Hinweis: Dieser Text wurde am 14.02. nach Rückmeldung des Vereins „Kinder in Wien“ korrigiert.
Eine Seniorenresidenz und 50% soziale Nutzung. Das hat die Stadt für das Hamerling, einen Gebäudekomplex am Hamerlingpark, versprochen. Jahrelang stand er leer, dann wurde der Umbau politisch bejubelt. Übrig geblieben von der versprochenen sozialen Komponente sind enorm hohe Renditen und ein Kinderspielraum im Keller, der weniger als 1% „soziale Nutzung“ ausmacht. Dafür zahlt der Bezirk jährlich 70.000 Euro an einen ÖVP-nahen Verein. Ein echter Topdeal also. Überdies stehen die meisten Wohnungen und Residenzen bis heute leer.
Was sich wie eine Groteske anhört, beschreibt in Wahrheit die seltsame Wohnungspolitik der Wiener SPÖ und der Josefstädter ÖVP. Nur mühsam übertüncht durch Schönfärber-PR und großspurigen Ankündigungen. Man hofft wohl, dass sich niemand mehr erinnert. Christoph Ulbrich hat das öffentliche Tamtam nicht vergessen und nachrecherchiert. Heraus gekommen ist auch ein weiteres Beispiel der Wiener Spezialität, dass bei einem Deal dieselbe Person zwei Funktionen hat. Einmal auf Seite der Käufers und ein anderes mal auf Seite des Verkäufers auftaucht.
Das Hamerling im Herzen der Josefstadt ist eines der größten Gebäude des Bezirks. 20.000m² Nutzfläche. Ein ganzer Häuserblock direkt am Hamerlingpark. Eine der besten Adressen Wiens. Jahrzehntelang gehörte das ehemalige k. u.k. Karthographische Institut der Republik und wurde vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen genutzt. Seit Ende 2007 stand es leer.
Schließlich verkauft die Bundes Immobiliengesellschaft (BIG) das Gebäude an die Residenz am Hamerlingpark GmbH. Beteiligt an der GmbH sind die Soravia Gruppe, die Schweizer MHH Development AG und die BIG Entwicklungs- und Verwertungs GmbH.
Mit einer Investition von 70 Millionen Euro wurden in das ehemalige Verwaltungsgebäude Luxus-Penthouses eine Seniorenresidenz „auf 5-Sterne-Niveau“ und ein Ärztezentrum mit Privatarztpraxen gebaut.
SPÖ freut sich über „sinnvolle Nutzung“ und 50% soziale Nutzung
In einer Presseaussendung der Wiener SPÖ von September 2011 freut sich die Stadt noch sehr über das Projekt: „Schritt für Schritt rückt die Projektrealisierung der geplanten Seniorenresidenz mit teils betreuten Wohneinheiten inmitten des 8. Bezirks näher“, jubeln SP-Gemeinderat Siegi Lindenmayr und die Klubvorsitzender der SPÖ Josefstadt, Stefanie Vasold. Damit werde so die SPÖ weiter „das seit Jahren leerstehende Gebäude neben dem Hamerlingpark endlich einer sinnvollen Nutzung zugeführt.“
Besonders erfreut zeigt sich die Josefstädter SP-Klubvorsitzende, dass in der Flächenwidmung eine der wesentlichen Forderungen der SPÖ Josefstadt berücksichtigt wurde: „Wir haben immer gesagt, dass die vom Eigentümer vorgesehene Quote für die soziale Nutzung des Gebäudes von 35 Prozent viel zu gering ist. Dieser Anteil wurde nun auf 50 Prozent angehoben. Ein wichtiger Schritt für die Bevölkerung in der Josefstadt.
Von 50% sozialer Nutzung bleibt weniger als 1% übrig
In den Monaten danach wird bald klar, dass von der angeblich „sozialen Nutzung“, die im Planungsausschuss des Gemeinderats per Flächenwidmung festgeschrieben wurde, wenig übrig bleiben wird. In einer Presseaussendung vom Juni 2012 schlägt die Bezirks-SPÖ jedenfalls einen anderen Ton an:
Teure Senioren-Residenzen, Eigentumswohnungen und ein privates Ärztezentrum entsprechen wohl nicht der vorgeschriebenen 50-prozentigen sozialen Nutzung des Hauses, die durch eine Widmung klar definiert ist. Ein Indoor-Spielplatz oder ein Kulturzentrum wären ein guter Kompromiss“, appellieren Sternfeld und die Klubvorsitzende der SPÖ-Josefstadt, Stefanie Vasold, an die Besitzer des Gebäudes, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG).
