Trumpets of Glory

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Zwischen Schock und Appeasement taumelt seit Trumps Wahlsieg die politische Mitte hin und her, ehe sie erwartungsgemäß damit beginnt, sich mit der neuen Realität zu arrangieren. Eine Analyse zum amerikanischen Präsidenten Donald Trump und zu den ersten Einschätzungen seiner Politik – von Richard Schuberth.


Einen Vorwurf hat Donald J. Trump bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit entkräftet: dass er ein Dampfplauderer sei. Die meisten diskurskritischen Fingerübungen, dieses blondierte Phänomen zu fassen, führten zu gebrochenen Fingern. The Donald ist kein Simulacrum. Wo Donald draufsteht, ist Donald drin, und während alles von post- und kontrafaktischer Politik schwafelt, schafft er hard facts. Per Dekret baut er die Mauer gegen Mexiko, per Dekret schafft er die finanzielle Unterstützung für Schwangerschaftsabbruchberatung ab, per Dekret verbietet er Schutzsuchenden aus sieben muslimischen Staaten die Einreise in die USA (vier dieser Länder werden zurzeit von der US-Luftwaffe bombardiert, und gerade jene islamischen Staaten, die als Zellen des Terrors, aber auch als beste Geschäftspartner Trumps gelten, bleiben von der Executive Order verschont). An seinem zweiten Arbeitstag unterzeichnete er zwei Dekrete, mit denen sowohl die Keystone-XL- als auch die Dakota-Access-Pipeline, an der er selbst als Investor beteiligt ist, neu genehmigt werden. Letztere war erst vor kurzem nach heroischen Protesten der indigenen Bevölkerung gestoppt worden.

Vorbild: Andrew Jackson, Master of Genocide

Auch bei der Inneneinrichtung setzt Trump neue Zeichen. Im Oval Office ließ er ein Porträt seines Lieblingspräsidenten Andrew „Old Hickory“ Jackson aufhängen – „an amazing figure in American history — very unique in so many ways“. Einzigartig in dem Sinne, dass Jacksons genozidale Politik immer auch mit privatem Interesse verquickt war: Als Besitzer von 150 Sklaven führte er den Feldzug gegen die Seminolen in Florida auch deshalb, weil diese gerne entlaufene Sklaven bei sich aufnahmen. Nach dem Sieg über die Seminolen wurden die Sklaven ihren rechtmäßigen Besitzern zurückerstattet. Und schließlich ließ Jackson im Rahmen des Indian Removal Act allein 46.000 Cherokees und andere Völker nach Oklahoma deportieren (ein Viertel von ihnen kam dabei auf dem „Trail of Tears“ um). Hauptmotiv war die Verfügbarkeit der fruchtbaren Böden des sogenannten Black Belt von Mississippi bis Alabama für die intensive landwirtschaftliche Nutzung, vor allem durch Gewinnung von Baumwolle.

Trash & Truth

Auch wenn es so aussieht, als hätte der kulturindustrielle Trash, der zur Ersatzwirklichkeit der Überflüssigen, Abgehängten und Wütenden wurde, die politische Realität ersetzt und hätten diese sich eine Mischung aus apokalyptischem Joker, High-School-Film-Trottel und Millardär wie du und ich ins Weiße Haus gewählt, und selbst wenn Trump per Dekret den Central Park abholzen ließe und ein Pferd zu seinem Vize machte – es ändert nichts daran, dass er ein bewährtes, rational analysierbares, wenngleich parodistisch zugespitztes Herrschaftsmodell verkörpert: die rechte Rebellion gegens Establishment, um eben dessen Interessen zu vertreten.

Noch ist Europa empört über die Übertreibung der eigenen Flüchtlings- und Exklusionspolitik. Das ist alles nicht sehr schön. Und dennoch im dehnbaren Rahmen des Demokratischen. Nein, nicht die Narren sind gemeint, die Trump gewählt haben, sondern jene direkteste aller demokratischen Institutionen, mit der sich noch kein Politiker des freien Westens anlegen traute: die Anleger.

