Sie sei die „Wunschlösung“ von Bundeskanzler Christian Kern, berichtet der Kurier diese Woche: Elisabeth Blanik, die Bürgermeisterin von Lienz und Landtagsabgeordnete von Tirol, soll SPÖ-Parteivorsitzende in Tirol werden. Schön und gut. Doch hat diese Entscheidung Konsequenzen. Weitere Personalrochaden in der Partei führen dazu, dass Hasan Duran aus dem Unterländer Bezirk Schwaz neuer Bundesrat wird. Mit ihm hieven die SozialdemokratInnen einen erklärten türkischen Nationalisten ins Österreichische Parlament. Am Beispiel von Duran lässt sich nicht nur plastisch aufzeigen, dass beim Buhlen um Stimmen von MigrantInnen nicht so genau hingeschaut wird. Es ist vielmehr ein politisches Kalkül, aus diesen Milieus Stimmen zu keilen. Semiosis hat Hintergründe und weitere ähnliche Fälle recherchiert. Resultat: Die Millî Görüş-Bewegung ist in der SPÖ offenbar willkommen.
Streitpunkt Genozid an den ArmenierInnen
Hasan Duran ist glühender türkischer Nationalist, bis zur letzten Konsequenz. Auf seiner Facebook-Seite ruft er zum Beispiel dazu auf, gegen ein Mahnmal zu protestieren, das an den türkischen Völkermord an den Armeniern 1915 bis 1916 erinnern soll. Auch einen Bericht in Tirol Heute über die Proteste gegen dieses Mahnmal hat Duran online gestellt. Laut Bericht der Tiroler Tageszeitung wird Duran zudem eine Nähe zu den Grauen Wölfen und der ultrarechten türkischen Partei MHP nachgesagt. Diese propagieren das Türkentum als eine den anderen im Prinzip überlegene Nationalität. Der erwiesene Völkermord an den Armeniern wird von ihm im hier eingeklinkten Beitrag als eine Sicht unter anderen dargestellt. Man könne darüber so oder so denken, bis ein Höchstes Gericht entscheidet. Die eigene nationale Identität dürfe nicht mit dem Blut der geschätzt 1,5 Millionen armenischen Opfer des türkischen Terrors besudelt werden.
Wie kam Duran überhaupt auf die Liste der SPÖ?
Schon vor Jahren hat die SPÖ MigrantInnen mit österreichischer Staatsbürgerschaft als WählerInnenpotential entdeckt. Das wäre vollkommen in Ordnung und begrüßenswert, wenn die Zusammenarbeit auf Augenhöhe erfolgen würde. Dafür müssen die künftigen Partnerinnen und Partner Ernst genommen werden, was bedeutet, dass eine politische Auseinandersetzung mit ihnen stattfindet. Denn es kommen ja nicht irgendwelche Personen dafür in Frage, auf den Wahllisten zu stehen, sondern solche, die in Verbänden organisiert sind. Die türkische Community wird allerdings von muslimischen oder nationalistischen Verbänden und Vereinen dominiert, die „ihre“ Politik innerhalb der SPÖ machen wollen. Das ist keine allerneueste Erkenntnis. Hintergrund und Ausrichtung dieser Organisationen dürfte man sich bei der SPÖ – bewusst oder unbewusst – nicht so genau angesehen haben, oder aber, die problematischen Positionen einfach übersehen haben.
Vorzugstimmen-Kaiser Duran
Dass die Strategie, in der türkisch-nationalistischen Szene bekannte Personen auf die Listen zu nehmen, um Stimmen zu ziehen, aufging, zeigt ein genauer Blick auf die Wahlergebnisse. Bei der Landtagswahl 2013 erreichte Hasan Duran – obwohl nur auf Listenplatz 20 – 403 Vorzugstimmen. Zum Vergleich; Die neue Tiroler SPÖ-Vorsitzende, die damals auf Listenplatz 2 kandidiert hat, erreichte nur die Hälfte – nämlich 206 Vorzugstimmen. Offenbar geht es der SPÖ weniger darum, deren politische Positionen zu übernehmen, als vielmehr, sie zu instrumentalisieren. Im Ergebnis vertritt die Tiroler SPÖ bis heute keine türkisch-nationalistischen Positionen; im vorliegenden Beispiel hat sie „nur“ einem Nationalisten eine Bühne geboten und eine politische Karriere ermöglicht. Schlimm genug, wenn es ein Einzelfall wäre. Doch leider hat das Ganze System.
