Berliner Linke: Eine widerständige, moderne linke Partei

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By Sebastian Reinfeldt

Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2016 hat Die Linke in Berlin außergewöhnlich gut abgeschnitten. Gegen den Trend in Deutschland konnte sie prozentual und stimmenmäßig deutlich zulegen und erreichte 15,6 Prozent der Stimmen. Mehr als die rechtspopulistische AfD und mehr als die Grünen in der Hauptstadt. Bis 16. November 2016 soll die – nach Thüringen – zweite Rot-rot-grüne (R2G) Koalition in Deutschland stehen. Am vergangen Freitag trafen sich die Verhandlungsgruppen von SPD, LINKE und Bündnis’90/Die Grünen zu ihrer ersten gemeinsamen Sitzung der Koalitionsverhandlungen.

Ist die Reorganisation der Linken in Berlin in den vergangenen Jahren ein Best-practice Beispiel? Mit welcher Strategie kam dieser Wahlerfolg zustande? Oder war das Resultat reiner Zufall? Mit Katina Schubert, die auch im linken Verhandlungsteam für die R2G-Verhandlungen sitzt, hat Sebastian Reinfeldt gesprochen. Katina ist Landesgeschäftsführerin der Berliner Linken und seit kurzem auch Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.


Katina, erst einmal Gratulation zu eurem Wahlergebnis. In Berlin ist die Hoffnung nach links gerückt, so kommentierte euer Landesvorsitzender Klaus Lederer das Ergebnis. Die Hoffnung worauf eigentlich?

Die Hoffnung darauf, dass die Berlinerinnen und Berliner sich ihre Stadt zurück erobern können, die Hoffnung darauf, dass Berlin sozialer und gerechter wird, dass die Berlinerinnen und Berliner mehr Einfluss auf das Geschehen in Ihrer Stadt bekommen. Kurz: dass sie wieder ihnen gehört

In der Abgeordnetenhauswahl 2012 zuvor habt ihr eine ziemliche Schlappe einstecken müssen und wart bei etwas mehr als 12 Prozent gelandet. Welche Konsequenzen hattet ihr aus der Niederlage damals gezogen?

MdA Katina Schubert. Landesgeschäftsführerin der Berliner Linken
MdA Katina Schubert. Landesgeschäftsführerin der Berliner Linken

Erstens: wir haben sehr viel Wert auf den weiteren Aufbau der Partei in beiden Hälften der Stadt gelegt. Dabei haben wir versucht neue Mitglieder zu gewinnen, durchaus mit Erfolg. Wir haben das Parteileben revitalisiert, indem wir einen Leitbildprozess für ein soziales und ökologisches Berlin in der Zukunft organisiert haben, an dem Bezirke, Landesarbeitsgemeinschaft und etliche Initiativen außerhalb der Partei teilgenommen haben. Ferner haben wir unser inhaltliches Profil in einem ständigen Diskurs innerhalb der Partei mit sowie etlichen Akteurinnen und Akteurin außerhalb der Partei zur Diskussion geschärft. Durch außerparlamentarische Arbeit sowohl auf dem Landes -wie auch auf Bezirkebene ist es uns gelungen, auch eine ganze Menge inhaltliche Substanz anzuhäufen, die die Grundlage für ein offenbar überzeugendes Wahlprogramm lieferte

Ein Teil eures Wahlerfolgs verdankt sich sicherlich dem Niedergang der Piraten. Hattet ihr von Anbeginn an die Einschätzung, dass die Piraten zerfallen werden? Aufgrund welcher Merkmale waren die Wählerinnen und Wähler der Piraten ein mögliches Klientel?

Die Piraten sind ja durchaus furios gestartet, versanken dann allerdings bald in internen Streitigkeiten. Ab da haben wir schon damit gerechnet, dass sich der linke Teil der Piraten-Wählerinnen und Wähler für die Linke öffnen könnte.
Die Berliner Linke versuchte erfolgreich einen Spagat: Sowohl das traditionelle ostdeutsche Stamm- Wählerpotenzial anzusprechen, als auch einen Teil des sozial diskursiven, links-modernen Wählerspektrums vor allem in den in den Innenstadtbezirken.
Deshalb sind etliche Stimmen von den Piraten zu uns gekommen.

Im Vorfeld des Wahlkampfs habt ihr eine sozialwissenschaftliche Studie über die politischen Einstellungen der Bevölkerung der Hauptstadt in Auftrag gegeben. Habt ihr aufgrund der Ergebnisse Zielgruppen der Kampagne definiert, oder standen die eh schon fest?

Die Studie und ihre Ergebnisse waren wichtig, um zu überprüfen, ob unsere Wahrnehmungen der Stimmung in der Stadt und der Stimmung unserer Wählerinnen und Wähler mit der Realität übereinstimmen. Das war der Fall, wenngleich uns manche Nuancen so auch nicht klar waren. Mit diesem Wissen haben wir die Kampagne konzipiert.

Wisst ihr schon, wer euch diesmal neu gewählt hat? Vermutet ihr Gründe dafür?

Wir haben eine Menge junge Menschen gewonnen. Das hat sicher mit der Kampagne zu tun, auch mit dem Image der Linken als einer widerständigen, modernen linken Partei. Wir haben bedeutend Stimmen von SPD und Grünen dazu gewonnen. Von der SPD sicher deshalb, weil viele Menschen hier in der Stadt die Dauerregentschaft der SPD satt waren, die auch dazu führte, dass ich hier nichts mehr bewegt, dass die Stadt nicht mehr funktioniert. Die SPD hat überdies eine Kampagne geführt, deren Ziel war, das alles bleibt wie es ist. Das war aber nicht das Interesse vieler Wählerinnen und Wähler. Die Grünen haben eine eher langweilige Kampagne geführt, die wenig politisch zugespitzt hat.

Eure Kampagne spielte mit dem Slogan „Reclaim your City“ – Wem gehört die Stadt?, so habt ihr großflächig gefragt. Und am Ende geantwortet: Dir gehört die Stadt. Wie schätzt du es realistisch ein: Können Slogans wahlentscheidend sein?

wemgehoertIch glaube , dass Slogans alleine nicht wahlentscheidend sind. Wichtig ist, dass die Partei schon vor Beginn des Wahlkampfs spür- und wahrnehmbar war, dass sie als sogenannte „Kümmererpartei“ in der Stadt präsent war – und darauf dann eine Kampagne setzen konnte, die deshalb glaubwürdig rüber kam.

Die Koalitionsverhandlungen beginnen. Du bist bei den Verhandlungen nah dran. Wagst du eine Prognose, wie sie ausgehen?

Wir stehen ganz am Anfang der Verhandlungen. Wir werden alle Anstrengungen darauf verwenden, einen sozialen und ökologischen Politikwechsel in der Stadt zu organisieren und wollen SPD und Grüne dafür gewinnen.

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