Vier Monate später freut sich die Bezirks-SPÖ im Oktober 2012 – wieder per Presseaussendung – dann doch über einen tollen Verhandlungserfolg.
Nun darf sich der Bezirk über einen tollen Verhandlungserfolg freuen: „Im gestrigen Bauausschuss hat die BIG und Soravia die Pläne für den neuen Indoor-Spielplatz präsentiert. (…) Nun wird neben den Eigentumswohnungen, dem Ärztezentrum, und der Seniorenresidenz den Kindern ein Platz zum Turnen und Toben geboten. Das ist eine tolle Lösung – das Hamerling bietet nun wirklich für alle BezirksbewohnerInnen etwas
Bezirk zahlt für Spielraum jährlich 70.000 Euro an ÖVP-nahen Verein
Von den ehemals 50% sozialer Nutzung, die per Flächenwidmung festgeschrieben wurden, sind lediglich 120m² im Souterrain übrig geblieben. Das sind 0,6% des 20.000m² großen Gebäudes. Außer man rechnet so wie die Eigentümer des Hamerling und versteht unter einem Ärztezentrum für Privatpatienten und unter Senioren-Residenzen mit Mieten ab 3000,- Euro/Monat eine soziale Nutzung. Ein 72m²-Appartement für 2 Personen kostet übrigens ganze 7751,- Euro.
Aber selbst der Kinderspielraum – der kleine Rest der angekündigten sozialen Nutzung – im Souterrain hat einige Pferdefüße. Geöffnet ist der Kellerraum – wie der Kurier berichtet – wochentags jeweils von 15-19 Uhr und Samstags von 12-17 Uhr. Also ganze 25 Stunden pro Woche. Und auch nur dann, wenn der Privatkindergarten im Hamerling keinen Bedarf hat. In den Sommermonaten ist der Raum gänzlich geschlossen.
70.000,- für den Familienbund Österreich
Zudem ist die Sache für den Bezirk alles andere als billig. Die von ÖVP-Bezirksvorsteherin Veronika Mickel regierte Josefstadt zahlt jährlich 70.000 an den Verein „Familienbund Österreich“. Abgedeckt sind damit 25 Stunden pro Woche Betrieb, Betreuung, Reinigung usw. Eigentümer der Räumlichkeit ist der Verein Kinder in Wien. Er stellt dem Familienbund die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung. Kinder in Wien betreibt ansonsten einen Privatkindergarten. Kinder in Wien ist das ÖVP-Pendant zu den Kinderfreunden. Obfrau von Kinder in Wien ist die ehemalige Wiener ÖVP-Vorsitzende Christine Marek, die übrigens auch beim Errichter des Hamerling eine Funktion inne hat. Sie ist bei der BIG als Aufsichtsrätin tätig.
So wie Kinder in Wien ist wohl auch der Familienbund als ÖVP-nahe anzusehen. Zwar bezeichnet sich der Verein auf seiner Homepage als „überparteilicher und überkonfessioneller Verein„. Der Vorstand des Familienbund besteht allerdings überwiegend aus aktiven und ehemaligen ÖVP-Politikern – wie ebenfalls der Homepage zu entnehmen ist.
Extra Hohe Renditen für Investoren
Zurück zu den restlichen 49% „soziale Nutzung“. Die Tageszeitung Der Standard berichtet unter dem Titel „Immobilien für Senioren und Investoren“ über das Geschäftsmodell Seniorenwohnanlagen. Walter Eichinger, Geschäftsführer von Silver Living, einem auf Seniorenwohnanlagen spezialisierten Bauträger berichtet: „In Deutschland sei betreutes Wohnen hingegen schon heute eine der beliebtesten Assetklassen.“ Eichinger weiter:
Die Wohnprojekte werden an Investoren verkauft. Die Rendite liege bei bis zu 4,5 Prozent, also höher als am Wohnimmobilienmarkt.
Kurz gesagt: Was Politik und und Eigentümer der Öffentlichkeit als „soziale Nutzung“ verkaufen, bedeutet in Wahrheit extra hohe Renditen für Investoren.