New Yorks Bürgermeister De Blasio hat zwar zum zivilen Widerstand aufgerufen, aber gegen die wahre Regierung in New York, den USA, der Welt nimmt sich seine beherzte liberale Revolte wie Method Acting in einem Brooklyner Off-Theater aus. Denn die Wall Street hat Trump bereits zu ihrem Imperator gekrönt. Alle Prognosen von einem vor seiner Unberechenbarkeit einknickenden Dow-Jones-Index haben sich als falsch erwiesen. Im Gegenteil, dieser tut den höchsten Freudensprung in der 130-jährigen Geschichte seines Bestehens; keine Woche ist der Unberechenbare im Amt, und schon ging es mit den wichtigsten Aktienindizes der USA um zehn Prozent bergauf. Dies als Widerspruch zu empfinden, ist Ausdruck genau jener Kontrafaktizität, von der die liberale Expertise ständig faselt, und die ist von wegen postfaktisch, sondern mindestens so alt wie die Verweigerung faktischer Evidenz selbst. Sie zeigt sich zum Beispiel in der Ideologie, welche gesellschaftliche Freiheit und die Freiheit des Marktes als einander bedingende Werte fantasiert und sich auch durch den Gleichschritt der Nazis und des Kapitals nicht beirren ließ. Donald Trump kann noch so hohe Mauern gegen Mexikaner bauen, er reißt zugleich die letzten Ruinen staatlicher Regulierung ein, welche die Märkte behindern. Finanzminister Steve Mnuchin, ehemals Manager bei Goldman-Sachs, hatte bereits die Lockerung der seit der Bankenkrise strengeren Kontrollen der Banken sowie großzügige Steuergeschenke für die Unternehmen angekündigt.

Faschist oder gefälschter Denkzettel?

Während die besonneneren Geister innerhalb der in Endlosschleife per Click & Memes revoltierenden sozialen Netzwerke vor Ermüdung und Gewöhnung warnen, bricht bereits allerorts verhohlene Sympathie für diesen flotten neuen Zeitgeist.

Die putinfreundlichen und neopatriotischen Teile der Linken bewerten Trump als notwendiges Übel, als eine Art Savanarola, der mit plebejischem Mandat und Protektionismus gegen den Imperialismus des neoliberalen Establishments wütet. Mit ihrer Neubewertung Trumps werden sie sich nicht auf Dummheit ausreden können, wenn sie einst die Folgen ihres Realitätsverlustes verantworten müssen.

Den vernünftigeren Teilen der Linken hingegen geht in berechtigter Nervosität die Faschismusdiagnose zu schnell von der Hand. Autoritarismus, Rassismus, White Supremacy, Heimatkult, sozialistische Phraseologie, dabei mehr Unterstützung durch die rechte Mittelschicht als durch die Arbeiter sowie Interessensvertretung des Großkapitals, Sexismus, ein Antiintellektualismus, dessen Ausmaß die gängige Geistfeindlichkeit beinahe schon mit ihrem Gegner versöhnt, die Verkümmerung der bislang üblichen Politphrasen zu automatisiertem Grunzen, gefolgt von der scheußlichen Identität von Grunzen und Tat, konkret die Beziehungen zum ultrarechten Medienthinktank Breitbart News über Trumps Spin Doctor Stephen Bannon, der auch der Alt-Right-Bewegung nahesteht und den Trump soeben zum Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten gemacht hat – all das trägt faschistische Züge. Dennoch hat Trump keine militarisierte Massenbasis hinter sich und reizt bloß Schwachstellen und Widersprüche der amerikanischen Demokratie zu seinen Gunsten aus, ja, erteilt den liberalen Träumern die notwendige Lektion, welche antidemokratischen Spielräume ihre vergötzte Demokratie zulässt.

Eine Farce als Bonapartismus

Suchte man nach systemischen Vergleichen, dann ließe sich diese Farce als Bonapartismus bezeichnen. Und zwar nicht in Bezug auf den schneidigen Korsen, sondern dessen windigen Neffen, Charles Louis Napoléon Bonaparte, der nach der Revolution von 1848 Präsident der neuen französischen Republik wurde, die er 1851 in eine Kaiserdiktatur umwandelte, der, wie Marx ihn beschrieb, „eben als Bohemien, als prinzlicher Lumpenproletarier den Vorzug vor dem schuftigen Bourgeois hatte, daß er den Kampf gemein führen konnte“. Und bei neuer Lektüre von Marx’ brillantem „Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte“ fallen weitere Parallelen auf, zum Beispiel die zur „Gesellschaft vom 10. Dezember“, mit der Bonaparte das „bürgerliche Establishment“, zu dessen Vollstrecker er wurde, herausforderte:

Bonaparte weiß sich zugleich gegen die Bourgeosie als Vertreter der Bauern und des Volkes überhaupt, der innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft die unteren Volksklassen beglücken will. (…) Aber Bonaparte weiß sich vor allem als Chef der Gesellschaft vom 10. Dezember, als Repräsentanten des Lumpenproletariats, dem er selbst, seine entourage, seine Regierung und seine Armee angehören und für das es sich vor allem darum handelt, sich wohlzutun und kalifornische Lose aus dem Staatsschatz zu ziehn. (…) Und er bestätigt sich als Chef der Gesellschaft vom 10. Dezember mit Dekreten, ohne Dekrete und trotz der Dekrete. Diese widerspruchsvolle Aufgabe des Mannes erklärt die Widersprüche seiner Regierung, das unklare Hinundhertappen, das bald diese, bald jene Klasse bald zu gewinnen, bald zu demütigen sucht und alle gleichmäßig gegen sich aufbringt, dessen praktische Unsicherheit einen hochkomischen Kontrast bildet zu dem gebieterischen, kategorischen Stile der Regierungsakte, der dem Onkel folgsam nachkopiert wird.

