Das Ergebnis der Wahlwiederholung in der Leopoldstadt passt. Die FPÖ hat einen deutlichen Dämpfer erhalten, die SPÖ merkt, dass sie mit ihrer Arroganz der Macht in Wien nicht immer durchkommt. Und es gibt eine grüne Bezirksvorsteherin, die für fortschrittliche Politik empfänglich ist. Dennoch: Die Berichte von Menschen, die aufgrund der schadhaften Wahlkarten ihr demokratisches Wahlrecht nicht wahrnehmen können, häuften sich. Vor und während der Wahlen, und danach. Weil das Ergebnis passt – also Schwamm drüber? Nein, meint Sebastian Reinfeldt in einem Kommentar.
In einer Demokratie ist das Formale substantiell
Wahlen sind das Zentrum einer liberalen Demokratie: Ergebnisoffen, frei, geheim und gleich müssen sie sein, damit die politische Macht, die in und durch Wahlen errungen wird, legitim ausgeübt wird. Vielleicht ist die repräsentative Demokratie nicht das Beste aller Systeme – und besonders die Stimmübertragung ist mehr als problematisch – aber es ist doch eins, das derzeit funktioniert, und das es ermöglicht, verfestigte Machtstrukturen zu brechen. Nicht akzeptable Machtausübung kann abgewählt werden.
Dafür aber ist das Einhalten der Prozeduren wesentlich. Und zwar nicht, weil es sich hier um bürokratische Vorgaben handelt, die peinlich genau zu befolgen sind, weil die Obrigkeit es so wollte. Im Gegenteil: Die Regeln einer demokratischen Wahlprozedur sind der einzige Schutz, den die Beherrschten vor dem Zugriff der Mächtigen auf die demokratische Machtverteilung haben. Hier schlägt das Formale ins Substantielle um, am Funktionieren der Wahlprozedur lässt sich die demokratische Güte einer Wahl bemessen.
Die Wahlwiederholung hat eine geringe demokratische Güte
Von rund 800 Personen wissen wir laut offiziellen Angaben, dass sie aufgrund der schadhaften Wahlkarten nicht wählen konnten, obwohl sie BEREITS gewählt hatten. Also hat die Wahlwiederholung in der Leopoldstadt eine geringe demokratische Güte. Das steht fest. Welche Schlussfolgerungen sollen wir daraus ziehen? In der „Passt-scho“-Demokratie, die Österreich zu sein scheint, könnten wir sagen: Die rund 800 Menschen, die nicht wählen konnten, werden das Ergebnis nicht groß verändern. Vielleicht – und höchstens – das eine oder andere Mandat hierhin oder dorthin schieben. Das mag schon sein. Groß verändern wird sich nichts mehr.
Bequemlichkeit zerstört Demokratie – schleichend?
Fest steht aber auch, dass diese Menschen aufgrund behördlicher Fehler ihr Wahlrecht nicht ausüben konnten. Und fest steht auch, dass es bis zum Wahltermin Ausstiegsoptionen gegeben hat, die die Wahlbehörde nicht gezogen hat. Sie ist darauf hingewiesen worden, dass es sich nicht ausgeht. Und sie hat selbst sogar den „Rechtsanspruch auf Stimmrecht“ betont und auch versucht, diesen Anspruch einzulösen. Mit DHL-Boten, E-Mails und 50 zusätzlichen Beamten. Es ist sich trotzdem nicht ausgegangen, weil der Fehler in der Beauftragung einer Druckerei lag, die den Auftrag nicht ausführen konnte. Und der Fehler lag darin, dass hier zu wenig kontrolliert wurde. Alles spricht also für eine Wahlwiederholung. Nur die Bequemlichkeit nicht. Doch genau die zerstört die Demokratie. Schleichend.
Die Tatsache, dass die Briefwähler und die EU-Bürger separat ausgezählt werden führt dazu, dass die Wahl nicht mehr geheim ist.
Die Methode, dies zu verhindern wäre z.B. die Methode der Briefwahl von den Deutschen zu übernehmen, wo die Briefwähler mit den anderen Stimmen gezählt werden.