In einer Demokratie ist Medienvielfalt elementar. Kontroverse Diskussion und kritische Analyse sichern die demokratische Kontrolle der Herrschenden. Und sie halten die Tür für grundlegende Veränderungen auf. Das gilt auch – eigentlich besonders – für unabhängige Blogs und Nachrichtenportale wie etwa neuwal.com. Sie schaffen mit geringem finanziellen Aufwand eine kritische Öffentlichkeit.
In Österreich gibt es laut Blogheim.at momentan 1573 Blogs. Tendenz steigend. Zu den wenigen politisch orientierten Blogs und Nachrichtenportalen ist jüngst Politiknews hinzugekommen. Modern aufgemacht, in Weiß und dunklem Orange wirkt das Portal kritisch und unabhängig. Allerdings nur auf den ersten Blick. Klickt man durch die Artikel, so fällt auf: Politiknews hat eine Schlagseite Richtung SPÖ. Wenn man noch genauer hinschaut, dann wird klar: Politiknews – das auf seiner Facebook-Seite kritische Berichterstattung verspricht – ist ein SPÖ-Parteimedium, um Dirty-Campaigning gegen politische Gegner voran zu treiben. Unter dem Deckmantel eines scheinbar „kritischen“ Mediums. Doch nur FPÖ und ÖVP werden unter die Lupe genommen. Besonders trifft dies auf den mit Abstand populärste ÖVP-Politiker, Außenminister Sebastian Kurz, zu. Als Person steht er unter Dauerbeschuss. Die SPÖ indes kommt durchwegs gut weg. Was aber auch nicht verwundert. Denn Politiknews kommt über Umwege direkt aus der SPÖ-Parteizentrale. Eine Recherche zu den neuen „KollegInnen aus der Löwelstraße“ von Christoph Ulbrich und Sebastian Reinfeldt.
Blogs im Dienste von Parteien
Politiknews: Hinter den Kulissen eines „owned mediums“
Chapter1: Die Gemeindebauzeitung
Chapter2: Unser Wien – unsere Stadt
‚Same old story‘. Das gilt auch für die Webseite und das gleichlautende Gratisblättchen Unser Wien unsere Stadt. Beide werden allerdings aus dem Topf für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Wien finanziert, mit einmalig 10.000 Euro plus 5000 Euro pro Quartal. Insgesamt also gibt die Stadt jährlich zumindest 30.000 Euro aus. Chapter2 arbeitet also für die Stadt Wien – finanziert mit öffentlichen Geldern und betreibt gleichzeitig Politiknews.at „in Kooperation mit der SPÖ“. Somit sind ein kommunales Informationsportal und ein SPÖ-Propaganda-Blog in der Hand ein und derselben Firma. Zumindest die Optik ist dabei schief, da sich Partei-und städtische Zuwendungen überschneiden.
Noch schiefer wird die Optik allerdings, wenn man sich die Leistung für diese (bisher nachweisbaren) 30.000 Euro öffentlicher Gelder genauer anschaut. Denn das Wienwerbe-Blättchen und das zugehörige Internetportal sind äußerst seltsam. Ziel ist es offensichtlich, ein gutes Image für die Stadt Wien zu erzeugen. Durch nette Bildchen – wie das mit der Riesengießkanne – erkennt jede und jeder, wie schön der Frühling in Wien wirklich ist. Dazu gibt es auf den wenigen Seiten auch wenig Text. Und keine Anzeigen. Die Agentur produziert jedenfalls keinen journalistischen Inhalt, sondern stellt Vorhandenes halbwegs ansprechend dar. Produziert wird zirka ein Beitrag pro Monat. Immerhin.
So funktioniert das Dirty Campaigning mit politiknews.at
politiknews.at schreibt nur scheinbar neutrale Geschichten oder streute – ganz objektiv – teilweise völlig absurde Gerüchte. Wie etwa, dass Didi Mateschitz einen Einstieg in die Politik plane. Und das zusammen mit Irmgard Griss und Sebastian Kurz. Eine gute Portion Polemik im Stil der Bild-Zeitung darf natürlich nicht fehlen.
Ist das Gerücht gestreut oder der Bericht mit politischer Schlagseite publiziert, kann er von SPÖ-SympathisantInnen oder PolitikerInnen (wie etwa der Nationalratsabgeordneten Petra Bayr) geteilt werden. Für LeserInnen erscheint der Artikel dann als neutral recherchiert und in einem unabhängigen Medium publiziert. Nur die wenigsten BesucherInnen werden – so das Kalkül – ins Impressum sehen, um dort herauszufinden, dass es sich hier um gut verpackte SPÖ-Propaganda handelt.
https://www.facebook.com/petra.bayr/posts/10210621285580723
Nicht neu, aber eine Frage des Stils
Das Konzept als Partei eine eigene „Nachrichtenseite“ zu betreiben, um über politische Gegner den Schmutzkübel auszuschütten, ist nicht neu. Die FPÖ betreibt diese Strategie mit unzensuriert.at seit vielen Jahren. Dennoch ist es eine Frage des politischen Stils, ein Parteimedium auch als solches erkennbar zu machen – oder eben nicht. Diesen Hintergrund zu verschleiern, ist zumindest unlauter. Ist das der neue politische Stil, den Christian Kern vor einem Jahr versprochen hat? Neu ist er für die SPÖ jedenfalls. Ob er auch besser ist, bleibt fraglich. Das gilt übrigens auch für den Kontrast-Blog.
Kontrast-Blog: Content aus den SPÖ-Parlamentsclubs
Ein ähnliche Strategie wie Politiknews.at hat auch der Kontrast Blog. Konzipiert offensichtlich für eine andere, stärker an Politik interessierte Zielgruppe, wirkt auch er auf den ersten Blick nicht wie ein Parteimedium. Wichtiges Thema sind auch hier die ÖVP-Minister Sebastian Kurz und Hansjörg Schelling. Berichtet wird über sie ebenfalls scheinbar ganz neutral: Die dominierende Farbe am Blog ist so auch Gelb und nicht Rot. Betreiber des Blogs ist allerdings der SPÖ-Parlamentsklub. Seine über 10 Redakteurinnen und Redakteure sind praktisch alle Mitarbeiter des SPÖ-Klubs. Um das herauszufinden, muss man auch beim Kontrast Blog in den Footer am Ende der Seite schauen und die kleine Schrift dunkelgrau auf schwarz entziffern. Spätestens dann wundert man sich über den Mangel an Kontrast. Und sei es nur darüber, dass der Blog des SPÖ Parlamentsklubs die Farbe Rot so scheut, wie der Teufel das Weihwasser.
1 Gedanke zu „Dirty-Campaigning mit „Fake-News“? Wie die SPÖ Politiknews.at nutzt“
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