Aus Single- und Familienwohnungen werden unleistbare Penthäuser
In den Stockwerken über der Senioren-Resident werden Eigentumswohnungen gebaut. Zu Beginn der Sanierung lobte der Projektentwickler bei einer Pressekonferenz mit Bezirksvorsteherin Veronika Mickel das breit angelegte Wohnangebot im Hamerling. In der Presseaussendung wird der Vertreter der Bundesimmobiliengesellschaft mit den Worten zitiert: „Auf Wohnflächen zwischen 70 und 170 Quadratmetern mit einer Raumhöhe von 3,70 Metern finden Singles und Familien alle Annehmlichkeiten, die sie brauchen, bis hin zum Blick über die Dächer Wiens.“
Zwei Jahre später ist davon keine Rede mehr. Heute bewirbt der Betreiber die Wohnungen auf der eigenen Homepage als „loftartig angelegte Penthouses zwischen 130m² und 210m²“ Mit den Quadratmeteren steigen auch die Preise. Alle Wohnung kostet deutlich mehr als 1 Million Euro.
Penthäuser und Seniorenwohnungen stehen seit Jahren leer
Vom vermeintlichen Mehrwert für den Bezirk und von der „sinnvollen Nutzung“ ist nach der Fertigstellung des Projekts praktisch nichts mehr übrig. Außerdem: Der Großteil des Hamerling steht auch heute leer. Von den 59 Senioren-Appartments sind ein Jahr nach der Eröffnung im Dezember 2016 ganze 7 vermietet. Oder anders gesagt: Über 85% der Senioren-Residenz stehen leer.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Penthouse-Wohnungen in den oberen Stockwerken. Über zwei Jahre nach dem „exklusiven Verkaufsstart“ steht mindestens die Hälfte der Wohnungen leer. Die Immobilienplattform der Tageszeitung der Standard listet immer noch 11 Penthouses in hohen und extrem hohen Preislagen auf. Die „billigste“ Wohnung mit 131m² kostet knapp 1,5 Millionen Euro. Die teuerste über 3,45 Millionen Euro für 210m². Die Preise liegen im – selbst für die allerbesten Lagen – Wiens exorbitanter Preisbereich von 15 bis über 20.000 Euro/m².
Zum Vergleich: Eine „normale“, gut ausgestattet Wohnung kostet in der Josefstadt derzeit ca. 5-6.000 Euro/m²
Das Bild ist somit ähnlich trist wie in der Senioren-Residenz. Von den 23 gebauten Wohnungen ist nach über 2 Jahren die Hälfte unbewohnt. Und das bei drängender Wohnungsnot in Wien. Aber die spielt sich offensichtlich in anderen Preisbereichen ab.
Anmerkung (06.02.2017): Der ehemalige Josefstädter Bezirksvorsteher Heribert Rahdjian hat mich darauf hingewiesen, dass unterschiedliche Angaben über den Leerstand im Hamerling gibt. Meine Information stammt aus einem Standard-Artikel vom 18.12.2016.. In diesem heißt es wörtlich: „In der Anfang 2016 eröffneten Residenz Josefstadt sind von 59 Appartements derzeit sieben bewohnt.“
Bezüglich des Leerstands bei den Penthouse-Wohungen listet das Verkausportal immobilien.net zum heutigen Tag zehn Wohnungen auf.
Es sind dies folgende Wohnungen:
210,42m² für 3.450.000
182,85m² für 2,950.000
181,00m² für 2,650.000
130,49m² für 2,620.000
146,66m² für 2,350.000
133,45m² für 2,320.000
158,94m² für 2,300.000
164,78m² für 2,270.000
131,84m² für 1,980.000 (diese Wohnung scheint anders als vor 2 Wochen nicht mehr auf.)
131,00m² für 1,490.000
131,68m² für 1,425.000
Dass mindestens die Hälfte dieser Wohnungen seit Jahr und Tag leersteht, davon kann sich in der dunklen Jahreszeit jede/r AnrainerIn überzeugen. Da helfen auch die verzweifelten Akquisitionsbrunches und -soireen der Betreiber, die man mit großer Verve veranstaltet, nix. Wirklich eine Schande, diese Privatisierung durch die Hintertür.
Alles wahr, ausser das Hamerling in Frühjahr 2016 eröffnet wurde. Es wurde in November 2015 erröfnet.
Aufgrund Rausschmiss des damaligen Direktoren und weil für die Wohnungen keine Interessenten gibt, wird jetzt darüber gelogen.
LG
Danke für den interessanten Artikel. Meine Tante sucht gerade nach betreutem Wohnen für Senioren im Raum Wien. Gibt es denn schon Neuigkeiten zur Nutzung?