Ähnliches Kalkül in der Wiener SPÖ
Die Tiroler SPÖ ist mit dieser Taktik nämlich nicht alleine. So war bis 2015 Mehmet Arslan ein sozialdemokratischer Bezirksrat in Rudolfsheim-Fünfhaus. Auch 2015 kandidierte er für die SPÖ im 15. Bezirk, konnte diesmal aber kein Mandat erringen. Wenige Monate zuvor war Arslan zum Vorsitzenden der Islamischen Föderation in Wien gewählt worden. Wichtigste Leitfigur der Islamischen Föderation ist – wie die Wiener Zeitung schon 2009 berichtete – der frühere türkische Ministerpräsident Necmettin Erbakan, der in den 1970er Jahren die Millî Görüş-Bewegung gründete. Wikipedia schreibt über die Islamische Föderation Wien: Die
Islamische Föderation Wien (IFW) ist eine der größten islamischen Vereinigungen in Österreich mit 32 bis über 60 Moscheen. Sie wurde 1988 als Dachverband gegründet und gehört zur Millî-Görüş-Bewegung, die der fundamentalistischen Saadet Partisi Necmattin Erbakans nahesteht.
Dass aber das Kalkül über KandidatInnen aus islamischen und nationalistischen Organisationen Wähler zu generieren, auch in Wien aufgegangen ist, beweist ein Blick auf das Ergebnis der Bezirksvertretungswahl 2010. (Anm: Die Ergebnisse wurden vor einiger Zeit auf wundersame Weise von der Homepage der Stadt Wien entfernt, sind aber über web.archive.org noch auffindbar). Mehmet Arslan erhielt damals als Neunzehnter der Listen beachtliche 601 Vorzugstimmen. Das ist fast 3-mal so viel wie der Spitzenkandidat und Bezirksvorsteher des Bezirks, Gerhard Zatlokal, dem nur 208 Personen den Vorzug gaben. In absoluten Zahlen erreichte die SPÖ 2010 im 15. Bezirk 11171 Stimmen. Die 601 Vorzugstimmen repräsentieren also mehr als 5% der SPÖ-WählerInnen. 601 nationalistische Stimmen in einem Bezirk zu ziehen, nützt der dortigen SPÖ natürlich. Doch ist der politische Preis dafür sehr hoch.
Antisemitismus von Millî Görüş
Kurz vor seinem Tod gab der Gründer der fraglichen religiös-nationalistischen Bewegung Millî Görüş, Necmettin Erbakander, der deutschen Zeitung Die Welt ein Interview. Darin begründete er nicht nur die abstruse Befreiungsideologie der Bewegung („Wir befreien auch Christen und Juden“), in sechs prägnanten Sätzen versammelt er die antisemitischen Standard-Vorurteile, gemischt mit nebulösen Verschwörungstheorien über Freimaurer. Es wird ein ein übles antisemitisches Wahnbild offenbart:
Seit 5700 Jahren regieren Juden die Welt. Es ist eine Herrschaft des Unrechts, der Grausamkeit und der Gewalt. Sie haben einen starken Glauben, eine Religion, die ihnen sagt, dass sie die Welt beherrschen sollen. Sehen Sie sich diese Ein-Dollar-Note an. Darauf ist ein Symbol, eine Pyramide von 13 Stufen, mit einem Auge in der Spitze. Es ist das Symbol der zionistischen Weltherrschaft. Die Stufen stellen vier „offene“ und andere geheime Gesellschaften dar, dahinter gibt es ein „Parlament der 300“ und 33 Rabbinerparlamente, und dahinter noch andere, unsichtbare Lenker. Sie regieren die Welt über die kapitalistische Weltordnung.