Trump wird freilich kein Kaiserreich errichten, doch auch innerhalb des formaldemokratischen Rahmens dürfen seine faschistoiden Züge nicht bagatellisiert werden. Substrahiert man aus dem Kanon der Faschismustheorien den totalitären Staat von Trumps Portefeuille, dann lässt sich lange darüber streiten, inwiefern hier von demokratischem Faschismus gesprochen werden kann, und während wir darüber diskutieren, werden Modelle in diese Richtung gerade allerorts getestet und ausgereizt und auf ihre Zustimmung durchs Wahlvolk geprüft.

Anreize für Anleger, Imitatoren – und zum Kotzen

Die politische Mitte indes weiß ihr heimliches Faible für einen demokratisch gewählten, aber unternehmerfreundlichen Faschismus noch als mahnenden Pragmatismus zu tarnen. CSU-Vorsitzender Horst Seehofer zum Beispiel ist ganz neidisch auf Trumps Möglichkeiten, anachronistische Demokratie auszuhebeln: „Er setzt mit Konsequenz und Geschwindigkeit seine Wahlversprechen Punkt für Punkt um“, schwärmte er in „Bild am Sonntag“. „In Deutschland würden wir da erst mal einen Arbeitskreis einsetzen, dann eine Prüfgruppe und dann noch eine Umsetzungsgruppe.“ Und dass es dann vielleicht auch noch durch den Bundestag müsste, hat der demokratisch überforderte Prüf- und Umsetzungsgruppenleiter vorsorglich vergessen. Aber Dachau ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Trump kommt wie gerufen, er setzt das als unmöglich Gedachte in Amerika um, damit seine Kritiker und Bewunderer in Europa zumindest das Mögliche an Nationalismus, Rassismus und Entdemokratisierung beschleunigen können. Er fungiert als eine Art Standartenträger der zivilisatorischen Verelendung. Man wird ihn dorthin vorschicken, wo man sich noch nicht hintraut, und wohin er sein Banner pflanzt, rückt man zaghaft nach, nicht ohne zu beteuern, er sei wieder mal zu weit gegangen.

Was tun?

Die größte Gefahr, die von der blondierten Bestie ausgeht, liegt wohl darin, dass die überspitzte Mischung aus Spaßkultur und reaktionärem Ernst auch ihre Kritiker durch Gewöhnung verdummt und sie diese im permanenten Fasching des politischen Ausnahmezustandes die Sicherheitszonen kühler Analyse nicht mehr finden lässt, von welchen aus sich die wahren Proportionen erkennen lassen. Die beste Übung dafür, die Monstren zu vertreiben, die der Schlaf der Vernunft gebiert, ist bei der Kritik schon dort anzusetzen, wo der Trumpismus im Kern angelegt ist. Hier in Europa, nicht nur beim wuchernden Faschismus und Rassismus, sondern bei all den Kräften der Mitte, die sich diesen anbiedern und dennoch als ziviles Gegengift dazu verkaufen, nicht nur bei Nationalisten und Rechten also, sondern bei den Vollstreckern und Profiteuren von Austerität, Umverteilung nach oben und sozialer Ungleichheit. Sie untergraben eine Zivilisation, die einmal mehr in völkischer Gülle ertrinken wird. Alles was Trump tut, ist nicht Antithese, sondern Übertreibung einer auch diesseits des Atlantiks voranschreitenden Entdemokratisierung. Besonnene Konservative, Liberale und Sozialdemokraten, denen die Faschisierung des Abendlandes mittlerweile etwas unbehaglich geworden ist, müssten aus reiner Selbsterhaltung in eine radikale, aber demokratische Linke investieren, so verhasst deren Ideen ihnen auch sein mögen, nur damit der nach rechts kippende Kahn der Zivilisation zum Auslegeboot wird. Darauf lässt sich dann weiterstreiten.

Über Richard Schuberth: Er wurde 1968 in Ybbs an der Donau geboren, ist freier Autor, Cartoonist, Regisseur und Songwriter. Demnächst erscheinen seine gesammelten Essays und Artikel unter dem Titel „Unruhe vor dem Sturm“ im Drava Verlag. (Buchpräsentation am 16.März im Radiokulturhaus). Jüngste Publikation: Karl Kraus – 30 und drei Anstiftungen. Daraus wird er am 9. Februar 2017 im Schwarzberg lesen.

 

Foto von Trump: Wikipedia, Donald Trump by Gage Skidmore 10.jpg

 

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