das tun, was nur in Österreich unvorstellbar ist, aber in vielen anderen Ländern selbstverständlich wäre: Er würde sich von allen anderen Fraktionen die Unterstützung für eine SPÖ-Minderheitsregierung holen – und damit zum Bundespräsidenten latschen.
Das Ziel dieser neuen Regierung wäre ein einfaches: Durchhalten bis zum ordentlichen Wahltermin im Herbst 2018 und zeigen, dass man dieses Land auch ohne ÖVP und FPÖ gut regieren kann.
Die Grundlage wäre Kerns Plan A, der vielen Österreichern wahrscheinlich beim Arsch lieber ist als das derzeitige Regierungsprogramm beim Gesicht. Als „Amuse Gueule“ dürfte sich jede unterstützende Fraktion daraus zwei, drei Punkte aussuchen, die ihr besonders wichtig sind. Diese würden vorrangig behandelt sowie als „großer gemeinsamer Erfolg“ abgefeiert.
Für die anderen Parteien wäre die Sache mehr als verlockend
Die Lust der Grünen auf plötzliche Neuwahlen ist derzeit überschaubar, und eine Regierungsmehrheit jenseits von Blau-Schwarz ist in ihrem fundamentalen strategischen Interesse. Die NEOS könnten sich dieser Idee gar nicht verschließen, da sie auf Innovationen aller Art quasi zwangsabonniert sind. Und die Untoten in den letzten Sitzreihen (Team Stronach + vier fraktionslose Abgeordnete) haben ein einziges Ziel: die gut bezahlten Abgeordneten-Jobs so lange wie möglich zu behalten.
Im Herbst 2018 würde Christian Kern mit dem Satz „Lasst Kern und sein Team arbeiten!“ vor die Wähler treten. Und das schauen wir uns an, dass dann diese neue Regierungs-Konstellation keine satte Mehrheit bekäme!
Trotz guter persönlicher Beliebtheitswerte wäre Kerns Chance, Regierungschef zu bleiben, bei kurzfristigen Neuwahlen sicherlich nicht größer. Im derzeitigen innenpolitischen Pokerspiel muss er sowieso „all in“ gehen – warum also nicht auf eine vollkommen neue und phantasievolle Weise?
Und das Schönste dabei: Womit würde sich Sebastian Kurz bis Herbst 2018 die Zeit vertreiben?
Volker Plass ist Kommunikations- und Strategieberater und ehemaliger Bundessprecher der Grünen Wirtschaft.
Fotocredit: Anna Stöcher
Ich kann mich noch an die Zeit der Minderheitsregierung Kreisky erinnern. Damals gab es kurzfristig viele Reformen im Interesse der Bevölkerung. Der Plan A ist damit nicht vergleichbar.
Und er hatte die Zusage der FP, mindestens einem Budget zuzustimmen.
Außerdem ist Kurz nur Fassade, Kreisky war Fassade und Substanz. (Das sage ich aus eigener Anschauung, ich war bei zwei Treffen des VSStÖ mit Kreisky dabei).
Der Charme der Variante von Volker Plass ist ja die, dass er sagt: Die Beteiligten sollten einige Punkte durch eigene Projekte zum Leben erwecken. Zum Beispiel könnte man ja den sozialen Wohnungsbau anders beleben als wie im Regierungsprogramm beschrieben.