Wie diese Ideologie der Millî Görüş-Bewegung mit der der SPÖ vereinbar sein soll, bleibt wohl das Geheimnis der sozialdemokratischen Parteistrategen.
Weitere Verbindungen der SPÖ zu Millî Görüş
Arslan und – der übrigens erst vor wenigen Tagen (wieder) in die SPÖ eingetretene – Duran sind keine Einzelfälle. Resul Ekrem Gönültas, Nationalratskandidat der SPÖ aus dem Jahr 2013, ist ein weiteres Beispiel. Er betreibt das Restaurant Tulpe, und ist Vize-Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes (SWV). Auch er ist Medienberichten zufolge der Millî Görüş-Bewegung zuzuordnen. Auf den sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandslisten findet sich übrigens auch der Geschäftsführer der Islamischen Föderation, Uyar Yurdakul. Er kandidierte für den Bereich Reisebüros auf Platz 8 des SWV.
In Linz sitzt der Generalsekretär der oberösterreichischen Sektion der Islamischen Förderation, ALIF, im Gemeinderat in Freistadt. Dorthin kam er – genau, auf einer SPÖ-Liste.
Das sieht nach einem ganz direkten Zugriff der Bewegung auf sozialdemokratische Gremien aus. Und das nicht aus der hinteren Reihe von Millî Görüş. Zusammengefasst sind nämlich sowohl der Vorsitzender als auch der Geschäftsführer der Islamischen Föderation Teil der österreichischen Sozialdemokratie. Zu ihnen gesellt sich nunmehr der neue Tiroler Bundesrat und Neo-Sozialdemokrat Hasan Duran. Allesamt Anhänger der – politisch mehr als nur problematischen – Millî Görüş-Bewegung.
Update
Hasan Duran wird nach neuesten Meldungen wahrscheinlich doch nicht Mitglied der SPÖ, aber des Bundesrates. Die SJ hat per Facebook öffentlich Kritik an der Mutterpartei geübt. Somit hätte die Bewegung dann gleich einen direkten Sprecher dort. Wenn auch ohne Parteibuch.
Obwohl Duran in Verbindung mit den rechtsnationalen „Grauen Wölfen“ in der Türkei steht und den Gedenkstein in Innsbruck für den Völkermord an den Armeniern ablehnt, wird er in Kauf genommen. Schließlich soll damit ein Nachrücken des in der Partei ungeliebten Klaus Gasteiger in den Landtag verhindert werden. Nach ergebnislosen Gesprächen mit Duran über dessen umstrittene politische Ansichten stellte Noch-Parteichef Ingo Mayr gestern gegenüber der TT endgültig klar, „dass Duran nicht wieder in die SPÖ aufgenommen wird“. Sollte es nicht doch noch zu einer Lösung kommen, werde Duran wilder Abgeordneter im Bundesrat sein.
Der Erdogan ist vermutlich einer der gerissensten und machtbessessensten Politiker der Geschichte http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=411054 und das Erstaunliche ist, dass sämtliche seiner Handlungen und Gesetzgebungsvorhaben der letzten Jahre schon (er fing ja mal ganz harmlos an) gegen sämtliche EU-Regularien verstossen, und dennoch führt die EU das Aufnahmeverfahren weiter, als ob es unter ihm jemals abgeschlossen werden könnte. Und die Parteien (interessant, s.o., auch die SPÖ – was waren die Sozialdemokraten damals gegen die türkische Junta aufgetreten!) biedern sich ihm auch noch reihenweise an. Ähnlich erging es Hitler, der auch irgendwann glaubte (und grosse Teile des Volkes mit ihm), er könne sich aussen- und innenpolitisch alles erlauben, die jeweilige ‚Gegenseite‘ werde stets nachgeben.