Sympathiekampagnen von PolitikerInnen sind nichts Ungewöhnliches. Moderne Politiker erzählen gerne Heldengeschichte über sich selber. Im Fall von Bundeskanzlers Christian Kern soll der Held locker und volksnah sein. Gesagt, getan: Als Pizzabote klingelt er an der Wohnungstür und lässt sich zum halbpolitischen Plausch einladen.
Die Volksnähe hat allerdings einen Haken. Sie ist inszeniert.
Kern besucht nämlich keinen normalen Bürger, sondern einen SPÖ-Funktionär. Eine Analyse von Christoph Ulbrich und Sebastian Reinfeldt.
„Guten Tag, hier ist der Bundeskanzler. Möchten Sie eine Pizza?“
Stellen Sie sich vor, Sie bestellen eine Pizza. Und dann steht der österreichische Bundeskanzler vor der Tür. Hinter ihm eine neugierige Kamera. Was tun? Ins unaufgeräumte Wohnzimmer bitten? Oder ihn unfreundlich abweisen? Schwere Frage. Im SPÖ-Sympathievideo für Christian Kern wird er selbstverständlich herein gebeten. Die erste Familie berichtet sogleich, dass sie mehr Zeit für die Familie bräuchte. Der Beruf ist aber so stressig und verlangt einem alles ab. Kleine Alltagssorgen, die wir alle kennen.
Zu Besuch bei SPÖ-Freunden im dritten Wiener Bezirk
Das Video aber ist inszeniert. Und das auch noch schlecht. Denn am Türschild ist der Name der Familie lesbar. Es handelt sich um Familie Tatto. Eine schnelle Recherche ergibt, dass da ein Genosse einen Genossen besucht hat. Tatto kandidierte nämlich im Bezirk Landstraße für die SPÖ vor Ort. Im Wort-Rap auf der SPÖ-Homepage bezeichnet er die SPÖ als die „Partei für die Menschen“. Und wollte sich auch da für familienfreundliche Unternehmen einsetzen.
Im wirklichen Leben arbeitete er im SPÖ-geführten Sozialministerium. Und das ist sicherlich kein Durchschnittsjob.
Politiker nur mehr in Kontakt mit gescripteter Realität
Ein ernüchternder Faktencheck zu Kerns Video also. Aber lehrreich. Denn es ist ein Paradebeispiel für Post-Demokratie. BürgerInnennähe ist nur noch als inszenierte Veranstaltung möglich. Die Personen sprechen, was ihnen vorgeschrieben wird. Der Politiker antwortet, was vermeintlich gut zur vorbereiteten Szene passt. Die Bürgernähe findet in Wahrheit nur im Video statt. Das harte Leben, das sich deutlich woanders abspielt, wird dabei nicht erzählt. Es wird noch nicht mal angestreift.
Netter Beitrag.
Wenn man sich aber dazu entschließt, Texte mit Binnen-I zu verunstalten, dann sollte man es entweder konsequent tun, oder besser gleich bleiben lassen.