Pedro Sanchez, der Generalsekretär der PSOE, ist zurückgetreten worden. Sein Sturz an diesem Wochenende wirft einige Fragen auf. Zum Beispiel steht die Zukunft der spanischen Sozialdemokratie zur Debatte. Sind dadurch die Chancen für die Bildung einer konservativ-liberalen Regierung unter der Führung von Rajoy gestiegen? Wie wirkt sich diese Entscheidung auf Podemos aus? Der Publizist, Wirtschaftswissenschaftler und Podemos-Aktivist Pablo Torija analysiert die Situation und zeigt einige mögliche Antworten auf.
Ein Putsch durch die politische Kaste
„Ein Putsch der Oligarchie“, so hat Alberto Garzón, der Sprecher von Izquerda Unida und der PCE (Kommunistische Partei Spaniens) beschrieben, was in der sozialdemokratischen PSOE in den vergangenen Tagen vor sich gegangen ist. Pedro Sanchez war eigentlich als der Kandidat der Parteirechten zum Generalsekretär der PSOE gewählt worden. Dabei hatten ihn regionale und historische Führungspersönlichkeiten unterstützt (unter anderem Susana Díaz oder Felipe Gonzalez). Gestern wurde Sanchez von eben jenen Kräften wieder aus dem Fenster geworfen, die ihn an die Spitze der sozialdemokratischen Partei gebracht hatten.
Ein politisches Spektakel
Der Sturz war ein Spektakel. Obwohl es die AktivistInnen und WählerInnen der sozialdemokratischen Partei natürlich als Drama erlebt haben, bot es durchaus groteske Momente: Am Samstag brauchte das wichtigste PSOE-Gremium ganze neun Stunden, um zu entscheiden, wie der zweite Punkt der Tagesordnung abgestimmt werden sollte. Am Ende wählten sie offen per Handzeichen (was zur Folge haben wird, dass die Säuberung auch diejenigen treffen wird, die dabei „falsch“ abgestimmt haben). Sanchez verlor diese Abstimmung und legte daraufhin sein Amt als Generalsekretär zurück.
Sanchez wurde trotz seines politischen Erfolgs gegangen
War die Performance von Sanchez wirklich so schlecht, dass man ihn derart herauswerfen musste? Die Antwort lautet zweifellos: „Nein!“ Pedro Sanchez konnte die Podemos-Lawine bei lokalen und regionalen Wahlen aufhalten, die Partei lag 2015 in allen Regionen vor Podemos, nur nicht in den großen Städten. Darüberhinaus verhinderte er zwei Mal den Sorpasso von Podemos bei nationalen Wahlen. Tatsächlich war Pedro Sanchez derjenige Generalsekretär der PSOE der vergangenen 20 Jahre, in dessen Zeit die Werte der Partei in Wahlumfragen wieder angewachsen sind. (Siehe Tabelle 1)
Pedro Sanchez wurde von seinem Posten also nicht aufgrund seines Abschneidens abgelöst, sondern er wurde durch das Gremium abgewählt, da er vorhatte, eine Regierung unter Einschluss von Podemos zu bilden. Die spanische Oligarchie, „la casta“, wollte das auf keinen Fall gestatten und setzte alle Waffen ein, um es zu verhindern. Die Zeitung El Pais, die einst das intellektuelle Referenzblatt der Linken gewesen war, schrieb ein äußerst hartes Editorial gegen Pedro Sanchez, das danach sogar von den eigenen JournalistInnen des Blattes angegriffen wurde. Ebenso tingelte Felipe Gonzalez, der nun für einen spanischen mutinationalen Konzern arbeitet, durch alle Medien, um sich dort über Pedro Sanchez zu beklagen.
Was wird als nächstes passieren?
Die öffentliche Meinung wird so schnell nicht vergessen, was in der PSOE passiert ist, und die sozialdemokratische Partei würde einen dritten Wahlgang wohl kaum überleben. Von daher ist es einfach am wahrscheinlichsten, dass sich einige PSOE-Kongressabgeordnete enthalten und somit der PP den Weg für eine Regierung frei machen werden. Die Gespräche mit der PP werden allerdings schwierig werden, da sich beide über die extrem schwache Position der SozialdemokratInnen im Klaren sind. Die Konservativen könnten von der PSOE beispielsweise verlangen, ein neues Budget inklusive der vorgesehenen Kürzungen zu unterstützen. Um ganz genau zu sein: Eine neue PP-Regierung wird sofort tiefgehende Kürzungen der öffentlichen Ausgaben durchführen. Die EU erwartet nämlich, dass Spanien die große Disparität zwischen dem enormen Staatsdefizit und den Abkommen zwischen Spanien und der EU korrigiert. Das Ergebnis wird für die spanische Gesellschaft nicht gut sein, die unter den Kürzungen leiden wird; auch könnte sich die leichte wirtschaftliche Erholung dadurch wieder umkehren.
Ein Betrug am Willen der Wählerinnen und Wähler
Wenn all dies eintreten sollte, so würde es auch der PSOE als Partei schaden. Einer PP Regierung den Weg zu ebnen ist bei den Wählerinnen und Wählern die Variante, die die wenigsten bevorzugen, nämlich gerade mal neun Prozent. Während sie in ihrer deutlichen Mehrheit für eine Regierung unter Einbeziehung von Podemos sind (60 Prozent) oder sich sogar für einen dritten Wahlgang aussprechen (12 Prozent, siehe Tabelle 2). Dieser Betrug wird zum Unmut der AktivistInnen und WählerInnen noch hinzukommen.
Ein wichtiger Schritt beim Niedergang des gegenwärtigen politischen Regimes
Alles in allem schaut es so aus, dass „la casta“ die PSOE geopfert hat, nur um Podemos daran zu hindern, in die Regierung zu kommen. Dies ist eine neuerlicher wichtiger Schritt beim Niedergang des „Nach-Transitions-Regimes“ in Spanien.
Aber wird Podemos von diesen Umständen profitieren können? Wenn die PSOE wirklich Rajoy unterstützt, den repressivsten und korruptesten Präsidenten Spaniens, dann wird Podemos die einzige Oppositionspartei werden, und die einzige Hoffnung für linke Wählerinnen und Wähler. Die Kürzungen und die Instabilität einer neuerlichen Regierung Rajoy, der nämlich auf die Unterstützung von drei Parlamentsparteien angewiesen sein wird, löst möglicherweise eine neuerliche Mobilisierungswelle aus – und nur Podemos wird dann von dieser profitieren können.
Behaltet Spanien im Auge!
Aber dieses Szenario wird von Katalonien abhängen, wo die regionale Regierung im September 2017 ein Unabhängigkeitsreferendum abhalten wird. Sollte die nationale Frage (Katalonien versus Spanien) die soziale Frage (La Caste versus die Leute) überlagern, dann werden Podemos und die Linke Probleme bekommen, die Empörung in linke WählerInnenstimmen zu verwandeln. Die konservative Regierung könnte als Retterin der Nation dastehen, während sie deren Bevölkerung auspresst.
Die Zukunft ist in jeder Hinsicht unsicher. Die Chancen auf eine progressive Regierung sind fast verschwunden, doch das politische Durcheinander wird einige Jahre andauern. Behaltet Spanien im Auge!
Übersetzung aus dem Englischen: Sebastian Reinfeldt
Fotocredit: http://www.eldiario.es/politica/Pedro-Sanchez-PSOE-Rajoy-Podemos_0_302719816.html