Ein Kommentar von Mladen Savić zur geplanten Eingliederung der Sozialwissenschaften in die theologischen Fakultäten in Kroatien.
Kroatien, eine Teilrepublik Jugoslawiens, die 1990 zum Sturm gegen den blockfreien Sozialismus geblasen und dann, bewaffnet mit Paramilitärs, im Namen von Demokratie, Mehrparteiensystem und Marktwirtschaft prompt eine nationalistische, rechte Ideologie von Blut und Boden rehabilitiert hat. Dieses Land, seit seinem Blitzkrieg 1995 namens „Sturm“ einer der ethnisch reinsten Landstriche in Europa, ist in vielerlei Hinsicht europäisches Versuchslabor und Vorzeigefigur westlicher Werte. Es ist sozusagen Spezialist im Umdeuten der Wirklichkeit: Die Zerschlagung des jugoslawischen Rechtsstaats mit diplomatischer Unterstützung und westlichen Waffen sieht es als demokratische Pionierarbeit, die ethnische Säuberung seiner Minderheiten während seines sogenannten Vaterlandkriegs als nationalen Befreiungsschlag, die Privatisierung öffentlichen Eigentums und die kreditbedingte Vervielfachung seiner Auslandsschulden als Wohlstandsmodell, den Beitritt zur Nato nach Wegfall des Warschauer Paktes und in Folge den Beitritt zur EU als Friedensstrategie, Selbstschutz und sein gutes Recht.
Schokolinda und die europäischen Werte
Sonderbar nur, dass die kroatische Werteskala da keinerlei Aufsehen erregt. Immerhin, die Präsidentin Kolinda entschuldigt sich öffentlich dafür, kroatischen Kindern serbische Schokoladen verteilt zu haben, so als wären diese giftig oder gefährlich, reagiert aber ganz gelassen auf die Frage, warum sie sich in Kanada lächelnd mit der Fahne des faschistischen Ustascha-Staats fotografieren lässt, indem sie antwortet, sie sehe darin nichts Anstößiges. So spricht die Schokolinda… Na und! Sogar der ehemalige Kulturminister Hasanbegović ist Revisionist und, mit formalen Einschränkungen, bekennender Nazi. Zu Gedenkfeiern des Vaterlandkriegs paradieren Schwarzhemden und Faschismusnostalgiker ungeniert unter Augen der Polizei auf den Straßen von Knin, einer serbischen Stadt, die in den neuen Staat eingegliedert worden ist. Derweil montiert man in Jasenovac, dem ehedem größten und grausamsten Konzentrationslager am Balkan, Gedenktafeln mit der Aufschrift „Za dom spremni“ („Fürs Heim bereit“) eben jener kroatischen Ustascha, die dort als Täter, Wärter und Massenmörder im Zweiten Weltkrieg gewütet haben.
„Fürs Heim bereit“
2016 haben jüdische und serbische Organisationen sowie die Roma-Vertretungen die Teilnahme an den offiziellen Gedenkfeiern aus besagtem Grunde abgesagt. Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in New York redet sich den Mund fusselig und verlangt vergebens von den europäischen Stellen in Brüssel, endlich dazu Stellung zu nehmen. Das stellt doch für Kroatien kein Problem dar – und für die EU offenbar auch nicht! Nun überrascht die kleine Bananenrepublik neuerlich mit einer Riesenschweinerei: Die geisteswissenschaftlichen Fakultäten werden, ungeachtet internationaler akademischer Standards, der Leitung der katholischen Kirche unterstellt, der Laizismus und die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre also frontal angegriffen und demokratische Professoren- und Studentenvertretungen an der Universität in Zagreb illegalerweise kurzum entlassen. Europa indessen schweigt sich aus.